Vodafone-Chef plädiert für 5G-Bündnis zum Netzausbau
Noch ist für 5G wenig bis gar nichts aufgebaut. Da wird schon die Forderung nach einer "Reparatur" laut. Diese Forderung stellt Hannes Ametsreiter, CEO des ältesten "privaten" Mobilfunkanbieters in Deutschland (als Mannesmann D2-Privat gestartet, heute Vodafone). Und er wird deutlich: "Ich bin unglücklich mit der Entwicklung, die diese Frequenz-Auktion genommen hat. Der Preis dafür ist hoch: Es war die längste Auktion aller Zeiten. Und es war nach der UMTS-Auktion, deren Folgen wir noch heute spüren, die teuerste. Die Milliardenbeträge, die in Lizenzen geflossen sind, fehlen für dringend notwendige Investitionen ins Mobilfunknetz."
Was ihn und seine Kollegen daran am meisten stört: Diese Entwicklung war vorhersehbar. Sie wäre vermeidbar gewesen, denn im Vorfeld der Auktion hatten alle Beteiligten davor gewarnt. Für Ametsreiter ist das Ergebnis eindeutig: "Riesige Schäden für Digital-Deutschland". Und dann appelliert er an Politik und Gesellschaft: "Lasst uns diese Auktionsschäden gemeinsam reparieren – bevor es zu spät ist."
Schadenssumme: 6,6 Milliarden
Die Schäden sind fast 6,6 Milliarden Euro schwer. Oder: Rund 50.000 neue Mobilfunk-Stationen wären damit möglich. Nur zum Vergleich: Vodafone betreibt rund 25.000 Mobilfunkstationen in Deutschland, was von Fachleuten als "viel zu wenig" eingeschätzt wird. Doch damit - so Ametsreiter - erreiche man jetzt schon "mehr als 99 Prozent aller Menschen in Deutschland", eine Zahl, die sich schlecht nachprüfen lässt, da man genau definieren müsste, wo Menschen sich aufhalten dürfen, um erreichbar zu sein - irgendwo außerhalb von attraktiven Ballungszentren oder tief in belebten Einkaufszentren wohl eher nicht.
Ametsreiter weiß, dass die letzten Prozentpunkte beim Netzausbau immer die schwierigsten sind. Er proklamiert sein Ziel: "Mobilfunk auch aufs Land zu bringen" und gesteht ein, dass es eine "große Herausforderung" sei.
Sein Fazit ist klar: "Mit dem Geld, was in Lizenzscheine geflossen ist, hätten wir diese Herausforderung problemlos meistern können." Wobei Kritiker sich die Frage stellen, ob dieses Geld wirklich in den Netzausbau oder vielleicht doch zur Schuldentilgung im jeweiligen Mutter- oder Schwesterkonzern oder für neue Investments in aufstrebenden Märkten verbraucht worden wäre.
Ametsreiter geht mit der Politik streng ins Gericht
Dr. Hannes Ametsreiter, CEO Vodafone Deutschland und Mitglied im Executive Committee der Vodafone Group, schlägt einen Mobilfunk-Ausbau-Fond aus den 6,6 Milliarden vor
Foto: Vodafone Deutschland
"Wir haben nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Deutschland war nicht bereit für eine ungeschönte Fehleranalyse." Und weiter: "Ärgern wir uns nicht alle noch immer viel zu oft, weil es in der Leitung knackt oder wir im Schneckentempo surfen? Uns fehlte der Mut uns von den Beispielen anderer Nationen leiten zu lassen. Viele unserer Nachbarn haben es besser gelöst als wir: Finnland hat die 5G-Lizenzen kostenlos vergeben. Die österreichischen Telekommunikationsunternehmen mussten deutlich weniger Geld aufbringen. Allein in Italien ist die Auktion sehr teuer geworden und hat den Staatshaushalt gefüllt. Deutschland aber hat kein Kostenproblem. Deutschland hat in erster Linie ein Infrastruktur-Problem."
Das ist wohl des Pudels Kern. Um Stationen in der Provinz anzubinden, braucht es Glasfaser. Dummerweise stehen Sender meist abseits von Wohnorten auf Hügeln oder Bergen, oft ziemlich unzugänglich. Um Glasfaser zu legen, muss man graben oder bohren. Das ist Tiefbau und der ist teuer. "Nun gehen die Milliarden aus der Aktion an den Bundesfinanzminister. Das ist schön für den Staat, aber schlecht für die Bürger", findet Ametsreiter und wer könnte ihm dabei widersprechen?
War die Auktion unfair?
Überhaupt sei die 5G-Auktion nicht "von fairen Regeln gerahmt" gewesen. "Auf der einen Seite stehen die, die seit Jahren in Deutschlands Infrastruktur investiert haben, während die Erlöse im Mobilfunkmarkt immer geringer wurden. Auf der anderen Seite die, deren Gewinn sich in den vergangenen Jahren vervielfacht hat, ohne auch nur ein einziges Funkloch zu schließen."
Das muss man erklären. Statistiker haben herausgefunden, dass die Netzbetreiber, die wirklich bauen, am Ende weniger Geld verdienen, als die Service-Provider, die nur Karten oder Verträge mit eigenen Tarifen verkaufen. Das führt (verständlicherweise) zu Frust. Die Netzbetreiber schaffen es offenbar nicht, auskömmliche Einnahmen aus den Service-Provider-Verträgen zu erzeugen.
Für Vodafone als "incumbent" (althergebrachter, bereits langer aktiver) Netzbetreiber tut es weh, dass dem vierten Bieter, der über kein eigenes Netz verfügt, "mit regulatorischen Privilegien" der Eintritt erleichtert wurde, konkret 1&1 muss zu Beginn nicht soviel ausbauen, wie die etablierten Spieler Telekom, Telefónica und Vodafone.
Interessante Frage am Rande: Wenn man als Service-Provider soviel Geld verdienen kann, warum will dann United-Internet-1&1-Drillisch ausgerechnet Netzbetreiber werden?
Dritter Grund: Die Industrienetze
Als dritten Grund für die "Katastrophe" sieht Ametsreiter mit seinen Kollegen die quasi kostenlose direkte Frequenzvergabe an die Industrie. Gerade dort hatten alle Netzbetreiber am ehesten noch Chancen gesehen, am Anfang mit 5G wirklich Geld zu verdienen. Die Industrievertreter sehen das anders: "Bis die Netzbetreiber aus dem Kreuz kommen und bei uns Netz ausbauen, machen wir das lieber selbst". Wie hart so etwas sein kann, musste Ametsreiter vor einiger Zeit spüren. So ist längst kein Geheimnis mehr, dass der Chemiekonzern BASF, in dessen Stammwerk Ludwigshafen am Rhein knapp 40.000 Personen (!) arbeiten, sein firmeninternes Mobilfunk-Netz von Vodafone zur Telekom überführt hat.
Das dürfte Gründe gehabt haben, worüber verständlicherweise keiner laut sprechen mag. Die BASF ist übrigens einer der heißesten Kandidaten für eine eigene Campus-Lizenz. Man werde die beantragen, sobald die Netzagentur das Verfahren dafür freigibt, hieß es auf Anfrage aus Ludwigshafen.
Gleichwohl braucht der Aufbau von Campus-Netzen einiges Know-How und da können die Mobilfunkanbieter vielleicht doch noch punkten, denn Telefonieren für die Öffentlichkeit (oder die Mitarbeiter mit ihren privaten Handys) dürfen die Firmen höchstwahrscheinlich nicht anbieten, das bleibt Aufgabe der drei oder vier Netzbetreiber.
Ametsreiter will die Auktionsschäden nicht akzeptieren
Die Wirtschaft habe den Anspruch "bei der digitalen Revolution vorne mitzumischen". Und weiter: "Unsere Bürger haben den Anspruch auch auf dem Land verlässlich zu telefonieren und schnell zu surfen." Sein Vorschlag: Ein 5G-Bündnis für den echten Mobilfunkausbau.
Das Geld, das für die Lizenzen ausgegeben wurde, soll rückwirkend für den echten Ausbau von Mobilfunk-Stationen investiert werden – durch eine entsprechende Förderung. Die Bundesregierung sollte die fast 6,6 Milliarden Euro, die sie dem Markt entzogen hat, in den Markt investieren – und damit die selbst gezogene Ausbau-Bremse wieder lockern. Es müsse ein Mobilfunk-Förderpaket geschnürt werden. Damit könnte die Funkloch-Debatte in Deutschland ein für alle Mal beendet werden. Ist die Sache wirklich so einfach?
Einfache Lösung - alle glücklich?
Dann könnte eigentlich niemand, dem "sein" Mobilfunknetz am Herzen liegt, dagegen sein? Doch: Die Glasfaserverbände (wie BREKO oder BUGLAS) und die privaten Wettbewerber (VATM) der Telekom. Die hatten sich schon auf einem warmen Förderunsregen gefreut, um den Netzausbau mit Glasfaser in der Provinz voran zu bringen. Nun ist der amtierende VATM-Präsident zugleich auch Auktionschef des neuen Netzbetreibers 1&1-Drillisch. Telefónica ist langjähriges Mitglied des Verbandes. VATM-Mitglied Vodafone ist nicht nur im Mobilfunk, sondern auch im Festnetz aktiv. Die Geschichte verspricht richtig spannend zu werden.
Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, sieht 2019 als Jahr der Entscheidungen. Mehr dazu lesen Sie in einer weiteren Meldung.