Sunrise und UPC: Freenet könnte Fusion verhindern
Für Sunrise-Chef Olaf Swantee wird der Kauf von UPC Schweiz etwas günstiger. Kritiker bleiben weiter skeptisch
Foto: Sunrise, Logos: Sunrise/UPC, Montage: teltarif.de
Bei der geplanten Fusion des Schweizer Mobilfunkanbieters Sunrise mit der Liberty Global Tochter UPC Schweiz erinnert einiges an die kürzlich erfolgte Fusion von Vodafone Deutschland und Unitymedia oder den Kauf von UPC Austria durch die dortige Telekom-Tochter
Magenta Telekom (früher T-Mobile Austria).
Unter den Aktionären der Sunrise gibt es unterschiedliche Ansichten. Kritikern missfällt, dass der Kauf von UPC viel zu teuer sei. Da kann auch die "verbesserte Transaktionsstruktur" nicht besänftigen, wonach eine "deutlich verringerte Kapitalerhöhung in Höhe von "nur noch" 2,8 Milliarden Schweizer Franken (etwa 2,55 Milliarden Euro) notwendig wäre. Die Befürworter finden, dass "ein führender, vollintegrierter, landesweiter Herausforderer mit signifikanten Vorteilen" für die Schweiz geschaffen werden könne. Ursprünglich sollten 4,1 Milliarden Schweizer Franken (etwa 3,73 Milliarden Euro) ausgegeben werden. Nur Sunrise alleine ist nach Ansicht von Kennern nur etwa 3,4 Milliarden Franken (3 Milliarden Euro) Wert.
Komplexer Deal: Höhere Dividende
Für Sunrise-Chef Olaf Swantee wird der Kauf von UPC Schweiz etwas günstiger. Kritiker bleiben weiter skeptisch
Foto: Sunrise, Logos: Sunrise/UPC, Montage: teltarif.de
Nur Börsenprofis können abschätzen, ob ein höherer "Equity Free Cash Flow Zuwachs", die "ungefähre Verdoppelung des Zugewinns an Equity Free Cash Flow pro Aktie" echte Vorteile bieten.
Sunrise betont, umsichtig vorzugehen: Die Verschuldung soll reduziert werden, aber die Dividenden für die Aktionäre sollen trotzdem steigen. Konkret soll der Generalversammlung 2020 vom Sunrise-Verwaltungsrat folgendes vorgeschlagen werden: Eine erhöhte Dividendenausschüttung in Höhe von 350 bis 370 Millionen Schweizer Franken (für das Geschäftsjahr 2019) und in den Folgejahren soll die Dividende pro Aktie ("DPS") 4 bis 6 Prozent jährlich wachsen.
Sunrise wird (wie einst die Deutsche Telekom) ihren Aktionären die Alternative zwischen einer Bar- oder Aktiendividende bieten. Die Aktionäre können dann wählen, ob sie ihre Dividende lieber in Bargeld oder in neuen Sunrise-Aktien oder einer Kombination davon haben möchten.
Sunrise: Verschuldung steigt zunächst
Nichtsdestotrotz wird der Verschuldungsgrad von Sunrise steigen. Dagegen sollen Synergien und eine starke "Cashflow-Generierung" helfen, sprich stärkere Umsätze (und damit Gewinne) mit neuen und bereits bestehenden Kunden. Das könnte auch den Versuch beinhalten, bestimmte Preise anzuheben, falls es der Wettbewerb denn zuließe. Solche Bedenken hat die Schweizer Wettbewerbskommission nicht: Sie hat am 26. September 2019 der Transaktion ohne weitere Bedingungen zugestimmt.
Entscheidend wird die außerordentliche Generalversammlung am 23. Oktober 2019 sein, welche die notwendigen Weichen stellen muss. Olaf Swantee, CEO von Sunrise, hat mit mehr als 200 Investoren gesprochen und "breite Unterstützung" erhalten. Er hofft, zügig den Abschluss der Transaktion zu erreichen. Peter Kurer, Verwaltungsratspräsident von Sunrise, freut sich über die verbesserte Finanzierungsstruktur. Die Schweizer Ratingagentur Inrate AG (Markenname "zRating") empfiehlt den Sunrise-Aktionären ebenfalls, der Kapitalerhöhung zuzustimmen. Ins gleiche Horn stoßen die Aktienberater Glass Lewis oder ETHOS und legen ein Gutachten für institutionelle Anleger (ISS-Report) vor.
Freenet bleibt weiter ablehnend
Zu den Kritikern des Deals gehört der Sunrise-Großaktionär Freenet aus Deutschland.
"Wenn dies die einzige Änderung ist, hat das keinen Einfluss auf unsere Entscheidung, gegen den Deal zu stimmen. Denn mittlerweile ist klar, dass der Deal als solcher seine strategische Logik verloren hat, da die 5G-Abdeckung einschließlich der internen Abdeckung viel schneller als erwartet erfolgt. Sunrise hat sein 5G-Angebot inklusive TV- und Internet-Zugang am 18. September veröffentlicht und sogar in der Begründung von WEKO, den Deal ohne Abhilfe zuzulassen, gaben sie an, dass "andere" Technologien den Wettbewerb ankurbeln und die Preise senken werden.Ebenso hat UPC inzwischen seine Endverbraucherpreise von 129 Franken auf 89 Franken (81 Euro) bzw. von 99 Franken auf 59 Franken (51 Euro) gesenkt und damit den eigenen Wert für die Zukunft dramatisch gesenkt", so die offizielle Stellungnahme gegenüber teltarif.de.
Da Freenet knapp unter 25 Prozent der Aktien besitzt, bleibt es spannend, ob sich die Mehrheit der Aktionäre eher für die Vorschläge des Sunrise-Managements oder eher die Argumente der Kritiker entscheidet. Die finden, dass der Kauf von UPC "viel zu teuer" sei. Außerdem hatte Freenet in Deutschland die Fusion von Vodafone und Unitymedia schon nicht gut gefunden. Somit wäre es wenig glaubwürdig, wenn sie in der Schweiz dem ähnlichen Vorhaben zustimmen würden. Erfahrungsgemäß sind nie alle Aktionäre bei Versammlungen anwesend, deswegen könnten die 24,5 Prozent von Freenet am Ende durchaus Gewicht bekommen.
Woher soll das Geld kommen?
Sunrise beabsichtigt den Unternehmenswert von 6,3 Milliarden Franken durch eine Kombination aus neu aufgenommenem Aktienkapital (aber nicht mehr als 2,8 Milliarden Franken) sowie durch Kredite zu finanzieren. Sunrise will dazu alle Verbindlichkeiten von UPC übernehmen. Am Ende sollen noch etwa 2,7 Milliarden Franken übrig bleiben, die bar an Liberty Global gezahlt werden sollen.
Wenn die Aktionäre trotz alledem zustimmen sollten, könnte der Deal bis Ende November unter Dach und Fach sein, so die Hoffnung des Sunrise-Managements.
Überraschendes Angebot von Liberty Global
Heute morgen gab es eine überraschende Wendung: Der aktuelle Inhaber der UPC Schweiz, die Liberty Global, bot an, sich weiter mit 500 Millionen Schweizer Franken am fusionierten Unternehmen zu beteiligen. Die von uns dazu befragte Freenet AG bleibt eisern:
"Die Beteiligung von Liberty Global ändert nichts an unserer Haltung sowie der Mehrzahl der anderen Aktionäre zum Deal. Wir sind weiterhin der Meinung, dass der Deal nicht gut ist. Die neuesten Entwicklungen zeigen, dass Sunrise nun auf den letzten Metern mit allen Tricks versucht, das Ruder rumzureißen. LGI (= Liberty Global, die Mutter von UPC Schweiz) kündigt lediglich an, mit dem Geld, das sie bei einem zu teuren Verkauf gewonnen haben, sich zu Tiefstkursen zu beteiligen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller bestehenden Aktionäre."
Eine Einschätzung
Sunrise ist in der Schweiz in einer ähnlichen Position wie hierzulande Vodafone mit Unitymedia oder die Telekom in Österreich mit UPC Austria. In der Schweiz gibt es die Swisscom, ohne die - landesweit gesehen - genauso wenig läuft, wie hierzulande ohne die Deutsche Telekom - in Österreich hatte die "Post" (Austria Telekom A1) lange das Sagen.
Da wäre es verlockend, eine "Netz-Alternative" zu haben, die dem Herausforderer direkten Zugang zu den Endkunden bietet. Wie in Deutschland oder Österreich ginge das über das bereits verlegte Koax oder Glasfasernetz von Liberty-Global/UPC. Damit könnte Sunrise auch die eine oder andere Mobilfunk-Sendeanlage versorgen, ohne bei der Swisscom extra teure Leitungen mieten zu müssen.
Aber: Der Deal ist teuer und könnte am Ende gar nicht den Effekt bringen, den sich Sunrise wünscht. Wie brauchbar ist das bestehende Schweizer UPC-Netz? Wie hoch sind notwendige Investitionen, um es richtig zum Laufen zu bekommen? Übernimmt sich die Sunrise dabei?
Aber auch der Nichtkauf ist nicht ohne Risiko: Ohne mehr eigenes Netz, hätte es Sunrise künftig schwerer, weiter zu wachsen. Zu beachten ist ferner, dass die Swisscom nach wie vor einen Marktanteil von etwa 60 Prozent hat.
Für den deutschen Kunden wird der Deal kaum Auswirkungen haben. Für den Schweizer Kunden könnte es passieren, dass Sunrise künftig aus lauter Verzweiflung über den dicken Brocken beim Kundenservice auf die Kostenbremse steigen könnte, was dann eher kontraproduktiv wäre.
Wir werden weiter berichten.