Mehr Ausbau

Thüringen verlangt: Bund soll Funklöcher schließen

In Thüringen wird in Kürze ein neuer Landtag gewählt. Der Netz­ausbau von Fest­netz und Mobil­funk kommt nur zäh voran. Die Landes­regie­rung fordert eine staat­liche Ausbau­gesell­schaft.
Von mit Material von dpa

Soll eine staatliche Mobilinfrastrukturgesellschaft selbst Sender aufbauen und betreiben dürfen? Ginge es dann schneller? (Das Bild zeigt einen Telekom-Mast in Kyritz) Soll eine staatliche Mobilinfrastrukturgesellschaft selbst Sender aufbauen und betreiben dürfen? Ginge es dann schneller? (Das Bild zeigt einen Telekom-Mast in Kyritz)
Foto: Telekom Deutschland
Das Bundes­land Thüringen verlangt "die schnelle Grün­dung einer staat­lichen Mobil­funk-Infra­struk­turge­sell­schaft des Bundes". Obwohl sich die große Koali­tion bereits im Juni 2019 auf ein solches Projekt verstän­digt habe, sei bisher nichts passiert, erklärte Wirt­schafts­staats­sekre­tärin Valen­tina Kerst am Sonntag in Erfurt. "Gerade in länd­lichen Regionen stößt der privat­wirt­schaft­liche Mobil­funk­ausbau an seine Grenzen", begrün­dete sie den Zeit­druck.

Um Funk­löcher zu schließen, müsste die Mobil­funk­gesell­schaft vor allem in unter­versorgten Regionen Funk­masten errichten, anschließen und betreiben. "Wir brau­chen Klar­heit darüber, ob und wann die Gesell­schaft kommt, damit es beim 4G- und später auch beim 5G-Ausbau endlich voran­geht", sagte Kerst nach Angaben des Minis­teriums dazu.

Mehr staat­liche Koor­dina­tion gefragt

Ihrer Meinung nach sei nicht nur beim Mobil­funk, sondern auch beim Ausbau des schnellen Inter­nets mehr staat­liche Koor­dina­tion gefragt. Das bishe­rige System fördere bei Ausbau-Projekten die Rosi­nenpi­ckerei durch private Tele­kommu­nika­tions­unter­nehmen und sorge für zusätz­lichen Verwal­tungs­aufwand der Kommunen. Thüringen plane deshalb den Aufbau einer eigenen staat­lichen Glas­faser­gesell­schaft.

Die Argu­mente sind nach­voll­ziehbar: Nach Zahlen des Wirt­schafts­minis­teriums sind derzeit noch rund 84.000 Haus­halte im Frei­staat ohne Breit­band­versor­gung mit einer Geschwin­digkeit von mindes­tens 30 MBit pro Sekunde. Ihre Zahl habe sich seit 2017 zwar mehr als halbiert, ihr Anteil an allen Haus­halten liege jedoch noch bei acht Prozent.

Die Forde­rungen aus Erfurt kommen nicht uner­wartet: Dort stehen wich­tige Land­tags­wahlen bevor und viele Wähler fühlen sich "abge­hängt" oder "vernach­lässigt". Wenn eine staat­liche Infra­struktur-Gesell­schaft selbst Leitungen verlegen und betreiben, selbst Sende­masten für Mobil­funk samt Sender­technik aufbauen und betreiben wollte, gäbe es gewal­tige regu­lato­rische Hürden. Die staat­liche Gesell­schaft bräuchte dann "eigene" Sende­frequenzen, die man den exis­tierenden Mobil­funk­anbie­tern "wegnehmen" müsste, die dafür sehr viel Geld bezahlt haben.

Maximal möglich wäre, der Aufbau von Masten und das Bereit­stellen von Leer­rohren für bessere Netze und deren Betreiber. Nicht nur die Mobil­funk­netz­betreiber lehnen eine staat­liche Netz­gesell­schaft ab, auch die Konkur­renten der Telekom, die sich beispiels­weise im BREKO zusam­menge­schlossen haben, sehen diese Forde­rungen mit aller­größter Skepsis: Ihre Angst: Am Ende könnte die staat­liche Gesell­schaft am ehesten mit der Deut­schen Telekom zusam­menar­beiten und die klei­neren Firmen hätten das Nach­sehen.

Eine Einschät­zung

Soll eine staatliche Mobilinfrastrukturgesellschaft selbst Sender aufbauen und betreiben dürfen? Ginge es dann schneller? (Das Bild zeigt einen Telekom-Mast in Kyritz) Soll eine staatliche Mobilinfrastrukturgesellschaft selbst Sender aufbauen und betreiben dürfen? Ginge es dann schneller? (Das Bild zeigt einen Telekom-Mast in Kyritz)
Foto: Telekom Deutschland
Der Netz­ausbau in den schlecht erschlos­senen Regionen ist drin­gend notwendig und es muss schneller gehen. Derzeit verzö­gern büro­krati­sche Vorschriften und kompli­zierte Geneh­migungen die Projekte. Es sollte möglich sein, eine Muster­geneh­migung für Mobil­funk­sender zu erteilen, die dann auto­matisch für bauähn­liche Stationen gilt. Damit könnte sofort gebaut und einge­schaltet werden. Im Nach­hinein könnte sich die Bundes­netz­agentur diese Stationen anschauen und bei Bedarf nach­regeln.

Ein Ausschreiben von nicht versorgten Flächen hätte schon viel früher statt­finden müssen. Die staat­liche Infra­struk­turge­sell­schaft, wenn sie denn jemals kommt, könnte zum Beispiel Stand­orte bereit­stellen, welche die Netz­betreiber sofort ohne weiteren Papier­krieg nutzen könnten.

Neu denken

Es sollte regu­lato­risch neu gedacht werden: Warum ist es nicht möglich, dass eine fertige Sende­station nicht nur einen Netz­code (z.B. 262-01 = Telekom) ausstrahlt, sondern gleich zwei oder drei? (also zusätz­lich noch Telefónica 262-03 und/oder Voda­fone 262-02) Das hätte den Charme, dass der Kunde sofort "Netz" hätte und nichts an seinem Handy schrauben bräuchte. Die anderen Netze müssten sich an den Bau- und Betriebs­kosten des Senders betei­ligen und eine Nutzungs­pauschale entrichten, was sicher­lich erheb­lichen Diskus­sions­bedarf auslösen dürfte.

Oder es gäbe die viel disku­tierte "Lokale Roaming" Option gegen spür­baren monat­lichen Aufpreis, wodurch der Kunde eines "schlech­teren" Anbie­ters, die freie Wahl bekommt, in schlecht versorgten Gegenden ein "besseres" Netz zu nutzen (wenn er das will) oder mittel­fristig den Anbieter komplett wech­selt. Das wiederum könnte die "schlech­teren" Anbieter moti­vieren, mehr auszu­bauen, weil sie keine Kunden verlieren wollen.

Übri­gens: Wie viele neue Sender noch recht­zeitig bis zur Land­tags­wahl in Thüringen in Betrieb gehen (könnten), ist nicht bekannt.

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