NRW-Medienpolitik

DAB+ nur noch für bundesweite Privatsender

Die Medienpolitik in Nordrhein-Westfalen will auf eine Ausschreibung von regionalen Kapazitäten für das Digitalradio DAB+ verzichten, da man die Zukunft des Radios eindeutig im Internet sieht. Ein Leipziger Millionär hält dagegen: Er plant einen zweiten bundesweiten Multiplex.
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Stimmung gegen das digital-terrestrische Radio DAB+ gibt es seit dem Neustart im Jahr 2011. Jetzt haben Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) und Marc Jan Eumann, Staatssekretär für Europa und Medien in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, in die Debatte um die Notwendigkeit einer Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks wieder Öl ins Feuer gegossen und indirekt in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) dazu aufgefordert DAB+ auf regionaler Ebene nicht weiter zu forcieren. Hintergrund dürfte sein, dass die UKW-Lokalradios im Land eine Ausstrahlung auf DAB+ kategorisch ablehnen. "Wir glauben: Die Vielfalt des Hörfunks, die wir in der UKW-Welt von lokal bis national in Deutschland haben und erhalten wollen, ist mit DAB+ nicht zu sichern", so die beiden. Dazu habe das Internet "zu viel an Inhalten zu bieten, die dem Radio Konkurrenz machen", und dazu gebe es - zumindest für das werbefinanzierte Radio auf regionaler und lokaler Ebene - "keine erfolgversprechenden Geschäftsmodelle".

Medienpolitiker werten 16 Reaktionen auf Call-of-Interest als "enttäuschendes Ergebnis"

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Anders sei auch das "enttäuschende Ergebnis eines 'Call for interest' in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten und für mögliche neue Privatradios attraktiven Bundesland, nicht zu interpretieren" (Anmerkung: Laut unseren Recherchen gab es immerhin 16 Reaktionen unter anderem von Interessenten für lokale, regionale und landesweiten Radioprogrammen in NRW). Eine Einführung von DAB+ auf allen Ebenen - vor allem regional und lokal - sei deshalb aus ihrer Sicht "wenig sinnvoll".

DAB+ sei zwar digital, aber das Internet könne viel mehr. Zuhause, im stationären Bereich, existierten für eine intensive Internetnutzung längst die erforderlichen Bandbreiten. Im mobilen Bereich sei das bis auf weiteres zwar nicht der Fall, aber mittelfristig absehbar. "Schon heute können wir Radioinhalte abonnieren und automatisch herunterladen, solange wir Zugriff auf ein WLAN haben, und dann mobil und unabhängig unterwegs anhören - per Smartphone, per Tablet, zu Fuß, im Auto, im Zug, sogar im Flugzeug. Die Angebote werden zunehmen, insbesondere von privaten Anbietern, denn für solche Angebote gibt es Geschäftsmodelle der Refinanzierung über individualisierte Werbung". Man bezweifelt, dass das digitale Antennenradio damit konkurrieren kann. "Heute ist gerade einmal in zehn Prozent der Haushalte mindestens ein DAB+-Empfänger vorhanden", so Eumann und Brautmeier.

Auch auf europäischer Ebene sehen die beiden keinerlei Entwicklungspotential. Schweden habe sich Anfang Februar gegen DAB+ entschieden und folge Finnland. Ihrer Meinung nach habe kein europäisches Land den "Nachweis erbracht, dass die digitale Terrestrik in dem Maße angenommen wird, dass eine Abschaltung von UKW in den nächsten fünf bis zehn Jahren realistisch" sei. "Nicht nur bei uns, auch in den anderen Ländern Europas gilt, dass das Internetradio den Wettbewerb der Systeme grundlegend verändert". Auf Erfolge des Digitalradios in Ländern wie der Schweiz oder in Norwegen, wo UKW sukzessive schon ab dem kommenden Jahr abgeschaltet werden soll, gehen sie nicht ein.

DAB+ hat nur in bundesweiten Programmen eine Chance

Lediglich auf bundesweiter Ebene sehen die Medienpolitiker einen kleinen Bonus für DAB+. "Mit dem Deutschlandradio verfügen wir über einen öffentlich-rechtlichen Sender, der schon heute konsequent auf DAB+ setzt und der schon heute - von der Flächenabdeckung her - von mehr Menschen über DAB+ empfangen werden kann als über UKW". Auf dem nationalen DAB+-Multiplex gebe es bereits einige Angebote des privaten Rundfunks, und es sei "durchaus denkbar, dass ein zweiter bundesweiter DAB+-Multiplex eingerichtet wird, wenn es dafür Bedarf gibt". Landesrundfunkanstalten könnten langfristig von DAB+ auf nationaler Ebene profitieren, wenn sie Programme, die überwiegend national ausgerichtet sind, beispielsweise in Kooperation mit dem Deutschlandradio anbieten, statt auf UKW-Wellen auf Landesebene. Und: "Es gibt das berechtigte Argument, dass wir uns in Krisensituationen keineswegs nur auf das Internet als Kommunikationskanal verlassen sollten. Neben UKW kann dafür DAB+ auf nationaler Ebene eine sinnvolle Option sein".

Leipziger Immobilienkönig plant zweiten Bundesmux

Bei der Bewerbung für einen zweiten nationalen DAB+-Multiplex unterdessen steht nun auch fest, wer dahinter steht. Es ist der Leipziger Immobilienkönig, Multi-Millionär und frühere Rennfahrer Steffen Göpel, der einen Teil seines Vermögens ins digitale Radio investieren will. "Der Antrag auf Ausschreibung eines zweiten nationalen DAB+-Multiplex stellt für mich ein langfristig angelegtes Projekt dar, auf welches ich mich freue", sagt der Geschäftsmann gegenüber dem Branchendienst "Meedia". Der Markt stecke "voller Möglichkeiten". Der Geschäftsmann wolle nicht ausschließen, dass er auch selber Radiostationen für seinen bundesweiten Mux gründet, doch auch Drittanbieter hätten wohl eine Chance.

Um das Vorhaben abzuwickeln, hat Göpel die Digital Audio DAB+ GmbH gegründet. Als Geschäftsführer fungiert Florian Schuck, der zuvor für die lokale Radiogruppe Radio Group tätig war und als Geschäftsführer mehrerer Stationen wie Radio Saarbrücken oder Radio Potsdam arbeitete. Zudem sollen weitere namhafte Größen aus der Radiobranche an dem Vorhaben mitmischen.

Mehrere Bewerber auf ausgeschriebene Kapazitäten im ersten Bundesmux

Das Interesse an bundesweiten Kapazitäten für das Digitalradio DAB+ wird in jedem Fall immer größer. Wie Stefanie Reger, Pressesprecherin der gemeinsamen Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten, gegenüber teltarif.de erklärte, habe es eine rege Beteiligung auf ausgeschriebene Kapazitäten im ersten Bundesmux gegeben. Es sei "einiges an Anträgen eingegangen". Die Medienanstalten wollen nun die Ergebnisse auswerten und voraussichtlich am kommenden Montag die Namen der Bewerber kommunizieren.

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