UKW-Aus: Kommt der "No-Deal-Brexit der Radioversorgung"?
UKW-Radios bald wertlos? Oder doch nur wieder die Sau, die immer mal wieder durchs Land getrieben wird?
Foto: Denver
Für neue Irritationen im Radiolager dürfte ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z)
sorgen: Demzufolge werde eine Abschaltung des analogen terrestrischen UKW-Radios bis 2025 angestrebt.
Bund und Länder hätten sich auf dieses Datum verständigt, heißt es.
Fakt ist: Die Bundesregierung strebt bereits seit langem einen UKW-Ausstieg an. Radio ist bisher die letzte analoge Insel in einer vollständig digitalisierten Medienwelt.
Die Verkündung eines UKW-Ausstiegsdatums während der laufenden Legislaturperiode stand auch ursprünglich im Entwurf des Koalitionsvertrages. Nur wenige Minuten, nachdem das Papier am späten Abend publik wurde, gab es jedoch wütende Proteste aus dem Privatradioverband Vaunet (früher: VPRT). "Ich wusste gar nicht, dass der Vaunet auch nachts arbeitet", sagte die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, grinsend auf einer Veranstaltung in Berlin. Letztlich wurde die Passage wieder aus der Koalitions-Vereinbarung gestrichen.
Mehr als 50 Prozent hören DAB+ und Internetradio
UKW-Radios bald wertlos? Oder doch nur wieder die Sau, die immer mal wieder durchs Land getrieben wird?
Foto: Denver
Laut Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten verzeichnen sowohl das terrestrische
Digitalradio DAB+ als auch Internetradio über starke Zuwächse.
Mehr als die Hälfte der Deutschen nutzt bereits diese beiden digitalen Verbreitungswege. In
Norwegen führte diese magische Grenze zur Einleitung einer fünfjährigen Migrationsphase,
die Ende 2017 in der UKW-Abschaltung mündete. Die Schweiz will spätestens 2024 aus dem
UKW-Hörfunk aussteigen.
Die Situation ist jedoch mit Deutschland nicht vergleichbar: Sowohl in der Schweiz als auch in Norwegen einigten sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch Privatsender zum Umstieg auf das terrestrische Digitalradio DAB+. In Deutschland gelten vor allem die großen Privatradios mit guter UKW-Frequenzausstattung als Bremse: Sie wollen den Umstieg auf DAB+ nicht und wenn, dann wollen sie ihn nahezu komplett bezahlt haben und trotzdem den Ausstieg aus UKW erst drei Jahre, nachdem die Nutzung auf unter 10 Prozent gefallen ist. Das besagt der so genannte "Vier-Punkte-Plan" des Vaunet zur digitalen Migration, der auf der IFA von führenden Medienvertretern als "polemisches Pamphlet" und "Gesprächsaus- statt einladung" bezeichnet wurde.
Druck auf Privatradioverand Vaunet
Das jetzt ins Spiel gebrachte UKW-Ausstiegsdatum 2025 gleicht vor diesem Hintergrund eher einem "No-Deal-Brexit der Radioversorgung". Er wäre auch vor dem Hintergrund unrealistisch und möglicherweise sogar unzulässig, weil Medienanstalten schon UKW-Lizenzen bis 2030 und darüber hinaus vergeben haben. Zudem wäre die Zeit für ein Umstiegsszenario viel zu knapp bemessen. Denn anders als beim Fernsehen, wo der Digital-Umstieg in einem ähnlich engen Zeitrahmen funktioniert hat, müssten wesentlich mehr Radiogeräte ausgetauscht werden.
Es könnte sich daher eher um eine Drohgebärde in Richtung Vaunet handeln, um diesen wieder an den Verhandlungstisch beim Digitalradio-Board von Bund und Ländern zu bewegen. Das wünscht sich unter anderem auch MDR-Intendantin Karola Wille, wie sie auf der IFA betonte. Der Verband war Anfang 2017 aus dem runden Tisch ausgetreten und hatte eine Roadmap zur Digitalisierung des Radios nicht mit unterzeichnet. Vielleicht hofft man in der Politik, dass der Verband seine Positionen bei der Drohung eines "harten UKW-Ausstiegs" überdenkt und wieder aktiv an der digitalen Migration mitwirkt.