Goldener Weg

DOCSIS 3.1, G.fast & FTTH: Warum am Ende der Mix entscheidet

Die Anga Com in Köln war wieder ein Schau-Laufen der Infrastruktur-Ausrüster: Höher, schneller, weiter soll es im Internet demnächst gehen. Doch ein Patentrezept für schnelles, flächendeckendes Breitband hat niemand.
Von der Anga Com in Köln berichtet Thorsten Neuhetzki

Ohne Glasfaserkabel geht langfristig wenig Ohne Glasfaserkabel geht langfristig wenig
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
"Die Frage, welcher Nutzer Datenraten von 400 oder 500 MBit/s benötigen, stellt nur Niek Jan van Damme, weil er diese Geschwindigkeiten nicht liefern kann." Das war die sinngemäße Wiedergabe einer verbalen Keule von Unitymedia-Chef Lutz Schüler auf dem Eröffnungs-Panel der Anga Com in dieser Woche. Er griff damit den Telekom-Deutschland-Chef an. Die Telekom steht für ihre Vectoring-Ausbaustrategie in der Kritik - zumindest, wenn man sich mit den Wettbewerber unterhält. Die Breitband- und Content-Messe in Köln gab sich mit Vectoring gar nicht erst ab. Wer durch die beiden Messehallen ging, dem begegneten Schlagwörter wie "DOCSIS 3.1", "G.fast" oder "FTTB/H". Jede einzelne dieser Technologien bietet höhere Datenraten im Downstream als VDSL Vectoring. Aber sie sind auch langsamer - nämlich beim Ausbautempo. Wie viel Bandbreite soll es also wirklich sein? Und wie schnell soll und kann diese kommen? Wagen wir den Versuch, die Allround-Lösung zu finden.

FTTH: Das Glasfaser bis ins Wohnzimmer

Ohne Glasfaserkabel geht langfristig wenig Ohne Glasfaserkabel geht langfristig wenig
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Keine Frage: Wer eine Glasfaserleitung bis ins Wohnzimmer hat und somit technisch einen FTTH-Anschluss, der muss sich voraussichtlich die nächsten Jahrzehnte keine Gedanken mehr um einen neuen Anschluss machen. Die Glasfaserleitung bis in die eigenen vier Wände gilt als die schnellstmögliche Datenübertragung. Aber sie hat auch Nachteile: Es gibt derzeit kaum Wettbewerb, der ausbauende Anbieter hat faktisch ein Monopol. Zwar gibt es Open-Access-Ansätze, doch mangels Regulierung der FTTH-Netze ist kein Anbieter gezwungen, die Netze für andere zu günstigen Konditionen zu öffnen. Insbesondere die Telekom wehrt sich auch gegen eine solche Regulierung. Sie sei investitionsfeindlich.

FTTH hat noch mehr Hemmschuhe: Den Anschluss zu bauen ist teuer, es muss eine komplett neue Leitung verlegt werden. Nur mit Glück liegen auf der Strecke schon verwertbare Leerrohre, die gemietet werden können. Aber normalerweise muss gegraben werden. Das ist teuer und kostet Zeit - das nächste Problem. Zwar lassen sich einzelne Neubaugebiete oder gezielte Objekte schnell ans Netz bringen - insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. Doch dort, wo es heute kaum schnelles Internet gibt, dauert ein solcher Ausbau lange. Vielleicht zu lange. M-Net hat in dieser Woche den Ausbau des Landkreises Cham bekanntgegeben. 4000 km neue Glasfaser, mehr als 8000 Haushalte und 1000 Unternehmen mit einem FTTH-Anteil von 80 Prozent. Und: Zwei Jahre Bauzeit. Offiziell kommt zwar nur FTTB zum Einsatz, doch bei Einfamilienhäusern, die erschlossen werden, kann man dies fast mit FTTH gleichsetzen, da es nicht mehr zwingen mehrere Meter Kupferleitung gibt, bis das Signal beim Kunden ist. Was das Beispiel aber in jedem Fall zeigt, ist der immense Zeitaufwand.

Letzter Nachteil bei FTTH ist der eigentliche Vorteil: Das Kabel muss bis in die Wohnung. In Bestandsgebäuden ist das technisch und rechtlich oftmals nicht trivial, weswegen FTTH zumeist bei Neubauten zum Einsatz kommt.

G.fast: Das Gigabit per Kupfer

G.fast ist eine Art Vectoring. Auf der Anga Com überboten sich NetCologne und M-Net gegenseitig mit der schnellste Verfügbarkeit und der höchsten Datenrate. Der große Vorteil von G.fast: Es kann also eine Kupferleitung zum Einsatz kommen. Es stellt sich also nicht das Problem der neuen Leitung durch das Treppenhaus. Aber die weiteren von FTTH bekannten Probleme stellen sich auch bei G.fast: Denn ohne eine Glasfaserleitung bis ins Gebäude kann G.fast nicht angewendet werden. Wie bei DSL und VDSL auch fällt mit jedem Meter Kupferleitungslänge das Datensignal ab. Also heißt es auch für G.fast: Zu teuer und zu zeitaufwändig für eine schnelle flächendeckende Versorgung.

Für die perspektivische Erschließung von Bestandsgebäuden mit Gigabit-Leitungen kann G.fast aber eine Variante mit wenig Aufwand innerhalb des Hauses sein. Bisher wurde das Signal innerhalb des Hauses mit VDSL transportiert.

DOCSIS 3.1: Der Turbo fürs Kabel

Das TV-Kabelnetz kann seit etwas mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland auch für das Surfen im Internet genutzt werden. Und es kann ein Datenturbo sein - wenn die Netze vernünftig ausgebaut werden. Doch zu oft lassen die Anbieter den Ausbau schleifen. Zu viele Kunden nutzen dann zur gleichen Zeit das Internet auf der Kabelleitung, bevor es an einem Glasfaserübergabepunkt in ein Netz mit mehr Kapazität übergeben wird. Je mehr Menschen die Leitung nutzen, desto langsamer wird sie. Werden die Segmente verkleinert, verbessert sich die Situation wieder. Doch eine Segmentierung ist teuer und dauert. Denn auch hier muss gegraben werden - ähnlich wie bei VDSL jedoch nur bis zu den grauen Kästen am Straßenrand.

Seit etwa zwei Jahren treibt die Kabel-Branche den nächsten Übertragungsstandard vor sich her: DOCSIS 3.1. Durch mehr Kanäle (setzt eine Abschaltung der analogen Sender voraus), eine andere Frequenzmodulation und weitere Maßnahmen kann die Datenrate deutlich erhöht werden. Gleichzeitig muss aber auch hier der Cluster verkleinert werden, da bei angenommener Buchung und Nutzung einer Gigabit-Leitung nur wenige Kunden parallel in einem Cluster die hohe Performance bekommen.

DOCSIS 3.1 setzt aber auch einen kompletten netzseitigen Austausch der Hardware voraus, was die Netzbetreiber viel Geld kostet. Auch die Kunden benötigen neue Hardware. Ein erstes DOCSIS 3.1-Modem hatte AVM auf der Anga Com vorgestellt - allerdings noch als Dummy. Erste DOCSIS-3.1-Netze sind für Ende des Jahres in Bochum zu erwarten.

Zu teuer, zu langsam, zu schwierig - wie kommt Bandbreite in die Fläche?

Die drei vermeintlichen Heilsbringer sind bei genauer Betrachtung keine Allheilmittel - jedenfalls nicht für die schnelle Flächenversorgung. Punktuell und im Laufe der Zeit kann sich aus allen drei Technologien ein guter Mix ergeben. Ob es dabei wirtschaftlich und sinnvoll ist, dass zum Teil VDSL-Leitungen in Gebieten gebaut werden, wo schon FTTH gebaut wurde, darf dabei bezweifelt werden. Gleichzeitig argumentieren bestimmte Anbieterkreise auch, dass es wenig sinnvoll sei, Kabel und Glasfaser parallel auszubauen, während die anderen von einem Infrastrukturwettbewerb sprechen.

Aus diesem Betrachtungswinkel scheint die Strategie der Telekom, zunächst einmal mit wenigen Ausnahmen auf VDSL und Vectoring zu setzen, die richtige Strategie. Zumindest wenn man mit möglichst wenig Aufwand möglich viele Kunden mit schnellerem Internet versorgen will. Und das ist genau das, was die Telekom immer wieder gebetsmühlenartig für sich proklamiert. Die von Lutz Schüler angesprochenen 400 MBit/s und mehr gibt es aber nicht. Im nächsten Jahr will die Telekom mit Supervectoring aber immerhin 250 MBit/s oder gar 300 MBit/s im Downstream bieten. Und wenn der VDSL-Ausbau 2019 abgeschlossen ist - dann sollen auch im größeren Stil echte Glasfaserleitungen gebaut werden. Zumindest, wenn die Kunden entsprechend nachfragen. Doch diese Nachfrage sieht man bei der Telekom derzeit offenbar nicht.

Welche Breitband-Anschlüsse es in Deutschland gibt und welche Vor- und Nachteile sie haben, haben wir für Sie zusammengestellt.

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