Sipgate-Gründer Tim Mois: 2020 wird das Jahr der eSIM
Tim Mois, Gründer des VoIP-Spezialisten sipgate in Düsseldorf, sieht 2020 als Jahr der eSIM
Foto: Sipgate
Die eSIM, die elektronische SIM-Karte, die ohne Plastik-Chip auskommt, den man erst umständlich in sein eigenes Telefon "hineinfummeln" muss, ist ein Stück Software, das man beispielsweise über einen QR-Code auf sein Smartphone bringt.
Viele (im Moment noch hochpreisige) eSIM-fähige Modelle haben parallel dazu noch einen klassischen SIM-Karten-Slot, weil noch lange nicht alle Anbieter die eSIM für ihre Kunden anbieten können oder wollen. eSIM verstärke den Trend zu Dual-SIM auf das Smartphone.
Tim Mois, Gründer des Unternehmens Sipgate in Düsseldorf, findet, dass das Jahr 2020 das Jahr der eSIM werden wird.
Kleine Revolution?
Tim Mois, Gründer des VoIP-Spezialisten sipgate in Düsseldorf, sieht 2020 als Jahr der eSIM
Foto: Sipgate
"Dual-SIM ist revolutionärer, als es zunächst aussieht", ist sich Mois sicher. "Wo bislang das Gesetz 'ein Handy, ein Anbieter' galt, lassen sich damit zwei Tarife parallel nutzen. Immer zwei separate Nummern und wenn man will sogar zwei verschiedene Netze."
Daraus ergeben sich doppelte Möglichkeiten ohne zweites Smartphone. "Der Mobilfunk wird flexibler und eine zuletzt kaum noch innovative wirkende Branche gerät wieder in Bewegung", begründet Sipgate-Gründer Tim Mois seine Auffassung im Gespräch mit teltarif.de.
"Alle hochwertigen Smartphones der vergangenen beiden Generationen von Apple – ab iPhone XR – und von Google – ab Pixel 3 – unterstützen die eSIM. Jetzt hat auch Samsungs neues Flaggschiff das Modell Galaxy S20 in allen drei Varianten eine eSIM on board."
Sind über 6 Millionen eSIM-Nutzer möglich?
Dadurch können statistisch gesehen schon über sechs Millionen Menschen die eSIM nutzen, rechnet Mois vor. Und es geht weiter: Mit dem Motorola Razr 2019 ging das erste Smartphone an den Start, dass schon gar keinen klassischen SIM-Karten-Slot mehr hat. Die "echte eSIM", zählt Mois die Vorteile auf, "ist in Sekunden aktiviert." Zumindest bei seinem Unternehmen Sipgate, das konsequent auf digitale Prozesse setzt.
Konventionelle Anbieter wie Telekom, Vodafone oder Telefónica verschicken teilweise noch die wichtigen Freischalte-Codes per klassischer Briefpost. Offiziell aus Sicherheitsgründen, damit klar sei, wer die SIM-Karte bekommt. Sipgate identifiziert seine Kunden über ein Video-Identverfahren, das die Vorgaben des Gesetzgebers erfüllt.
Die eSIM macht Mobilfunk flexibler, günstiger und kann durch die Auswahlmöglichkeit zwischen zwei Netzbetreibern für besseren Empfang sorgen. Zur Aktivierung wird dem Nutzer im Kundenportal ein QR-Code angezeigt, der nach dem Abfotografieren das eSIM-Profil über das Internet (etwa per WLAN/WiFi) auf dem Gerät aktiviert. Mois dazu: "Durch diesen konsequenten Online-Fokus ist die eSIM jederzeit bestens auf die eigenen Anforderungen eingestellt. Das ist für uns echtes eSIM."
Wer ist Sipgate?
Das Unternehmen Sipgate ist bekanntermaßen seit vielen Jahren im Geschäft mit virtuellen Cloud-Telefonanlagen über das VoIP-Protokoll aktiv. Als erster Anbieter in Deutschland konnte Sipgate unter dem Begriff "Simquadrat" einen Mobilfunkanschluss mit abgehend signalisierter und erreichbarer Festnetzrufnummer (damals noch mit SIM-Karte) realisieren. Dazu hatte Sipgate ein Rahmenabkommen mit dem ehemaligen Netzbetreiber E-Plus abgeschlossen und die Vorwahl 01579 "gemietet", was inzwischen im fusionierten Netz von Telefónica/o2 realisiert wird.
Als erster Anbieter erhielt Sipgate von der Bundesnetzagentur eine eigene Vorwahl (015678) für ein virtuelles Mobilfunkprodukt, das völlig ohne SIM-Karte auskommt und auf den Namen "Satellite" getauft wurde.
Wenn ein Netzwechsel nicht in Frage kommt
Mois hat festgestellt, dass es gerade im Geschäftskundenbereich schon Mobilfunkverträge gibt, die bei Telekom oder Vodafone abgeschlossen wurden. Ein Wechsel zu Telefónica (o2) kommt für viele Kunden aus verschiedenen Gründen nicht in Frage, beispielsweise, weil es schon einen größeren langlaufenden Rahmenvertrag gibt oder weil das Thema Netzversorgung und Netzqualität bzw. die Angst vor möglichen Funklöchern eine wesentliche Rolle spielt.
Durch die eSIM kann nun die Firmen-Telefonanlage, die vielleicht schon bei Sipgate gehostet wird, leicht auf das Handy verlängert werden. Der Mitarbeiter braucht also kein eigenes Tischtelefon mehr, sondern verwendet sein Handy auch als Geschäftstelefon und kann es im Werk auch mitnehmen, wenn er beispielsweise in der Produktionshalle oder später zum Meetingraum unterwegs ist.
Genauso kann eine bessere Trennung zwischen Privat- und Geschäftsleben erreicht werden. Die eigentliche Handynummer bleibt "geheim", weil privat, die Geschäftspartner kennen nur die "Durchwahl" der Firmenanlage und nach Feierabend landen eingehende Anrufe z.B. auf einer Mailbox oder bei einem Kollegen, der vielleicht andere Arbeitszeiten hat. Bei Reisen ins Ausland kann mit der eSIM ein günstiger lokaler Anbieter gewählt werden, der SIM-Wechsel erfolgt einfach softwareseitig und kann binnen weniger Minuten vonstatten gehen.
Ergeben sich neue Geschäftsmodelle?
Durch die Schnelligkeit der eSIM könnten etablierte Geschäftsmodelle ins Rutschen geraten. Lange waren Angebote aus dem Lebensmittel-Discounter für das Handy attraktiv, aber man musste in den Markt gehen, dort eine SIM-Karte kaufen, diese umständlich registrieren und ins Handy einlegen. Künftig könnte jedes Unternehmen, das schon eine Kundenbeziehung hat, per QR-Code dem interessierten Kunden eine neue SIM-Karte mit einem "besseren" Tarif anbieten. Das könnte die Deutsche Bahn oder ein Versandhändler wie Amazon sein. "Die klassischen Discounter-Anbieter haben das Thema eSIM noch nicht auf dem Schirm", ist Mois aufgefallen.
Mois vergleicht das mit dem Wechsel von der physischen CD-Scheibe zum Musikhören mit Streaming-Angeboten wie Spotify oder anderen Anbietern. Auch die etablierten Netzbetreiber müssen aufpassen, dass sie nicht unter die Räder geraten.
Künftig nur noch ein Netzbetreiber denkbar?
Spielen wir das ganze durch: Dann wäre denkbar, dass heute noch getrennt operierende Netzbetreiber sich künftig noch mehr zusammen tun als heute und gemeinsam Netze aufbauen, wie es Vodafone und Telekom in schlecht versorgten Regionen gemeinsam planen. In letzter Konsequenz könnte am Ende (wieder) ein "Deutsches Einheitsnetz" entstehen, das dann von Service-Providern "gemietet" werden kann. Der Kunde wüsste gar nicht mehr genau, welcher Anbieter den Sendeturm um die Ecke betreibt, Hauptsache er hat überhaupt Netz.
Wer technologisch auf Höhe der Zeit sein möchte, sollte beim Kauf des nächsten Smartphones das Thema eSIM im Auge behalten.