Satellitenboom

Satellitenboom: Das Internet zieht um ins All

Geosta­tionäre Satel­liten kommen an die Grenzen ihrer Über­tragungs­kapa­zitäten. Flotten von mehren tausend erdnaher Orbiter sollen sie bald unter­stützen.
Von dpa / Wolfgang Korne

OneWeb will 650 Satelliten ins All schießen. OneWeb will 650 Satelliten ins All schießen.
Bild: picture alliance/WorldVu LLC/Airbus/dpa
Das rasante Wachstum des welt­weiten Daten­verkehrs wird nach Einschät­zung der Raum­fahrt­indus­trie einen Welt­raum­boom zur Folge haben. Fach­leute erwarten, dass die Über­tragung von Internet, Telefon und sons­tigen Daten zum Teil in erdnahe Umlauf­bahnen verlegt wird. Von den riesigen Satel­liten­konstel­lationen, die meist von US-Firmen geplant werden, erhoffen sich euro­päische und deut­sche Unter­nehmen gute Geschäfte.

Umsätze sollen sich verdrei­fachen

OneWeb will 650 Satelliten ins All schießen. OneWeb will 650 Satelliten ins All schießen.
Bild: picture alliance/WorldVu LLC/Airbus/dpa
"Das Space-Geschäft wird gewaltig wachsen. Das sagen nicht nur die Welt­raum-, sondern auch die Finanz­leute", sagt Bulent Altan, Vorstand bei Mynaric, einem auf Laser­kommu­nika­tion in All und Luft­fahrt spezia­lisierten Startup im ober­baye­rischen Gilching. Die US-Invest­ment­bank Morgan Stanley schätzt, dass die Raum­fahrt­branche welt­weit ihre Umsätze bis 2040 auf eine Billion Dollar verdrei­fachen könnte. "Die bedeu­tendsten kurz- und mittel­fris­tigen Chancen könnten sich bei Breit­band-Zugang zum Internet über Satellit bieten", heißt es in einer kürz­lich veröf­fent­lichten Studie.

Konstel­lationen unter­stützen geosta­tionäre Satel­liten

"Die bishe­rige Band­breite reicht nicht mehr aus", sagt Carsten Borowy, Manager beim Satel­liten­hersteller OHB in Bremen. "Daher kommt die Idee, die unge­fähr 300 geosta­tionären Satel­liten durch Konstel­lationen klei­nerer erdnaher Satel­liten zu ergänzen. Das ist ein Inno­vati­onsschub in der Raum­fahrt, den wir sehr positiv sehen."

Eine Konstel­lation ist eine Gruppe von Satel­liten, die alle demselben Zweck dienen. Erdnahe Satel­liten - im Fach­jargon LEO (low earth orbit) genannt - umkreisen unseren Planeten in einer Höhe von weniger als 2000 Kilo­metern.

Projekte mit mehreren tausend Satel­liten geplant

Das Unter­nehmen SpaceX des Elek­troa­uto­pioniers Elon Musk will mehr als 10 000 Satel­liten in die Umlauf­bahn schießen. Airbus ist an dem Projekt OneWeb betei­ligt, das eine Konstel­lation von knapp 2000 Satel­liten plant. Amazon und Face­book arbeiten an eigenen Projekten, daneben gibt es weitere Vorhaben.

"In der Vergan­genheit war Satel­liten­kommu­nika­tion TV-Broad­cast", sagt Borowy, der bei OHB die Zukunfts­programme für Tele­komsa­telliten leitet. "Ein Satellit über­trägt eine Sendung zu einer bestimmten Zeit an mehrere Millionen Haus­halte. Mit dem Voran­schreiten der Digi­tali­sierung und den Strea­ming-Diensten reicht das nicht mehr."

Netflix & Co. zwingen zum Ausbau

YouTube, Netflix, Maxdome und Co. tragen dazu bei, dass der Bedarf an Band­breite gewaltig wächst: "Welt­weit braucht man Millionen Kanäle und nicht mehr nur 300", sagt Borowy. "Das Spek­trum bei den Tele­komsa­telliten ändert sich hin zu den inter­netba­sierten Diensten."

Das sieht auch Mynaric-Vorstand Altan so: "Raum­fahrt­unter­nehmen werden zu Tele­komfirmen, denn der Groß­teil dieser Satel­liten­konstel­lationen ist für die Daten­über­tragung gedacht." Der Raum­fahrt­inge­nieur war früher bei SpaceX in führender Posi­tion an der Rake­tenent­wick­lung betei­ligt.

Laser­strahl statt Funk

Mynaric hofft mit der Daten­über­tragung per Laser­strahl auf glän­zende Geschäfte, denn diese ist schneller als Funk und bietet größere Über­tragungs­kapa­zitäten. "Wir sind wie ein olym­pisches Team, das sich gerade auf die Olym­piade vorbe­reitet", sagt Altan.

Erdnahe Satel­liten sind kleiner, leichter und billiger als geosta­tionäre. Airbus und OneWeb weihten vergan­gene Woche eine Satel­liten­fabrik in Florida ein. In der ersten Phase will OneWeb 650 Satel­liten ins All schießen. Der erste Rake­tenstart mit etwa 30 Satel­liten ist für Jahres­ende geplant, wie ein Airbus-Spre­cher in Toulouse sagt. Danach sollen alle drei Wochen je 30 weitere Satel­liten folgen.

Auch Erdbe­obach­tungs­satel­liten werden boomen

"Nach den Telekom-Satel­liten wird es eine neue Welle der Erdbe­obach­tungs­satel­liten geben", prophe­zeit Mynaric-Vorstand Altan. "Denn die sind ohne Telekom-Satel­liten nicht denkbar, weil sie auf die Daten­über­tragung ange­wiesen sind."

In Zukunft mache das eine Echt­zeit-Beob­achtung der Erde möglich, meint der Raum­fahrt­inge­nieur - "für die Land­wirt­schaft, aber auch, wenn es um Abhol­zung, die Über­fischung auf den Welt­meeren, Glet­scher­schmelze oder Wald­brände geht. Wenn Sie einen Wald­brand haben, macht es einen Unter­schied, ob dieser eine Stunde früher oder später entdeckt wird."

Der euro­päische Platz­hirsch denkt ganz ähnlich: "In der Tat sieht Airbus den Anfang eines neuen Markts", sagt der Spre­cher.

Europa vorne

In Sachen Erdbe­obach­tung ist Europa nach Angaben von OHB-Manager Borowy in Führung: "Wir haben in Europa mit Koper­nikus welt­weit die leis­tungs­fähigste Satel­liten­flotte für die Erdbe­obach­tung." Koper­nikus ist ein in der Öffent­lich­keit wenig bekanntes EU-Projekt.

Beob­achtungs­satel­liten über­tragen mitt­lerweile eine Viel­zahl von Mess­daten: etwa den Chlo­rophyll­gehalt der Ozeane, der für die Sauer­stoff­bildung bedeutsam ist. "Dafür lassen sich auch extrem kleine Satel­liten verwenden, die nur ein paar Dutzend Kilo­gramm wiegen, aber nur ein einziges System an Bord haben", sagt Borowy.

Risi­korei­ches Geschäft

Noch sind Konstel­lationen mit tausenden Satel­liten Zukunfts­musik. "Der Aufbau einer Satel­liten­konstel­lation ist sehr teuer, das kostet mehrere Milli­arden Dollar", sagt Borowy. "Das Risiko ist extrem hoch."

Doch die Entwick­lung ist in Gang. "Dass es am Ende alle ange­kündigten Satel­liten­konstel­lationen geben wird, glaube ich nicht", sagt Mynaric-Vorstand Altan. "Aber es wird auf jeden Fall große Konstel­lationen geben, und zwar ziem­lich bald."

Pläne für eine große euro­päische Satel­liten­konstel­lation fehlen aller­dings bislang. "Europa hängt zwar hinterher, wenn es ums große Ganze geht, aber wir haben in Europa sehr inno­vative Ideen", sagt OHB-Manager Borowy dazu.

Das Unter­nehmen SpaceX hat übri­gens bereits seine ersten 60 Satel­liten für das geplante Daten-Netz ausge­setzt. teltarif.de berich­tete.

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