UKW-Ausstieg von Media Broadcast könnte Digitalisierung beschleunigen
Media Broadcast trennt sich vom UKW-Sendernetzbetrieb
Bild: Logo: Media Broadcast Montage: teltarif.de
Die ganze Welt um uns herum ist digital: Das Telefon, das Fernsehen, immer mehr Hausgeräte. Nur das Radio verharrt bisher noch weitgehend in einer analogen Insel. UKW ist über 20 Jahre nach dem ersten Versuch das terrestrische Radio in Deutschland zu digitalisieren noch eine Bank. Acht von zehn Bundesbürger nutzen die alte, analoge Technik zum Radiohören. Trotzdem gibt es immer mehr Bürger, die digitale Hörfunktechniken entdecken, jeder fünfte Deutsche besitzt bereits zum Empfang nötige Digitalradios. Dass der führende Netzbetreiber Media Broadcast nun aus der UKW-Technologie aussteigen will, um das digital-terrestrische DAB+ zu forcieren, könnte diese Entwicklung beschleunigen.
Kein "Säbelrasseln"
Media Broadcast trennt sich vom UKW-Sendernetzbetrieb
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Dass der einstige Monopolist beschlossen hat aus der analogen UKW-Technologie auszusteigen, wird von vielen Beobachtern der Szene als ein Säbelrasseln oder ein Machtkampf mit der Bundesnetzagentur gewertet. Wie teltarif.de aus dem Umfeld des Unternehmens hört, seien die strategische Entscheidung und der Ausstiegszeitpunkt 30. Juni 2018 aber fix.
Seit 1. Januar 2016 ist der Betrieb von UKW-Sendenetzen liberalisiert. Damit ist das einstige Telekommunikationsmonopol weggefallen. Hörfunkveranstalter hofften, dass der auf dem Markt einsetzende Wettbewerb dazu führen würde, dass der Netzbetrieb für die Sender kostengünstiger wird. Allerdings gibt es hier einen Haken: Media Broadcast besitzt noch die Infrastruktur und muss laut Verfügung durch die Bundesnetzagentur Konkurrenten auf seine UKW-Antennen lassen. Die Sendetürme gehören in der Regel der Deutschen Funkturm, einer Tochter der Deutschen Telekom. Für eigene Antennen ist auf den Sendetürmen kein Platz und für neue Sendetürme würden die Mitbewerber in der Regel keine Baugenehmigung bekommen - abgesehen von massiven Investitionen, die für solche Neubauten nötig wären.
Da Media Broadcast bei vielen Standorten bereits in finanzielle Vorleistung gegangen ist oder dies noch vorhat, müssen Wettbewerber diese Kosten übernehmen. Die anfallenden Gebühren für jeden einzelnen Sendestandort legt final die Bundesnetzagentur fest, nachdem zuvor die Anzeige der Entgelte durch Media Broadcast erfolgt ist. Über die Preisgestaltung gab es bereits in der Vergangenheit heftige Kritik.
Nachdem die Bundesnetzagentur Media Broadcast vorläufig untersagt hatte, gegenüber einigen Radioveranstaltern neue Entgelte für die Übertragung von UKW-Rundfunksignalen einzuführen, zieht das Unternehmen nun die Konsequenz: "Es lohnt sich für uns nicht, die Infrastruktur weiter zu besitzen", sagte Media Broadcast-Chef Wolfgang Breuer der Deutschen Presse-Agentur.
Spannend ist nun die weitere Entwicklung. Über allem steht die Frage: Darf sich Media Broadcast überhaupt trotz bestehender Verträge einfach so von seinem Geschäftsfeld UKW trennen? Und wie reagieren Mitbewerber wie Divicon Media oder Uplink: Gehen sie auf das Angebot von Media Broadcast ein und kaufen Sender und Antennen? Und vor allem: Beschleunigt der Rückzug möglicherweise sogar das Thema "Kompletter UKW-Ausstieg"?
UKW nicht mehr zeitgemäß und ausgereizt
UKW hat einerseits Vorteile, was Robustheit und Verfügbarkeit angeht: An jedem Fleck in Deutschland kann man analoge Programme zumindest in Mono-Qualität hören. Das kann die digital-terrestrische Technik DAB+ nicht vorweisen, wobei die Sendernetze hier noch im Aufbau sind. UKW ist aber andererseits eine nicht mehr zeitgemäße und weitgehend ausgereizte Technologie: Vielerorts sind keine Frequenzen mehr vorhanden. Sollte ein Veranstalter doch noch einen Kanal ergattern, handelt es sich zumeist um eine
Die Reichweite von DAB+ ist deutliche höher als die von UKW, zumindest bezogen auf die Kosten.
Bild: dpa
störanfällige Low-Power-Frequenz mit geringer technischer Reichweite.
UKW ist auch eine teure Technologie: In Hessen kostet beispielsweise der Betrieb einer kleinen UKW-Frequenz, die nur einen Radius von gut 5 km abdeckt und maximal 20 000 Einwohner versorgt, etwa so viel wie ein Sendeplatz im regionalen DAB+-Ensemble mit einer technischen Reichweite von fast fünf Millionen Einwohnern.
Hörfunkanbieter und Digitalstrategie
Die Entscheidung der Media Broadcast könnte privaten Hörfunkunternehmen als Weckruf dienen, um die gesamte Zukunfts-Strategie zu überdenken. Denn längst hält die Digitalisierung auch beim Radio Einzug, sie wird von den etablierten kommerziellen Veranstaltern bislang nur ausgebremst. Es gibt mit DAB+ einen attraktiven und kostengünstigen terrestrischen Weg, der auch für neue Formate als "Beiboote" zu den Hauptprogrammen genutzt werden könnte. Es gibt zudem hochinteressante, potenzielle Internet-Geschäftsfelder, etwa Radio mit interaktivem Rückkanal, Personal Radio oder Spot Targeting (personalisierte Werbespots). Das alles erfordert allerdings Investitionen. Häufig stehen Verleger hinter privaten Radiostationen, für die das UKW-Radiogeschäft noch die letzte "Cashcow" darstellt, nachdem sie mit Print keine Gewinne mehr erwirtschaften.
Digitale Lethargie
Als Konsequenz daraus treten die meisten private Veranstalter in Verhandlungen mit der Politik zu einem Umstieg von UKW auf digitale Technologien in Deutschland auf die Bremse. Eine Roadmap, die eigentlich bereits zum Jahresanfang verabschiedet werden sollte, muss nun noch einmal neu verhandelt werden.
Eine Trägheit und digitale Lethargie zieht sich weitgehend durch die gesamte private Hörfunkbranche, es gibt nur wenige wirklich innovative Unternehmen: Morning Shows, Gewinnspiele und die besten Hits sollen nach Möglichkeit auch in den kommenden 20, 30 Jahren noch das Erfolgsrezept sein, mit der analogen UKW-Technologie als Ausspielweg. Und je weniger Radiohörer neue Technologien wie DAB+ oder das Internet mit zahlreichen Konkurrenten und Alternativen entdecken, umso besser ist das für das eigene Geschäft.
Vor dem Hintergrund, dass um Deutschland herum immer mehr Länder die Digitalisierung des Radios vorantreiben und schon konkrete UKW-Ausstiegsszenarien entwickelt haben, stellt sich daher die Frage: Entwickeln private Sender nun endlich eine Digitalstrategie und investieren in die Zukunft? Oder kämpfen sie mit allen Mitteln um den Weiterbetrieb einer bald 70 Jahre alten Technologie als letzte analoge Bastion? Die Entscheidung von Media Broadcast aus UKW auszusteigen, könnte diese Frage mit beeinflussen.