Unboxing

Tagebuch eines Testers: Das LG G4 im Alltag

Wie schlägt sich das LG G4 im Alltag? Hat es genügend Power für aktuelle Spiele? Welche Lehren hat LG aus den Problemen mit dem Vorgänger gezogen? Wir geben Antworten auf die wichtige Fragen.
Von Hans-Georg Kluge

Das LG G4 im Alltags-Test. Das LG G4 im Alltags-Test.
Bild: teltarif.de
Das LG G4 soll die Konkurrenz von Samsung, HTC oder Sony das Fürchten lehren. Im längeren Test zeigt sich, dass dies nicht vollständig gelingen wird - zu viele Kompromisse ist LG eingegangen. Aber reicht das G4 möglicherweise dennoch im Alltag aus? Müssen es immer die Flaggschiff-Prozessoren sein? Die Hardware-Entwicklung spricht durchaus dafür, es mal mit einem Chipsatz zu probieren, der leistungsmäßig nicht in der Spitzenklasse angesiedelt ist.

Software: Im Alltag nur wenige Probleme

LG G4

Beim G3 hatte LG zunächst massive Software-Probleme. Käufer der ersten Stunde durften damals Beta-Tester spielen, kämpften mit Abstürzen und gaben auch noch fast 200 bis 300 Euro mehr für das Teil aus als Spätkäufer. Auf einige Fehlerberichte (wie zum Beispiel den verschlüsselten Bootloader und den Schärfefilter beim Display) reagierte LG mit einem Schulterzucken und kümmerte sich nicht. Kurz: Wer bei einem LG-Device einen Fehler findet, darf ihn oft behalten.

Das LG G4 im Alltags-Test. Das LG G4 im Alltags-Test.
Bild: teltarif.de
Spannend war daher, ob es beim LG G4 ähnliches zu berichten geben wird. Nach rund zwei Wochen kann ich sagen, dass keine gravierenden Probleme aufgetreten sind. Die System-Software wirkt stabil und und stürzte während unseres Tests nicht ab (beim LG G3 traten diese Probleme aber auch erst nach zwei oder drei Wochen auf).

Über jeden Zweifel erhaben ist die Performance des LG G4 nicht. Zeitweise hatte ich rund 120 Apps installiert (von denen aber nicht alle aktiv im Einsatz oder eingerichtet waren). Da kam das G4 schon mal ins Schwitzen und gönnte sich eine kurze Denkpause. Animationen stockten oder ruckelten aber nur selten.

An der 3D-Leistung gibt es grundsätzlich nicht viel zu meckern - der Grafikchip ist stärker als derjenige des LG G3 (konkret: Adreno 418 vs. Adreno 330), das zeigen auch einige Benchmarks. Es gibt jedoch ein großes ABER: Die Konkurrenz von Samsung und HTC ist dem LG G4 etwas enteilt. Für die aktuelle Generation der 3D-Games reicht das G4 zwar aus - bei künftigen Neuerscheinungen kann das aber schon ganz anders aussehen. Hitzeprobleme hat das G4 nicht - sicher, es erwärmt sich, Gefahr für den Prozessor oder die Hand besteht aber nicht.

Praxiseindrücke sammelte ich mit den Spielen Riptide GP2, Implosion, Machinarium und Monument Valley. Der Racer Riptide GP2 lief weitgehend flüssig, allerdings sank die Framerate spürbar, wenn mehrere Gegner zu sehen waren. Gerade in diesen Situationen ist aber ein schnell reagierendes Smart­phone besonders wichtig, insofern waren die dann wahrzunehmenden Ruckler besonders schmerzlich. Monument Valley weist zwar nicht die detaillierteste Grafik auf, strapazierte dafür den Akku umso mehr: In rund einer halben Stunde sank der Akkustand um rund 30 Prozentpunkte. Bei den anderen beiden Spiele waren weder Bildrate noch Akkuverbrauch im negativen Sinne auffällig. Für Spieler ärgerlich: Der Mono-Lautsprecher ist wie schon beim G3 nach hinten ausgerichtet und kann nur leidlich überzeugen.

Den schwächeren Prozessor wählte LG, um Akkulaufzeit, Leistung und Hitzeentwicklung in Einklang zu bringen. Allerdings hält der Akku des G4 nicht länger durch als derjenige des G3. Im Alltag kam ich durch einen Tag, bei geringerer Belastung waren auch anderthalb Tage drin.

Kompromisse: Wenig Änderungen, schmerzliche Abstriche

Im Frühjahr kritisierten nicht wenige Beobachter (auch ich) HTC - es habe zu wenige konkret spürbare Veränderungen beim One (M9) gegeben (gemessen am Vorgänger). Nun tritt LG in die Fußstapfen von HTC: Beim LG G4 gibt es ebenfalls kaum Fortschritte - lediglich beim Display nutzte LG das Potenzial, das der Vorgänger aufwies. Ansonsten ist Hausmannskost geboten: Ein nur solider Prozessor, eine gute Kamera, ein Lautsprecher, der wegen seiner Ausrichtung nach hinten für Spieler ungeeignet ist.

Das LG G4 zeigt bei vielen installierten Apps Schwächen. Das LG G4 zeigt bei vielen installierten Apps Schwächen.
Bild: teltarif.de
Einige Features hat LG sogar gestrichen. Besonders bedrückend ist für mich die Tatsache, dass LG die Qi-Ladefunktion entfernt hat. Das G3 und mein altes Nexus 5 kommen nachmittags oder abends auf die Ladestation und so bleibt deren USB-Buchse vor unnötiger Abnutzung geschützt. Denkbar wäre, dass Qualcomms Quick Charge 2.0 als Ersatz dienen soll - aber das sind letztlich zwei unter­schied­liche Paar Schuhe. Zudem: Unserem Testexemplar liegt ein Standard-Ladegerät bei - schnelles Laden geht damit nicht. Käufer müssen darüber hinaus auf den intelligenten Bildschirm verzichten - der verhinderte bei den Vorgängern, dass sich das Display ausschaltet, wenn der User noch darauf blickt. Für mich zwei schwerwiegende Nachteile des G4.

Preis-Leistungs-Verhältnis: Besser warten?

In manchen Stunden sinniere ich über das Preis-Leistungs-Verhältnis des G4. Für die Modelle mit Plastik-Rückseite nennt LG eine Preisempfehlung von 649 Euro, wer eine Leder-Rückseite möchte, soll 699 Euro bezahlen. Die ersten Händler senken ihre Preise aber schon, sodass die tatsächlichen Kaufpreise niedriger ausfallen dürften. Dennoch: Angesichts des Preisverfalls der Vorgänger (G2 und G3) könnte das für Early Adaptor heißen, dass sie mit dem frühen Kauf erheblich draufzahlen.

Firmware hacken wird beim LG G4 leichter

Für Android-Enthusiasten eine gute Nachricht: Der Bootloader lässt sich auf Wunsch entsperren. Damit ist es möglich, alternative Android-Versionen oder andere Custom-ROMs zu installieren. Das war beim Vorgänger unbedingt nötig:

Im ersten Eintrag meines Test-Tagebuchs schrieb ich von "Hassliebe" zum G3. Mein privates G3 ist gerootet, mit einer Custom-ROM versehen und ich habe einen Software-Mod installiert, der den irrsinnigen Schärfefilter deaktiviert, der über das Bild gezogen ist. Nur mit diesen drei Anpassungen ist mein privates G3 überhaupt flink und im Alltag einsatzbereit. LGs originale Software hingegen wirkt träge und ruckelig. Damit diese Modifikationen überhaupt zu realisieren waren, mussten Hobby-Entwickler einen Weg finden, den Bootloader zu entsperren - das gelang erst Monate nach dem Marktstart des G3.

Besondere Kamera-Features haben wir bereits ausprobiert und zeigen Ihnen in einem eigenen Artikel, ob der manuelle Modus der G4-Kamera überzeugen kann.

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