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CeBIT-Thema Shareconomy: Echter Trend oder nur Geschäftsidee?

Flexibilität und Vernetzung für viele mittlerweile wichtiger als Besitz
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Texte, Bilder, Videos, Wissen und (private) Daten im Internet zu teilen, gehört heute zum Alltag. Doch immer mehr Menschen teilen auch Auto, Fahrrad und neuerdings Fernseher und Bohrmaschine über Netz-Plattformen. Ist Shareconomy tatsächlich die Zukunft oder nur eine geniale Geschäftsidee?

"Shared Economy" ist seit den 1980er Jahren ein fester Begriff im Wirtschaftsleben. Damals stellte der Harvard-Ökonom Martin Weitzman die Theorie auf, dass sich der Wohlstand für alle erhöht, umso mehr unter allen Marktteilnehmern geteilt wird. Mit dem Web 2.0 wurde der Begriff vermehrt auf das Verhalten im World Wide Web übertragen. Zuerst teilten die Nutzer ihr Wissen dadurch, dass sie an Chats und Diskussionsforen teilnahmen oder Artikel auf Wikipedia erstellten.

Auch das Teilen von immateriellen Gütern wie Nachrichtenartikeln über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter gehört zu diesem Themenkomplex, wenn auch bisher an diesem "Geschäft" überwiegend die Netzwerkbetreiber selbst verdienen. Den nun kursierenden Begriff "Shareconomy" hat allerdings die Deutsche Messe AG für die aktuelle CeBIT eingeführt.

Shareconomy: Von der Bedrohung zur Chance

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Wenn Verbraucher etwas teilen anstatt es einzeln zu kaufen, klingt das zuerst wie eine Bedrohung für die Wirtschaft: Wer ein Auto oder Fahrrad mit anderen teilt oder sich für einen Car-/Bike-Sharing-Service anmeldet, scheint als Käufer weggefallen zu sein. Doch die Rechnung, dass gemeinsam genutzte Wirtschaftsgüter für die Produzenten schädlich sind, geht nicht immer auf.

Insbesondere bei der Nutzung von Verkehrsmitteln begann der Trend zum Teilen schon recht früh. Sparpreisangebote und Gruppenvergünstigungen der Deutschen Bahn bewirkten schon vor Jahren, dass findige Fahrgäste Treffpunkte im Internet aufbauten, wo Bahnfahrer sich mit anderen Interessenten zu einer Gruppenfahrt zusammenfinden konnten. Die Bahn war darüber nicht gerade glücklich, hat sich aber nur wenig Gedanken darüber gemacht, wie sie dieses kreative Potenzial nutzen kann. Die PKW-Hersteller scheinen mit ihrer Unterstützung von Carsharing-Services schon einen Schritt weiter zu sein.

Veränderte Wertvorstellungen: Flexibilität für junge Menschen wichtiger als Besitz

Egal, ob daran nun das Internet mitbeteiligt ist oder nicht: Die Wertvorstellungen der heutigen Generation der 15- bis 35-Jährigen unterscheiden sich zum Teil diametral von denen ihrer Eltern, die während der Wirtschaftswunderzeit geboren wurden. Die "Babyboomer"-Generation wurde zum Konsum erzogen - dabei mitgeholfen haben immer kürzere Produktlaufzeiten (besonders bei Elektronik-Artikeln) und der unausgesprochene Hintergedanke, damit den eigenen Wirtschaftsstandort zumindest teilweise zu unterstützen. Das Ergebnis ist, dass viele Verbraucher ein vollständiges "Arsenal" an Produkten zuhause haben, aus dem sie einzelne Geräte mitunter nur alle paar Monate einmal nutzen. Als Klassiker wird gerne die Bohrmaschine genannt, die in vielen Haushalten während ihrer Nutzungszeit durchschnittlich nur 13 Minuten läuft, doch auch die Ski-Ausrüstung gehört dazu.

"Postmaterialistische Werte" und "kollaborativen Konsum" nennen die Konsumforscher die veränderten Konsumgewohnheiten. Wer - wie junge Menschen während ihrer Ausbildungszeit - oft umzieht, kennt den Vorteil eines kleinen, flexiblen Hausstandes. Auch aus dieser Warte ist es sinnvoll, sich nicht mit Geräten zu belasten, die nur selten genutzt werden. Gleichzeitig ist die genannte Altersgruppe übers Internet so gut vernetzt, dass es mit relativ geringem Aufwand möglich ist, eine Internet-Sharing-Plattform zu etablieren oder einer solchen beizutreten.

Ausblick und Probleme: Wie verändert Shareconomy unser Leben?

Eine Anwendung bei der kommerziell mittlerweile erfolgreichen Shareconomy besteht darin, dass im Multimedia-Bereich nicht nur physische Ton- und Bildträger, sondern auch (DRM-"verseuchte") Musik-Dateidownloads an Bedeutung verlieren werden zugunsten von Streaming-Diensten. Die ersten erfolgreichen Anbieter heißen also beispielsweise simfy oder spotify.

Ein nächster Schritt in der "Wertschöpfungskette" könnte sein, dass Firmen endlich das bereits auf unzähligen Plattformen vorhandene Anwender-Feedback (auch in Form von Bewertungen) für die Weiterentwicklung ihrer Dienste und Services nutzen. Crowdfunding kann vermehrt dazu dienen, ungewöhnliche Geschäftsmodelle und Produktideen ohne etablierte Finanzierungsmodelle zu verwirklichen.

Der nächste Bereich, in dem Wissen, Prozesse, Werkzuge und Produkte vermehrt geteilt werden, wird die Wirtschaft selbst sein. Insbesondere junge Unternehmen verfügen oft gar nicht über die finanziellen Ressourcen, Produktionsstätten oder Maschinenparks selbst zu erwerben - eine gemeinsame Nutzung bietet sich an. Cloud-Computing, zu dem ja nicht nur die Datenablage im Netz, sondern auch gemeinsam genutzte Software gehört, ist dabei nur der Anfang.

Doch die Entwicklung birgt auch Herausforderungen und Probleme: Unsere westlichen Wirtschaftssysteme sind nach wie vor auf Konsum und Wachstum ausgerichtet, die sozialen Systeme sind darin untrennbar eingebunden. Und jedes neue Netzportal, bei dem ich mich anmelden muss, birgt die Gefahr eines laschen oder schlampigen Datenschutzes, insbesondere dann, wenn es sich um Plattformen mit Sitz im Ausland handelt. Viele Nutzer nehmen dies aber gerne in Kauf, vor allem weil - gerade bei Nachbarschafts-Communities - immer auch die Möglichkeit besteht, interessante Menschen kennen zu lernen. Und soziale Kontakte sind ohnehin nicht mit Geld aufzuwiegen.

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