Netzausbau: Die Schweiz hat Angst vor 5G
Die Schweiz ist bei 5G in Europa führend. Lange vor der viel zu langen 5G-Versteigerung in Deutschland hatten die Eidgenossen schon ihre Frequenzen vergeben und mit dem 5G-Netzausbau begonnen. Doch nun stockt der Ausbau, weil zahlreiche Gemeinden keine 5G-Antennen genehmigen möchten, aus ungeklärter "Angst vor den Gesundheitsgefahren durch 5G".
Die Idee war, in der Schweiz seit Jahresanfang 2019 im ganzen Land 5G auszurollen. In groß angelegten Werbekampagnen wurde das landesweit angekündigt und genau das Gegenteil erreicht: Die Gegner formierten sich. Für den Bau einer Antenne braucht es eine "Bewilligung" und da klemmt es. Dem Anbieter Sunrise sollen die Hälfte der beantragten Antennen nicht genehmigt worden sein, die Swisscom nennt keine Zahlen, kennt aber das Problem zur Genüge.
Bürger sind verunsichert
Proteste in Bern mit Papiertüten auf dem Kopf, auf denen Mobiltelefone abgebildet sind, um während der Nationalratssitzung vor dem Ausbau des Mobilfunknetzes auf den 5G Standard zu warnen
Foto: Alessandro Della Valle/KEYSTONE/dpa
Bürger, die aufgrund fehlender Informationen oder mangels technischer Hintergründe um ihre Gesundheit fürchten, unterschrieben Petitionen und reichten Widersprüche ("Rekurse") gegen die Anträge auf Baugenehmigung ein.
Die örtlichen Lokalpolitiker sind ratlos. In einigen Kantonen (vergleichbar einem deutschen Landkreis oder einem Bundesland) wurden "Moratorien" erlassen oder solche Anträge möglichst unauffällig gestoppt ("sistiert"), in der Hoffnung, dass niemand nachfragen möge. Einige Orte erklärten sogar ganz offiziell: "Bis auf weiteres werden keine 5G-Baugesuche bewilligt". Punkt, aus.
Als Begründung für die 5G-Vollbremsung wurde das fehlende Gutachten der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung des Bundesamtes für Umwelt genannt. Nur: Das liegt schon vor und es bewegt sich trotzdem nichts. Der Grund ist simpel: Es fehlt der entscheidende Satz im Gutachten, wonach 5G völlig ungefährlich ist, um bauen zu können. Stattdessen werden weitere Forschungen und Studien vorgeschlagen - und die dauern.
Einige Gemeinden warten auf das nächste amtliche Papier: Das trägt den kantigen Namen "Vollzugshilfe zur Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung" Darin sollen sich messtechnische Grundlagen für die Vermessung der nachführenden MIMO-Antennen finden. Das Schweizer Bundesamt für Umwelt wollte damit eigentlich schon Ende 2019 fertig sein. Doch jetzt kam heraus, dass "weitere Abklärungen vorgenommen werden" müssten und das kann dauern. Überlegt wurde, für diese nachführenden Antennen einfach einen viel höheren Messwert anzunehmen, um damit die Anlagen nach altem Messverfahren genehmigen zu können. Unwohl ist es den Kritikern auch bei höheren Frequenzen weit oberhalb von 6 GHz, wie etwa 26 oder 60 GHz, die noch gar nicht vergeben wurden.
Mobilfunker sind sauer
Die Mobilfunknetzbetreiber wie Swisscom, Sunrise oder Salt sind entsprechend sauer und drängen darauf, dass der geplante Zeitrahmen eingehalten wird. Der Netzbetreiber Sunrise überlegt, die sperrigen Gemeinden seinerseits zu verklagen. Sunrise weist schon darauf hin, dass widerspenstige Kantone oder Gemeinde, mit einem technologischen Rückstand gegenüber anderen Regionen rechnen müssten.
Auf die Dauer dürfte der Feldzug der Regionen gegen 5G-Mobilfunk rechtlich nicht haltbar sein. Denn: Die entscheidende Kompetenz liegt bei der Schweizer Bundesregierung in Bern. Nur: Die Regionen haben Angst vor Protesten der verunsicherten Bevölkerung.
Eine Regierungskommission hatte Studien aus den vergangenen Jahren ausgewertet. Ergebnis: Gesundheitsgefahren sind bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Sie lassen sich aber auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen.
Die Mobilfunkanbieter möchten ihr Netz möglichst schnell ausbauen und schlagen reduzierte Strahlengrenzwerte vor. Dann würden mehr Antennen als bisher benötigt. Bleiben die aktuellen Grenzwerte der nicht-ionisierenden Strahlenschutz Verordnung (NISV), könnten etwa 26 000 zusätzliche Antennenstandorte notwendig werden, um die Schweiz flächendeckend zu versorgen. Das könnte den 5G-Ausbau um viele Milliarden verteuern und um "Jahrzehnte" verzögern.
Für Umweltministerin Simonetta Sommaruga ist die Entscheidung heikel, weil die Schweiz gespalten ist. Die Gegner blockieren mit Einsprüchen und wollen eine Volksabstimmung.