Editorial: Laptop-Ladepower fürs Handy
Die Akkus werden immer wichtiger: Hier ein umweltfreundlicher Folienakku der Firma Solid Energy (Itzehoe)
Foto: Picture Alliance / dpa
Die technischen Daten von Smartphones gleichen sich immer mehr denen
von Laptops an: Mit acht Kernen, Taktraten
von über 2 GHz, 8 GB RAM und 512 GB Flashspeicher
übertrifft ein High-End-Smartphone wie das
Samsung Galaxy S10+
sogar die meisten Einsteiger-Laptops. Denn irgendwo muss der Hersteller
bei Laptops unter 500 Euro ja sparen und so findet man bei diesen
dann Zweikernprozessoren, 4 GB RAM und/oder SSDs mit nur 256 oder
gar 128 GB Speicher. Auch bei der Bildschirmauflösung (Full HD Plus)
haben die Smartphone-Boliden inzwischen das Gros der Laptops hinter sich
gelassen. Die Auflösung erreicht selbst bei den besseren tragbaren
Computern meist nur Full HD, bei den günstigen Einsteiger-Geräten ist gar
HD ready mit 1366 x 768 Pixeln immer noch der Standard.
Hochauflösende Retina-Displays sind bei Laptops weiterhin eine Seltenheit,
bei Smartphones hingegen zunehmend auch in der Mittelklasse zu finden.
Nun bläst Vivo zum Angriff auf eine der nächsten Laptop-Bastionen: die Leistung des Netzteils. Bisher war diese bei Laptops mit typisch 65 Watt deutlich höher als bei Smartphones mit typisch 10 bis 20 Watt. Zwar gibt es bereits erste 40-Watt-Netzteile für Smartphones, doch Vivo will nun gleich den Sprung auf 120 Watt gehen. Mit dieser Leistung soll via "Flash Charge" ein Akku mit Standard-Größe (4000 mAh) binnen 13 Minuten komplett befüllt werden. Da die Akkuladung zum Ende hin langsamer verläuft, sollte eine Minute ausreichen, um die ersten 10 Prozent des Akkus zu laden. Da letzteres einer Nutzungszeit von typischerweise einer Stunde entspricht, reicht also künftig eine Minute am Netzteil aus, um eine Stunde Nutzungszeit zu gewinnen. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass Smartphone-Akkus sich bald so schnell "auftanken" lassen?
Die Akkus werden immer wichtiger: Hier ein umweltfreundlicher Folienakku der Firma Solid Energy (Itzehoe)
Foto: Picture Alliance / dpa
Damit sich weder Netzteil noch Smartphone bei dieser Superschnellladung
unangenehm aufheizen, muss der Gesamtwirkungsgrad bei ca. 95 Prozent
liegen. Dann bleibt die Verlustleistung mit 6 Watt noch im Rahmen.
Möglich wird das insbesondere durch verbesserte Akku-Chemie und
neue Stromwandler mit Transistoren auf GaN-Basis, übrigens demselben
Material, das in blauen und weißen LEDs den Strom in Licht umwandelt.
Schnellladefähige Akkus haben zudem meist die angenehme Eigenschaft,
zyklenfester als Standard-Akkus zu sein.
Dennoch: Besonders lange wird der Akku vor allem dann halten, wenn man ihm die
120-Watt-Strominfusion nicht allzu oft gibt, und man ihn immer dann,
wenn man ausreichend Zeit hat, gemütlich mit einem normalen
10- oder 20-Watt-Netzteil lädt.
Die schnelle Ladung mit Quick oder gar Flash Charge wäre auch ganz unnötig, wenn Handy-Akkus endlich genug Kapazität hätten, um einen ganzen Tag durchzustehen. Doch die nächste Akku-Generation mit deutlich gesteigerten Kapazitäten lässt weiterhin auf sich warten. Bis diese auf den Markt kommt, verringert Flash Charge immerhin die lästigen Wartezeiten beim Nachladen.