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5G: So funktioniert der aktuelle Mobilfunk-Standard

Die logi­sche Weiter­ent­wick­lung von LTE (4G) heißt 5G. Das revo­lutio­niert die Mobil­funk­nutzung, da mit einem neuen Netz gleich mehrere Netz-Archi­tekturen gebaut und Anfor­de­rungen erfüllt werden.
Von / / Julian Ruecker

Einige Aussteller des Mobile World Congress waren sich schon 2016 sicher: Die 5G-Tech­no­logie wird so flexibel, dass sie 4G/LTE und 2G/GSM (nicht jedoch 3G) mit enthält, die Zauber­formel lautet "Single RAN". Man kann eine 5G-Basis­sta­tion so konfi­gu­rieren, dass sie 5G-kompa­tibel mit LTE- oder GSM-Handys kommu­ni­ziert. 5G wird Anwen­dungen abde­cken, die von unter dem, was derzeit mit GSM möglich ist, bis weit über das reichen, was 4G/LTE entspricht. "Unter GSM" bedeutet insbe­son­dere nied­rige Bitraten und einen nied­rigen Ener­gie­ver­brauch, aber auch nur nied­rige nötige Feld­stärken am Ort des Modems, und "über LTE" bedeutet beson­ders hohe Bitraten und kurze Ping-Zeiten.

5G NB-IoT, Massive MIMO

Einige der neuen Funk­tionen von 5G, vorwie­gend Massive MIMO und NB-IoT, sind bereits in 4G imple­men­tiert. Insbe­son­dere auf den derzeit mit 4G benutzten Frequenzen bei 700, 800, 1800 und 2600 MHz ist ein Misch­be­trieb von 4G und 5G möglich (5G DSS), indem Para­me­ter­sätze (etwa Kanal­band­breite und Frame-Länge) verwendet werden, die mit einem 4G-Betrieb kompa­tibel sind. Auf den neuen "reinen" 5G-Frequenzen zunächst bei 3,6 GHz werden hingegen auf 5G opti­mierte Para­meter verwendet werden, vornehm­lich kürzere Frame-Längen für kürzere Ping-Zeiten und höhere Band­breiten für höhere Maxi­mal­bi­traten.

Über­gang von 4G auf 5G ohne harten Schnitt

Das Reno 5G von Oppo, eines der ersten 5G-fähigen Handys. Das Reno 5G von Oppo, eines der ersten 5G-fähigen Handys.
Foto: Swisscom
Anders als beim Wechsel von 3G zu 4G gibt es beim Über­gang von 4G zu 5G keinen harten Schnitt, wenn man von der offi­ziell verkün­deten kompletten Abschal­tung der 3G-Tech­no­logie (UMTS) im Jahr 2021 absieht.

NSA - ihr seid nicht alleine

5G verwendet ein neues Modu­la­ti­ons­ver­fahren, um die Signale (Sprache, Daten) über den Funk­kanal zu trans­por­tieren. Es wird "NR" (= New Radio) genannt. Dabei werden neue noch effi­zi­en­tere Modu­la­ti­ons­ver­fahren verwendet. Im Hinter­grund ist aber noch ein 4G-Kern-Netz­werk (Core) notwendig und deshalb wird das auch als "Non-Stand-Alone" (NSA) bezeichnet. Das erleich­tert den Über­gang. Der künf­tige Netz-Grund­ausbau wird weiter aus 4G (LTE) bestehen, was dann in "Hotspots" (wo viel Kapa­zität oder Band­breite oder kurze Latenzen gebraucht werden) um 5G erwei­tert wird.

Zunächst wird 5G-NR nur im Down­stream einge­setzt. Zur Steue­rung und zum Upload der Daten oder zum Abtrans­port dahinter ins Netz bleibt vorerst noch 4G (LTE) im Spiel. Nach NSA folgt als nächste Stufe "Stand Alone" oder kurz SA. Bei 5G-SA braucht die Anlage keine 4G-Unter­stüt­zung mehr. 5G-SA gibt es schon, im Augen­blick aber über­wie­gend in soge­nannten Campus-Netzen, das sind abge­schlos­sene "private" Netze für Firmen, Forschungs­unter­nehmen oder die Land­wirt­schaft. Es ist aber jetzt schon absehbar, dass 5G-SA auch in öffent­lich nutz­baren Netzen zum Einsatz kommen wird. Erst mit 5G-SA können alle Vorteile von 5G richtig ausge­nutzt werden.

5G flächen­deckend?

In der poli­ti­schen Diskus­sion wird 5G gerne mit flächen­de­ckender Netz­ver­sor­gung (bis zu letzten "Milch­kanne") verwech­selt. Auf den dafür anfangs gedachten Frequenzen bei 3,6 GHz wäre das logis­tisch und wirt­schaft­lich kaum möglich. Diese Frequenzen, und künf­tige noch weiter ober­halb, haben eine viel zu geringe Signal-Reich­weite. Es müssten - grob geschätzt - rund 800.000 Basis­sta­tionen aufge­baut werden, aktuell sind es so um die 40 000 (alle Netz­an­bieter in Deutsch­land zusammen).

Der Trick mit 5G DSS

Ein aktuelles 5G-Flaggschiff: das Samsung Galaxy S20 Ultra Ein aktuelles 5G-Flaggschiff: das Samsung Galaxy S20 Ultra
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Also sagten sich die Tech­niker, man müsste doch 5G auch auf nied­rigeren Frequenzen machen können. Es wurde eine Bestands­auf­nahme gemacht und fest­gestellt, dass man auf ältere Tech­nolo­gien verzichten könnte.

In einigen Ländern hat man die 2G-Tech­no­logie abge­stellt, in Deutsch­land hat man sich für die Abschal­tung von 3G entschieden, als Termin wurde Mitte/Ende 2021 bekannt gegeben.

3G fand hier­zu­lande ausschließ­lich auf 2,1 GHz statt. Diese Frequenz wird seit einiger Zeit auch für LTE/4G und jetzt auch für 5G genutzt. Das Geheimnis lautet Dynamic Spec­trum Sharing (DSS). Man verwendet die Frequenzen scheinbar gleich­zeitig (eher abwech­selnd) für 4G und 5G.

5G-NSA oder 5G-SA?

Solange 5G noch auf 4G aufsetzt (NSA) nimmt man eine "Anker­zelle" im 4G-Band und verknüpft sie mit einem 5G-Sender in einem anderen Band, z. B. bei 2,1 GHz. Aber auch 2,1 GHz hat nicht die ideale Reich­weite. Je tiefer die Frequenz, desto besser die Reich­weite. In Deutsch­land wurde 700 MHz den Fern­seh­machern abge­knöpft und als "Digi­tale Divi­dende II" dem Mobil­funk zuge­schlagen. Also wird 700 MHz jetzt teil­weise für 5G verwendet. In den USA funkt man sogar schon auf 600 MHz.

5G-SA

Wo 5G schon "alleine" arbeiten kann, spricht man von "Stan­dalone" abge­kürzt "SA" oder 5G-SA oder aus Marke­ting-Gründen auch "5G+" oder "5G-Plus" genannt. Da der 5G-Teilen "alleine" funken kann, sind theo­retisch kürzere Ping zeigen möglich. Die Daten­raten sind im Augen­blick eher geringer, da bei 5G-NSA verschie­dene Träger ("Carrier") "zusam­men­geleimt" werden und so hohe Band­breiten erlauben. In einem weiteren Schritt können 5G-Carrier aggre­giert (zusam­men­gefügt) werden und dann werden auch hier die Geschwin­dig­keiten steigen. Das setzt aber voraus, dass am Standort des Kunden alle Frequenz­bänder zur Verfü­gung stehen, insbe­son­dere die Frequenz 3600 MHz (Band "n78") hat eine sehr geringe Reich­weite. Weitere Frequenzen könnten um 2030 bei 6 GHz dazu kommen, dazu müssen noch die regio­nalen, natio­nalen Geneh­migungen erteilt werden und die Gerä­teher­steller müssen passende Endge­räte bauen.

Aktuell bieten noch nicht alle Netz­be­treiber 5G-SA. Ange­fangen hatte Voda­fone unter dem Begriff "5G+", aller­dings sind nicht alle Stationen umge­rüstet. Der Kunde muss die Option in seinem Kunden­tool (z.B. Mein Voda­fone App) buchen. Auch o2-Kunden können diese Funk­tion derzeit ohne Mehr­kosten buchen. Wer sich für 5G-SA inter­essiert, braucht mögli­cher­weise eine neue SIM-Karte (SUCI-SIM). Außerdem unter­stützen nicht alle 5G-fähigen Endge­räte auch 5G-SA oder nur auf bestimmten Frequenzen (z.B. Apple im Netz von Voda­fone, bei o2 derzeit noch gar nicht.)

Die Telekom plant 5G-SA in der zweiten Jahres­hälfte 2024 frei­zugeben.

5G-Netz­ausbau schneller als gedacht

Durch diese Tricks konnten bereits weite Flächen von Deutsch­land mit 5G ausge­leuchtet werden. Allen voran die Deut­sche Telekom, gefolgt von Voda­fone und o2, die erst ein Jahr nach den Mitbe­wer­bern mit 5G ange­fangen haben.

Der vierte Netz­be­treiber 1&1-Mobil­funk (vormals 1&1-Dril­lisch) pokerte lange, ob er außer­halb von Ballungs­gebieten viel güns­tiger als "Unter­mieter" bei Telekom, Voda­fone oder o2 mitfunken darf. Kosten soll es aber möglichst wenig. Aufgrund der EU-Auflagen hatte 1&1 ein "güns­tiges" Roaming-Abkommen mit o2-Telefónica, das aber zunächst nur die Nutzung von 2G und 4G beinhal­tete. Nachdem 1&1 relativ über­raschend ein neues Roaming-Abkommen mit Voda­fone (inklu­sive der Nutzung von 5G) abge­schlossen hatte, zog o2-Telefónica mit der Frei­gabe von 5G nach. Das o2-Roaming wird aller­dings Ende 2025 auslaufen.

1&1 setzt im eigenen Netz von vorne­herein auf die Open-RAN-Tech­no­logie, die viel Soft­ware aus den proprie­tären Baugruppen eines Herstel­lers in Form von frei zugäng­licher Soft­ware auf Stan­dard­pro­zes­soren (z.B. X86) umsetzt und somit einen einfa­cheren Wechsel von Herstel­lern bzw. Liefe­ranten erlaubt. Gleich wohl stößt 1&1 auf wenig Gegen­liebe.

Die bereits etablierten Netz­be­treiber sehen nicht ein, dass ihre hohen Netz­inves­titionen "entwertet" werden, weil ein preis­aggres­siver Anbieter, der dann auch noch mit natio­nalem Roaming bundes­weit nutzbar wäre, für viele Kunden wesent­lich attrak­tiver sein könnte. Die Folge: Noch mehr preis­sen­sible Kunden würden den teureren Anbieter verlassen, dem dann das Geld zum Netz­ausbau fehlen könnte. Die weitere Folge: Insge­samt schlech­teres oder an vielen Stellen weiter kein Netz. Unbe­schadet davon hat 1&1 im Dezember 2023 (nach einem Vorstart im Dezember 2022) sein eigenes Mobil­funk­netz gestartet.

Das Problem mit den "5G-fähigen" Handys

Das iPhone 12 ist das erste 5G-fähige Modell von Apple, das auf einen Qualcomm-Chip setzt. Mit 5G-DSS fremdelt das iPhone noch ein wenig. Das iPhone 12 ist das erste 5G-fähige Modell von Apple, das auf einen Qualcomm-Chip setzt. Mit 5G-DSS fremdelt das iPhone noch ein wenig.
Foto: Apple Inc.
Zu Anfang konnten 5G-fähige Handys nur den Frequenz­bereich zwischen 3,4 bis 3,8 GHz, der Fach­mann spricht vom Band n77/n78. Doch diese Stationen stehen über­wie­gend nur in Groß­städten. Neuere Handy-Modelle kommen auch mit nied­rigeren Frequenzen klar. Doch dabei gibt es wieder Tücken: Liegen Anker­zel­len­fre­quenz und 5G-Frequenz zu "nahe" beiein­ander, kommen verschie­dene Handys damit nicht so richtig klar.

Auch die iPhone-Modelle von Apple wie iPhone 12 bis 15 oder die Ober­klasse von Samsung Galaxy (aktuell Galaxy S24) haben oder hatten Probleme. Die Kombi­nation von Band "B20" (800 MHz) mit Band "n28" (700 MHz) funk­tio­niert bei Apple nach wie vor nicht (bei Samsung inzwi­schen schon). Eine Lösung kann sein, dass die Netz­be­treiber an jeder Station möglichst viele verschie­dene Frequenz­kom­bina­tionen anbieten, damit für möglichst jedes Handy eine übrig bleibt.

5G auf nied­rigen Frequenzen ist langsam

Wer sich stolz ein 5G-fähiges Handy kauft und dann den ersten Speed­test startet, wird zunächst enttäuscht sein. Statt Höchst­geschwin­dig­keiten im Gigabit-Bereich ist 5G hier nur unwe­sent­lich schneller als 4G (LTE) oder in Einzel­fällen sogar lang­samer. Man kann die Physik kaum austricksen: Wenn es schneller werden soll, braucht man mehr Band­breite, und die gibt es nur auf höheren Frequenzen oder durch Frequenz­kom­bina­tionen, sprich Carrier Aggre­gation. Und mit viel, viel mehr Sende­sta­tionen als heute.

5G wird sich durch­setzen, 6G vor der Tür

Gleich­wohl geht die 5G-Entwick­lung mit Riesen­schritten weiter. Fast täglich kommen neue Geräte in den Handel und stellen Chip-Hersteller ihre neuen Baugruppen und Chip­sätze vor. Und in den Forschungs­laboren und Normie­rungs­gre­mien wird längst über Details des kommenden Stan­dards 6G nach­ge­dacht und geforscht.

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