Themenspezial: Verbraucher & Service Waterloo

Senftenberg: o2 kann Kunden aktuell nicht versorgen

Nicht nur Wohnungs­besitzer haben Stress mit Vermie­tern. Auch Mobil­funk­betreiber können betroffen sein. In Senf­tenberg hat es einen Richt­funk­verteiler von o2 getroffen.
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Senftenberg am Güterbahnhof. Wo nur noch etwas Sand liegt, stand bis etwa April 2019 ein Gittermast von o2 mit Sender und Richtfunkverteiler. Im Hintergrund sendet die Konkurrenz. Senftenberg am Güterbahnhof. Wo nur noch etwas Sand liegt, stand bis etwa April 2019 ein Gittermast von o2 mit Sender und Richtfunkverteiler. Im Hintergrund sendet die Konkurrenz.
Foto: teltarif.de
Die belgi­sche Stadt Waterloo kennen wir aus dem Geschichts­unter­richt, dort verlor Kaiser Napo­leon seine entschei­dende Schlacht. Die Stadt Senf­tenberg liegt im südli­chen Bran­denburg, im Land­kreis Ober­spree­wald-Lausitz. Sie hat 25 000 Einwohner und ist Standort der Bran­denbur­gischen Tech­nischen Univer­sität (BTU) Cottbus-Senf­tenberg, hat also einige Tausend Studenten. Millionen wurden in das Medien- und Rechen­zentrum „Konrad Zuse“ gesteckt, dennoch blieben viele Studi­enplätze unbe­setzt. Es wird versucht, Tourismus in die Region zu bekommen, die als "struk­turschwach mit nied­rigen Zukunfts­aussichten“ gilt. Seit 1989, sagt die Statistik, seien aus dem Kreis etwa ein Drittel der bishe­rigen Einwohner abge­wandert.

Funk­loch Senf­tenberg?

Senftenberg am Güterbahnhof. Wo nur noch etwas Sand liegt, stand bis etwa April 2019 ein Gittermast von o2 mit Sender und Richtfunkverteiler. Im Hintergrund sendet die Konkurrenz. Senftenberg am Güterbahnhof. Wo nur noch etwas Sand liegt, stand bis etwa April 2019 ein Gittermast von o2 mit Sender und Richtfunkverteiler. Im Hintergrund sendet die Konkurrenz.
Foto: teltarif.de
Etwa seit April dieses Jahres hat Senf­tenberg ein neues Problem, was den Mobil­funk betrifft: Konkret trifft es den Netz­betreiber Telefónica o2. Unweit des Güter­bahn­hofs stand in der Sprem­berger Str. 31 ein an "real exis­tierende Zeiten" erin­nernder über 50 Meter hoher Gitter­mast, auf dem sich nicht nur eine o2-Sende­station befand, sondern auch über Richt­funk alle anderen o2-Stationen der Umge­bung ange­steuert und mit Signal versorgt wurden. Über seine Sende-Stand­orte lieferte o2 bislang nur 2G (GSM) und 3G in den Ort. 4G (LTE) kommt nur am Stadt­rand aus Sachsen herüber. Für eine Univer­sitäts­stadt in einer wirt­schaft­lich schwie­rigen Region, wo viele Mobil­funk­kunden Wert auf möglichst güns­tige Tarife legen, eine ungüns­tige Situa­tion.

Problem seit April

Ab etwa Mitte April tauchten Meldungen auf, dass der o2-Empfang in Senf­tenberg „gestört“ ist, etwa im o2-Forum. Die örtliche Presse Lausitzer Rund­schau berich­tete am 29./30. April.

Kunden bestä­tigen die Störung: „Die Stadt ist - bis auf ganz schwa­chen 2G-(GSM) Outdoor-Empfang - komplett offline“. teltarif.de hat bei Telefónica o2 nach­gefragt: "Wir mussten tatsäch­lich einen Standort mitten in Senf­tenberg außer Betrieb nehmen, der uns vom Eigen­tümer gekün­digt wurde. Leider ist es nicht gelungen, den Ersatz­standort recht­zeitig fertig­zustellen. Es gab Verzö­gerungen bei der Ausfüh­rung. Zugleich werden an einigen anderen Stationen in der Umge­bung Moder­nisie­rungs- und Umbau­arbeiten vorge­nommen. Hier kommen also unglück­licher­weise mehrere Faktoren zusammen, das bedauern wir sehr. Aber wir arbeiten daran, die Beein­träch­tigungen für unsere Kunden so schnell wie möglich zu besei­tigen."

Besuch vor Ort

Die Mitarbeiter im o2-Shop in Senftenberg dürften von ihren Kunden derzeit einiges zu hören bekommen. Die Mitarbeiter im o2-Shop in Senftenberg dürften von ihren Kunden derzeit einiges zu hören bekommen.
Foto: teltarif.de
Ein teltarif.de-Leser war in Senf­tenberg vor Ort und berichtet: "Man fällt nicht komplett aus dem o2-Netz, sondern hat fast im gesamten Stadt­gebiet noch sehr schwa­ches GSM 900 (2G). Ich habe durch­wegs outdoor und im Auto Feld­stärken von unter -100 dBm gemessen, was bedeutet, dass man indoor meis­tens ohne Netz ist. Das ist mir beispiels­weise im Restau­rant oder im Super­markt passiert. Daten fließen da keine mehr, aber Gespräche sind outdoor noch führbar und SMS kommen auch an, wenn sich beide Gesprächs­partner outdoor befinden. In unserer heutigen mobilen Daten­welt ein Unding."

Standort gekün­digt

Wie der Leser vor Ort heraus­fand, war auf dem ehema­ligen Standort in der Sprem­berger Str. 31 nicht nur o2, sondern früher einmal auch E-Plus gewesen. Das Grund­stück ist ein stadt­nahes Indus­trie­gelände mit viel Brache, hat keine direkten Anwohner und wird von einer LKW-Repa­ratur­werk­statt verwendet, als Abstell­platz für Busse und LKW, sowie für eine Tank­stelle. Somit dürfte der Mast eigent­lich keinen "gestört" haben.

Warum der Miet­vertrag gekün­digt wurde? Das wollte niemand verraten, wir sind also auf Speku­lationen ange­wiesen. Entweder hatte der Grund­stücks­besitzer mit dem Gelände eigene Pläne oder man konnte sich über die Miete nicht einigen. o2 schal­tete zum Vertrags­ende die Anlage aus und baute die komplette Technik samt Mast restlos ab, auch das Gelände musste einge­ebnet werden.

Neuer Standort?

Eine von mehreren o2-Sendestationen in Senftenberg, die derzeit kein Steuersignal bekommt und somit die o2-Kunden nicht versorgen kann. Eine von mehreren o2-Sendestationen in Senftenberg, die derzeit kein Steuersignal bekommt und somit die o2-Kunden nicht versorgen kann.
Foto: teltarif.de
Seitdem ist Senf­tenberg für o2-Mobil­funk-Kunden "quasi tot", berichten Besu­cher. o2 räumt dieses Problem ein, belässt aber die vage Hoff­nung, dass man das Problem "bald" lösen wolle. Und nun wird es schwierig.

Kenner der Mobil­funk-Branche berichten, dass eine Stand­ortsuche heute ein anstren­gendes Geschäft sei. Für einen mögli­chen Ersatz­standort könnten die bautech­nischen und funk­recht­lichen Geneh­migungen locker 1-2 Jahre dauern.

Um die rest­lichen o2-Sende­anlagen in Senf­tenberg, die im Prinzip voll funk­tions­fähig wären, wieder mit Signal zu versorgen, müsste entweder neuer Richt­funk von einem anderen Standort kommen oder es würden direkte Glas­faser­leitungen zu den diesen Stand­orten benö­tigt. Bei einer Ansteue­rung über Kupfer würden die Kapa­zitäten vermut­lich nicht reichen. Auch da sieht es düster aus: Von Bestel­lung bis zur Bereit­stel­lung einer (gemie­teten) Glas­faser­leitung wurde uns befragten Experten Termine "bis zu 9 Monate" genannt.

Was insge­samt bedeuten könnte, dass in Senf­tenberg auf abseh­bare Zeit kein nutz­bares o2-Netz zu erwarten ist.

Komplexe Verträge

Wie wir erfahren konnten, gelten für Mobil­stand­ortver­träge übli­cher­weise 5 Jahre Lauf­zeit mit einer Kündi­gungs­frist von 6 Monaten vor Ablauf. Somit hätte o2 früh­zeitig wissen müssen, dass ein Problem auf sie zukommt und viel­leicht aktiv an die Öffent­lich­keit gehen können, um den Vermieter hier unter öffent­lichen Druck zu setzen.

Der Kommentar: Geschichte wieder­holt sich

In der lang­jährigen Geschichte von VIAG-Interkom (dem Vorgänger von o2) und später bei o2 wieder­holen sich die Muster. Als vor fast 20 Jahren das Swisscom-Roaming "über Nacht" abge­schaltet wurde (VIAG-Interkom Kunden konnten sich bis dahin mit einer auf der SIM-Karte vorhan­denen Schweizer-Kennung in alle deut­schen Netze einwählen), standen viele Kunden plötz­lich ohne Netz da und wurden vertröstet. Erst nach massiven Protesten oder gar auf dem Rechtsweg durften betrof­fene Kunden "auf Kulanz" vorzeitig kündigen.

Als einige Jahre später das soge­nannte "D1-Roaming" (o2 Kunden durften das Telekom-Netz mitbe­nutzen) abge­stellt wurde, bevor o2 vor Ort eine eigene Netz­versor­gung präsen­tieren konnte, wieder­holte sich das gleiche Spiel. Kunden waren "über Nacht" ohne Netz. Außer­ordent­liche vorzei­tige Kündi­gungen waren zunächst schier unmög­lich. Erst Zeitungs­berichte, TV-Sendungen und viel schlechte Stim­mung, die dem Unter­nehmen bestimmt nicht genutzt hat, zwangen in Einzel­fällen zum Umdenken.

Jetzt haben wir Senf­tenberg: Die "Netz­störung" wird einge­räumt und um Geduld gebeten. Muss ein Kunde 1-2 Jahre Geduld haben? Dass Kunden dabei unge­duldig werden und sich "verschau­kelt" vorkommen, ist keine gute Lösung.

Der Vorstoß der Minis­terin

Verbrau­cher­minis­terin Katha­rina Barley hat neulich kürzere Mindest­vertrags­lauf­zeiten für Mobil­funk­kunden gefor­dert. Die Branche war elek­trisiert. Eigent­lich müsste die Rechts­lage noch weiter ange­passt werden, dass bei Wegfall der Netz­versor­gung (z.B. durch Abbau einer Station oder durch Umzug des Kunden) eine sofor­tige Kündi­gung möglich ist, auch und gerade im Mobil­funk.

Hat der Kunde bei Vertrags­abschluss ein "güns­tiges Handy" bekommen, muss er das natür­lich weiter bezahlen, denn das kann er ja auch mit einer anderen Karte eines anderen Netzes verwenden.

Die zu ändernde Geset­zeslage müsste aber auch Vermieter von Sende­stand­orten viel stärker in die Pflicht nehmen, da auf ihren Grund­stücken für die Bevöl­kerung wich­tige Infra­struktur vorge­halten wird, weswegen eigent­lich die Eigen­tums­verpflich­tung (siehe Grund­gesetz) greifen müsste. Das würde bedeuten, dass ein Vermieter nicht mehr nach Lust und Laune über sein Eigentum verfügen kann, wenn er dadurch die Gemein­schaft "schä­digt". Das hätte natür­lich auch die unan­genehme Folge, dass ein poten­zieller Vermieter künftig gar nicht mehr vermieten möchte, weil er "Angst" hat, eine einmal geneh­migte Station "nie mehr loswerden" zu können. Juris­tisch heikles Terrain, was den betrof­fenen Kunden aktuell natür­lich nicht weiter­hilft.

Wie es richtig geht

Wie es richtig geht, beweist der Umbau des Rathauses beispiels­weise im baden-würt­tember­gischen Epfen­bach. Auf dessen Dach stand eine Telekom-Sende­anlage. Die Gemeinde wollte ihr Rathaus neu bauen. Die Telekom stellte einen mobilen Ersatz­mast ("Deut­sche Bundes­post Notfall­technik") neben die Baustelle, das Rathaus konnte in aller Ruhe abge­rissen und neu aufge­baut werden, was am Ende 29 Monate dauerte (12 Monate waren geplant). Einen Netz­ausfall gab es dabei nicht, weil alle recht­zeitig Bescheid wussten und gut vorbe­reitet waren.

In anderen Ländern (z.B. in Öster­reich) stehen öffent­liche Gebäude "auto­matisch" als Sende­stand­orte zur Verfü­gung, solche Ansätze gibt es durch bila­terale Verträge etwa in Dresden zwischen Telekom/DFMG und der Stadt. Die Mitbe­werber (Voda­fone oder o2) könnten diese Stand­orte auch nutzen, vermut­lich zu hohen (abschre­ckenden) Kosten.

Was können betrof­fene Kunden tun?

Wenn das Netz gestört ist, den Mangel "kein Netz" schrift­lich, am besten per Einschreiben (Einwurf) rekla­mieren und eine Besei­tigung des Mangels fordern. Dabei sollte eine Frist (z.B. 4 Wochen) gesetzt werden und bei Nicht­einhal­tung dieser Frist eine frist­lose Kündi­gung ange­kündigt werden. Ist die Frist verstri­chen, die Kündi­gung noch­mals schrift­lich per Einschreiben senden und den Anschluss sofort außer Betrieb nehmen, d.h. die Karte aus dem Gerät nehmen und auf der Mailbox eine entspre­chende Ansage aufspre­chen. Ansonsten wäre die Kündi­gung unglaub­würdig.

Wem die bishe­rige Rufnummer wichtig ist (z.B. beruf­lich), kann eine "vorzei­tige Portie­rung" anstoßen. Dazu wird die Hotline (hier o2) kontak­tiert, die die Frei­gabe per SMS bestä­tigt.

Nach dieser Bestä­tigung wird der neue Vertrag oder die Prepaid-Karte beim neuen Anbieter geschaltet, der sich die "alte" Nummer dann abholt, was binnen 4 Wochen passiert sein muss. Der bishe­rige Vertrag bekommt eine neue Rufnummer. Für die Portie­rung kann der abge­bende Anbieter eine Gebühr (bis maximal 30 Euro) verlangen.

Wichtig: Der Original-Vertrag läuft dabei unver­ändert und unge­kündigt weiter. Die Kosten (der Tarif) des ursprüng­lichen Vertrages ändern sich nicht. Sollte das eigene Netz später wieder kommen, könnte über eine erneute "vorzei­tige Rufnum­mern­portie­rung" die Nummer wieder "zurück­geholt" werden. Viel­leicht lassen sich diese Kosten auf Kulanz vermeiden, recht­lich verpflichtet sind die Anbieter dazu leider nicht.

Wer nicht kündigen will, weil er nicht nur in einem betrof­fenen Ort, sondern auch außer­halb unter­wegs ist, kann dort seinen Vertrag wie gewohnt weiter nutzen. Für den unver­sorgten Bereich daheim sollten Betrof­fene sich sofort eine Prepaid-Karte eines anderen Netz­betrei­bers (hier Telekom oder Voda­fone) besorgen.

Wo keine Portie­rung beab­sich­tigt ist, die eigenen Kontakte (Freunde, Familie, Beruf) über die Reserve-Rufnummer infor­mieren. Eine Umlei­tung von o2 zur "neuen Nummer" kann teuer sein (29 Cent pro Minute), deswegen ist eine Ansage auf der Mailbox zu empfehlen, welche auch die Ersatz­rufnummer nennt. Hilf­reich ist hier ein Dual-SIM-Telefon, wo zwei SIM-Karten zugleich auf Empfang sein können.

Wer einen Messenger-Dienst wie WhatsApp verwendet, kann die bishe­rige Rufnummer für WhatsApp behalten, die Daten fließen dann über das Netz der Konkur­renz. Bleibt ein kleiner Trost: Zum Glück decken Telekom und Voda­fone das Stadt­gebiet von Senf­tenberg ziem­lich lückenlos mit 2G/3G/4G ab.

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