Sicherheit

Editorial: Erfolg der Überwachung

Räube­rische Erpres­sung binnen zwei Tagen aufge­klärt: Wäre das ohne Video­überwachung möglich gewesen?
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Überwachungskamera der Polizei Überwachungskamera der Polizei
Bild: dpa
Freud und Leid einer neuen Tech­nologie liegen oft nah beisammen. Ein Beispiel dafür ist die massen­hafte elek­tro­nische Daten­speicherung, die auf der einen Seite die Aufklä­rung von Verbre­chen ermög­licht, auf der anderen Seite aber auch die ille­gale Über­wachung von Bürgern. In diesem und dem kommenden Edito­rial sollen beide Seiten genauer beleuchtet werden. Zunächst ein State­ment pro Über­wachung.

Erpresser gefasst - dank Über­wachungs­kamera

Überwachungskamera der Polizei Überwachungskamera der Polizei
Bild: dpa
Ende September wurden mehrere Supermarkt­ketten von einem Erpresser bedroht: Wenn sie nicht ein Löse­geld in Millionen­höhe zahlten, würde er Lebens­mittel in deren Geschäften vergiften. Um seinen Forde­rungen Nach­druck zu verleihen, depo­nierte der Erpresser in einem Lebensmittel­geschäft in Friedrichs­hafen fünf Gläs­chen mit Baby­nah­rung, denen er Ethy­len­glycol zuge­setzt hatte, und sendete erneut eine Droh-E-Mail. Die vergif­teten Gläs­chen konnten dank schneller Reak­tion alle sicher­gestellt werden, bevor sie verkauft worden waren oder gar Babys zu Schaden kamen.

Beim Depo­nieren der mani­pulierten Gläs­chen wurde der Täter jedoch von einer Überwachungs­kamera beob­achtet. Die Aufzeich­nungen wurden am 28. September von der Polizei Konstanz in einer Presse­konferenz veröf­fent­licht. Daraufhin gingen über tausend Hinweise auf den Täter aus der Bevöl­kerung ein. Mehrere dieser Hinweise bezogen sich auf dieselbe Person. Diese wurde anschlie­ßend von der Polizei obser­viert. Schon am folgenden Tag, dem 29. September, konnte der Erpresser verhaftet werden. Am 30. September gestand er bereits die Tat. Zahl­reiche Indi­zien - insbe­son­dere Genspuren des Täters an den vergif­teten Gläs­chen sowie eine halb­leere Flasche Ethy­len­glycol in seiner Wohnung - belasten den Täter auch unab­hängig vom Geständnis schwer.

Schneller und präziser kann Poli­zei­arbeit kaum sein. Ohne die Bilder der Überwachungs­kameras hätte es hingegen möglicher­weise Monate oder gar Jahre gedauert, den Baby­nah­rungs-Erpresser zu fassen, wie damals beim Karstadt-Erpresser Arno Funke alias "Dago­bert", der 1988 erfolg­reich eine halbe Million Mark vom Berliner Kauf­haus KaDeWe erpressen konnte. Nachdem das Geld aufge­braucht war, zündete er von 1992 bis 1994 immer wieder Bomben und Brand­sätze in Karstadt-Kauf­häu­sern, um erneut Geld zu erpressen. Immer wieder schei­terte die Polizei daran, Funke bei (fingierten) Geld­über­gaben zu verhaften. Der Schaden an den Kauf­haus-Filialen durch die Bomben betrug viele Millionen Mark. Ebenso dürfte der Fahndungs­aufwand der Polizei, die zeit­weilig tausende Karten­tele­fone über­wachen ließ, in die Millionen gegangen sein.

Geringes Risiko für seriöse Kunden

Dieselben Über­wachungs­kameras, die den Baby­nah­rungs-Erpresser über­führten, bedrohen normale Kunden nicht. An normalen Geschäfts­tagen wäre es einfach viel zu teuer, die Kamera­aufzeichnungen auszu­werten. Sie werden daher nur begrenzte Zeit aufge­hoben und dann gelöscht.

Mit ähnli­chen Über­legungen hat auch das Ober­lan­des­gericht Nürn­berg den Betrieb von Überwachungs­kameras hinter der Front­scheibe von Kraft­fahrzeugen ("Dash­cams") gestattet, und Dashcam-Aufnahmen in einem Auffahr­unfall ausdrück­lich als Beweis­mittel zuge­lassen. Ohne die Dashcam-Aufnahmen wäre es dem Beklagten, einem LKW-Fahrer, nicht möglich gewesen, seine Unschuld an einem Unfall zu beweisen, bei dem ein anderes Fahr­zeug ihn geschnitten hatte. Denn ohne die Aufnahmen hätte alles nach einen klas­sischen Auffahr­unfall ausge­sehen, wo dem LKW-Fahrer die Schuld gegeben worden wäre.

Wichtig ist für das Sozi­alwesen, dass alle Menschen gleicher­maßen der Über­wachung ausge­setzt sind. Das Risiko eines hoch­ran­gigen Poli­tikers, bei einem Korruptions­geschäft gefilmt zu werden, muss also gleich hoch sein, wie das Risiko eines ganz normalen Handwerks­meisters, per Video­beweis der Schwarz­arbeit über­führt zu werden. Denn so lange alle glei­cher­maßen über­wacht werden, sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Keiner erlangt einen indi­vidu­ellen Vorteil aus der Über­wachung. Das Gemein­wesen erlangt aber den Vorteil, das bestimmte gefähr­liche Straf­taten, wie die eingangs erwähnte Erpres­sung, zügig aufge­klärt werden. Das verbes­sert wiederum die Lebens­situation aller Bürger.

Es gibt aber auch eine andere Sicht­weise auf die massen­hafte Aufzeich­nung. In einem anderen Edito­rial haben wir die Gegen­position darge­stellt, warum die allgegen­wärtige Aufzeich­nung doch schäd­lich ist.

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