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Schwache Abozahlen: Gerät Netflix ins Straucheln?

Netflix-Anleger sind eigent­lich erfolgs­verwöhnt, aber beim jüngsten Quar­tals­bericht wähnen sie sich im falschen Film. Ausge­rechnet vor dem Groß­angriff neuer finanz­starker Konkur­renz flaut das Wachstum bedenk­lich ab. Nur ein Ausrut­scher oder steckt mehr dahinter?
Von dpa /

Streaming-Gigant Netflix verzeichnet schwache Abozahlen Streaming-Gigant Netflix verzeichnet schwache Abozahlen
picture alliance/Alexander Heinl/dpa
Für die Grusel­serie "Stranger Things" erhält Netflix derzeit viel Zuspruch, das kann vom jüngsten Quar­tals­bericht des Online-Video­dienstes nicht behauptet werden. Zumin­dest aus Sicht der Anleger ist das Zahlen­werk auch zum Fürchten, aber in diesem Fall ist das alles andere als positiv. Die schwache Entwick­lung ist zwar auch höheren Preisen geschuldet, kommt aber höchst unge­legen. Denn ausge­rechnet jetzt blasen das Holly­wood-Impe­rium und die Tech-Hoch­burg Silicon Valley zur Jagd auf den Strea­ming-Markt­führer.

Diese Zahlen schockten die Aktio­näre: In den drei Monaten bis Ende Juni gewann Netflix welt­weit unterm Strich ledig­lich 2,7 Millionen neue Bezah­labos hinzu, wie der Online-Video­dienst nach US-Börsen­schluss im kali­forni­schen Los Gatos mitteilte. In den USA büßte Netflix sogar 130 000 Kunden ein. Die erfolgs­verwöhnten Anleger sind sowas nicht gewöhnt - einen ähnli­chen Flop gab es zuletzt 2011, als das Unter­nehmen seinen DVD-Versand abge­spalten hatte.

Mögliche Gründe: Wenig Hits und stei­gende Preise

Streaming-Gigant Netflix verzeichnet schwache Abozahlen Streaming-Gigant Netflix verzeichnet schwache Abozahlen
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Mit den Nutzer­zahlen blieb Netflix weit unter den Erwar­tungen der Wall-Street-Experten und auch unter seiner eigenen Prognose von fünf Millionen neuen Nutzern. Insge­samt schaffte der Strea­ming-Riese zum Quar­tals­ende dank Zuge­winnen außer­halb des US-Heimat­markts immerhin noch einen Anstieg auf knapp 152 Millionen bezahlte Mitglied­schaften. Die Inves­toren reagierten jedoch nervös und ließen die Aktie im nach­börs­lichen US-Handel zeit­weise um 13 Prozent fallen.

Ganz über­raschend kam das schwache Wachstum nicht: Netflix lieferte im jüngsten Quartal relativ wenig Film- und Seri­enhits und erhöhte zudem in etli­chen Ländern - auch in Deutsch­land - die Preise. Die Erwar­tungen waren deshalb bereits gedämpft, mit einem so geringen Nutzer­zuwachs hatte dennoch keiner gerechnet. Das Unter­nehmen räumte eine beson­ders schlechte Entwick­lung in Regionen ein, in denen die Aboge­bühren im vergan­genen Quartal ange­hoben worden waren.

Was die Finanz­ergeb­nisse angeht, liefen die Geschäfte zuletzt indes noch rund: Der Umsatz legte im Jahres­vergleich um 26 Prozent auf 4,9 Milli­arden Dollar zu; der Gewinn über­traf mit 270,7 Millionen Dollar (241,2 Millionen Euro) die Vorher­sagen der Wall Street. Trösten konnte die Börsianer dies nicht. Aller­dings stieg die Aktie im Jahres­verlauf auch schon um 35 Prozent, so dass sich Gewinn­mitnahmen anbieten.

Der Härte­test steht Netflix erst noch bevor

Nachdem Enter­tain­ment-Giganten wie Walt Disney das rasante Wachstum des Senk­recht­star­ters jahre­lang relativ passiv verfolgten und dabei immer mehr Kabel­kunden ans Fern­sehen im Internet verloren, beginnt jetzt der Gegen­angriff. Nicht nur Disney, auch der zu AT&T gehö­rende Konkur­rent WarnerMedia mit seinem Bezahl­sender HBO ("Game of Thrones") und NBCUniversal haben Konkur­renz-Services in der Pipe­line.

Der Angriff trifft Netflix gleich doppelt, denn die Schwer­gewichte der etablierten Unter­haltungs­indus­trie verfügen nicht nur über viel Finanz­kraft, sondern auch über begehrte Inhalte. Und viele davon liefen bislang gegen Lizenz­gebühren bei Netflix. Doch weil Disney und Co. nun eigene Online-Dienste starten, wandern Marvel-Produk­tionen und andere Hits zu ihnen. So verliert Netflix mit "Friends" und "The Office" seine beiden erfolg­reichsten US-Shows an direkte Rivalen.

Schlecht aufge­stellt ist das Unter­nehmen trotzdem nicht. Netflix hat ein enormes Produk­tions­budget - alleine dieses Jahr dürfte rund 15 Milli­arden Dollar in exklu­sive Inhalte fließen - und verfügt über großes Marken­poten­zial, das längst nicht ausge­schöpft ist. Fanar­tikel, wie sie Disney etwa zu seinen Super­helden­filmen anbietet, hat Netflix für seine Erfolgs­produk­tionen bislang kaum am Start.

Und auch wenn HBO - vor allem dank der Abschluss­staffel von "Game of Thrones" - Netflix mit insge­samt 137 Nomi­nierungen bei der dies­jährigen Emmy-Preis­verlei­hung klar ausge­stochen hat, dürfte dies nur eine Moment­aufnahme sein. Im laufenden Quartal hat Netflix mit neuen Staf­feln von "Stranger Things" und "Orange Is the New Black" zwei Super­hits im Rennen, die viele neue Abokunden anlo­cken könnten.

Fokus auf die Zufrie­denheit der Zuschauer

Ange­sichts der jüngsten Entwick­lung verwun­dert es aber wenig, dass Netflix keine Pläne hat, die Einnahmen durch Werbung zu erhöhen. Dass das Kunden erst richtig abschre­cken könnte, ist dem Unter­nehmen bewusst. "Wir glauben, dass wir lang­fristig ein wert­volleres Geschäft betreiben, indem wir uns aus dem Wett­bewerb um Werbe­einnahmen heraus­halten und statt­dessen voll und ganz um die Zufrie­denheit der Zuschauer konkur­rieren", heißt es im Brief an die Aktio­näre.

Fest steht: Im Strea­ming-Markt wird die Luft bald dünner. Denn nicht nur die Enter­tain­ment-Riesen aus Holly­wood wollen die Jagd auf Netflix eröffnen. Auch Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley wie der iPhone-Gigant Apple wollen in dem boomenden Geschäft mitmi­schen. Hinzu kommen bereits vorhan­dene Kontra­henten wie Amazon und Hulu, die eben­falls keine Anzei­chen von Wett­bewerbs­müdig­keit zeigen.

Netflix empfiehlt offi­ziell Smart-TVs. Welche das sind, lesen Sie in einer weiteren Meldung.

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