Norwegen

Radio-Anarchie nach UKW-Abschaltung in Norwegen

Als erstes Land weltweit hat Norwegen den analogen UKW-Hörfunk abgeschaltet. Leer ist es auf der UKW-Skala aber nicht: Piratensender haben die Frequenzen geentert. Und einige offizielle Privatsender machten illegal weiter, da sie sich nach wie vor gegen das UKW-Ende wehren.
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Alte UKW-Radios müssen in Norwegen noch nicht entsorgt werden - dank Ätherpiraten Alte UKW-Radios müssen in Norwegen noch nicht entsorgt werden - dank Ätherpiraten
Foto: AEG
Ab sofort ist Norwegen zumindest offiziell weltweit der erste Staat, der den analogen UKW-Hörfunk abgeschaltet hat. In den Regionen Troms und Finnmark mit rund 235 000 Einwohnern wurden die letzten Sendeanlagen abgeschaltet, nachdem der Ausstieg 2017 begonnen hatte. Wer in Norwegen weiter Radio hören möchte, braucht entweder Internet oder einen DAB+-Empfänger. Über das digital-terrestrische Radio stieg die Zahl der national hörbaren Stationen von fünf auf 35.

Band voller Piratensender

Alte UKW-Radios müssen in Norwegen noch nicht entsorgt werden - dank Ätherpiraten Alte UKW-Radios müssen in Norwegen noch nicht entsorgt werden - dank Ätherpiraten
Foto: AEG
Leer ist es auf der UKW-Skala aber nicht: Bis 2021 dürfen rund 200 Lokalradios außerhalb der Großstädte noch auf UKW senden. Außerdem sind im Grenzbereich noch Radiostationen aus Schweden oder Finnland zu hören. Doch zu einem regelrechten UKW-Boom tragen vor allem Piratensender bei. Laut dem norwegischen englischsprachigen Internetdienst "News in English" handelt es sich bei den Ätherpiraten vor allem um die Gegner einer UKW-Abschaltung, die nun selbst auf Sendung gegangen sind, um die leerstehenden UKW-Frequenzen zu besetzen. Oftmals strahlen sie hier die Programme der offiziellen Radiostationen auf deren alten Frequenzen aus. Einige sind auch mit neuen, eigenen Programmen auf Sendung oder übernehmen Internetradio-Stationen, auch aus dem Ausland.

Auch offizielle Sender weigern sich, UKW abzuschalten

Unter den Piratensendern sind aber auch einige offizielle Hörfunkanbieter selbst: So wehrten sich in Oslo laut einem Bericht des Internetmagazins "radioWOCHE" die lokalen Privatsender Radio Metro, Radio Rox und The Beat, die eine Senderfamilie bilden, gegen die UKW-Abschaltung und sendeten zunächst illegal weiter. Die Sendergruppe beruft sich darauf, dass noch ein Verfahren bei der EFTA Surveillance Authority (ESA) anhängig ist, das die Parlamentsentscheidung zur UKW-Abschaltung in Norwegen kippen und damit rückgängig machen könnte. Norwegen sei zwar kein EU-Mitglied, aber Teil des europäischen Wirtschaftsraums EFTA, heißt es. Die in Brüssel beheimatete ESA überwacht, ob Regelungen in den EFTA-Staaten wie Norwegen mit den Prinzipien des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes kollidieren. Man wollte auf die Entscheidung der ESA warten, hieß es von Radio Metro. Nach Strafandrohungen der Regierung hat man aber inzwischen doch den Sendebetrieb eingestellt.

Frequenzspektrum für Rundfunk steht leer

Generell lassen sich die Behörden das bunte Treiben nicht gefallen: Erste illegale Sendeanlagen sollen bereits ausgehoben worden sein, heißt es bei "News in English". Den Betreibern drohen hohe Geldstrafen.

Die momentane Radio-Anarchie stellt aber auch den Sinn einer kompletten UKW-Abschaltung in Frage: Anders als beim Fernsehen mit dem VHF- und UHF-Band wird das UKW-Spektrum zunächst nicht für Nachfolgedienste benötigt. Es ist daher fraglich, warum potenziell verfügbare Frequenzkapazitäten für den Rundfunk jahrelang ungenutzt bleiben sollen.

So könnte man das UKW-Band bis zu einer Nachfolgenutzung ganz offiziell für kleine Radioprojekte mit geringer Sendeleistung frei geben, die ähnlich wie Funkamateure eine einfache Zulassung bekommen. Eine solche Regelung gibt es in den Niederlanden für die alte Mittelwelle: Mehr als 50 Kleinanbieter mit Reichweiten zwischen einem und 20 km tummeln sich inzwischen im vorher leeren Band.

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