Glasfaser für Insulaner

St. Helena: 2000 Kilometer Glasfaser für eine Insel

Ein Deutscher hat eine Initiative gegründet, um die Napoleon-Insel St. Helena mittels Glasfaser mit dem Rest der Welt zu verbinden. Die Insel könnte damit als Standort für Satellitengateways interessant werden.
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Die Insel St. Helena ist ein Naturparadies Die Insel St. Helena ist ein Naturparadies, deutlich ist die Landebahn des 300 Millionen Euro teuren Flughafens zu erkennen.
Bild: earthstation.sh
Die Insel St. Helena kennen wir aus dem Geschichtsunterricht: Eine absolut einsame Insel, welche zur britischen Krone gehört. Sie liegt rund 2000 Kilometer westlich von Angola (Afrika) und 3500 Kilometer östlich von Brasilien (Südamerika) mitten im Südatlantik. Bis 2017 kam man nur per britischem Postschiff dorthin.

Weil diese Insel so einsam liegt, wurde sie als Verbannungsort für den französischen Kaiser Napoleon Bonaparte ausgewählt, der dort 1821 starb. Bevor bald darauf der Suezkanal eröffnet wurde, hatte die Insel noch eine gewisse maritime Bedeutung, danach geriet sie fast gänzlich in Vergessenheit. Die Bevölkerung ist komplett auf finanzielle Hilfe aus London angewiesen, was etwa 32 Millionen Euro pro Jahr kostet, denn eigene Einnahmen haben die Insulaner quasi nicht. Die Insel St. Helena ist ein Naturparadies Die Insel St. Helena ist ein Naturparadies, deutlich ist die Landebahn des 300 Millionen Euro teuren Flughafens zu erkennen.
Bild: earthstation.sh

4800 Insulaner hoffen auf eine bessere Zukunft

Etwa 4800 Menschen leben auf der Insel. Durch Initiative eines Deutschen könnten sie jetzt möglicherweise bald einen Glasfaseranschluss bekommen. Die Ansiedlung von Satelliten-Bodenstationen und der Ausbau als internationalen Internetknoten auf der Insel würden dies möglich machen.

Aktuell ist der Internetzugang auf St. Helena recht teuer, im Volumen begrenzt und vor allem langsam. Zwar gibt es vor Ort ADSL-Anschlüsse mit bis zu 2 MBit/s im Download (ab etwa 90 Euro monatlich). Doch diese 2 MBit/s werden in der Realität kaum erreicht, weil die aktuelle Satellitenanbindung mit insgesamt etwa 50 MBit/s für die gesamte Insel nicht mehr hergibt.

Viele Schulkinder kommen total übermüdet zum Unterricht. Sie bleiben regelmäßig nachts wach, um für ihre Hausaufgaben zu recherchieren. Der Grund: Der einzige Internetanbieter der Insel bietet nämlich nur von Mitternacht bis morgens 6 Uhr eine unbegrenzte Volumenflatrate an. Aktuelle Internet-Tarife auf St. Helena Aktuelle Internet-Tarife auf St. Helena
Bild: Sure South Atlantic Ltd

Teurer Flughafen

Um die Isolation zu beenden und Tourismus auf die Insel zu bringen, wurde 2017 ein rund 300 Millionen Euro teurer Flughafen auf St. Helena (Code: HLE) eröffnet. Bis dahin war die Insel nur mit dem letzten britischen Postschiff, der RMS St. Helena, zu erreichen, die alle drei Wochen von Kapstadt nach St. Helena dampfte, einfache Fahrtdauer 5 Tage. Das letzte Postschiff legte in diesen Tagen für immer ab. Künftig soll nur noch alle fünf bis sechs Wochen ein neues Frachtschiff fahren, einmal die Woche startet und landet ein Flugzeug aus Südafrika.

Ein Kabel, das zunächst vorbei führt?

Etwa zeitgleich mit der Ankündigung des Flughafenbaus im Jahre 2011 stellte ein südafrikanisches Unternehmen seine Pläne für ein South Atlantic Express Cable (SAEx) vor. Ein Unterseekabel von Kapstadt (Südafrika) quer über den Südatlantik, mit einer Abzweigung nach Luanda (Angola) und danach weiter nach Nord-Brasilien und zur US-Ostküste. Die Abzweigung nach Luanda wurde später wieder aufgegeben (die Angolaner legen sich ein eigenes Kabel), das südafrikanische Kabel sollte nun direkt nach Brasilien verlaufen. Der geplante Verlauf des Unterseekabels Der geplante Verlauf des Unterseekabels
Bild: earthstation.sh

Schützenhilfe aus Deutschland

Christian von der Ropp, Telekommunikationsberater aus Tübingen, erläutert im Gespräch mit teltarif.de die Problematik: "Satellitenbandbreite, insbesondere mitten im Ozean, ist bis heute beschränkt, teuer und leidet unter hohen Signallaufzeiten (Pings)." Ropp wurde durch den Aufenthalt eines Freundes auf der Insel auf die Probleme aufmerksam und erkannte 2011 die Chance, die Insel St. Helena an das geplante SAEx-Überseekabel über eine weitere Abzweigung anzuschließen oder direkt über die Insel zu leiten.

"Breitbandinternet bringt zahllose Chancen für die nachhaltige Entwicklung einer derart isolierten Gemeinschaft. E-Learning erweitert Bildungswege, daraus ergeben sich neue Beschäftigungschancen. Telemedizin erlaubt Fernkonsultation, wenn beispielsweise ein Spezialist benötigt wird. Vor allem aber ist breitbandiger Internetzugang heutzutage unerlässlich für den Tourismus, den die britische Regierung durch den Bau des Flughafens für 300 Millionen Euro schon gefördert hat."

Von der Ropp schlug vor, das geplante Afrika-Brasilien-Übersee-Kabel um eine Abzweigung zur Insel St. Helena zu ergänzen. An der Abzweigstelle ("Branch Box") würde eine "Wellenlänge" ausgekoppelt und über eine etwa 50 Kilometer lange Stichleitung zur Insel geführt. Das hatten vorher weder die Inselregierung noch die südafrikanische Kabelfirma ernsthaft in Erwägung gezogen. Ropp gründete die Initiative Connect St. Helena [Link entfernt] und bemühte sich um finanzielle Unterstützung aus Großbritannien. Initiator Christian von der Ropp zu Besuch bei Lord Balfe Initiator Christian von der Ropp zu Besuch bei Lord Balfe (Mitglied es britischen Oberhauses und langjähriger Europaabgeordneter) in London.
Bild: earthstation.sh

Kabel für London zu teuer?

Schnell wurde die britische Öffentlichkeit auf die Kampagne aufmerksam. Seit März 2012 stellten mehrere britische Abgeordnete wiederholt parlamentarische Anfragen. Die britische Regierung bekräftigte immer wieder „die Notwendigkeit besserer Konnektivität St. Helenas“ und versprach eine Kosten-Nutzen-Analyse. Der Initiator schätzte die Kosten im niedrigen zweistelligen Millionenbereich für rund 50 Kilometer mehr plus Kabelanlandestation ("Cable Landing Station") mit Ausrüstung für DWDM (Dense Wavelength Division Multiplexing) und für die von der Insel zu buchende Kapazität auf dem insgesamt 13 000 Kilometer langen Fernkabel von Südafrika bis in die USA.

DWDM erlaubt Bandbreiten im Terabit-pro-Sekunde-Bereich. Da die kleinste verfügbare Bandbreite des SAEx-Kabels aufgrund der eingesetzten DWDM-Technologie bei 200 GBit/s liegt, muss St. Helena weitaus mehr Kapazität erwerben, als die 4800 Einwohner im nächsten Jahrzehnt jemals selbst verbrauchen dürften. Entsprechend hoch fallen daher die Kosten für ein IRU ("Indefeasible Right of Use"), also das Recht auf die Mitbenutzung des Kabels für seine 20-jährige Lebensdauer, aus.

Nachdem im Sommer 2015 konkrete Kostenvoranschläge für den Internetanschluss von St. Helena vorlagen, zeigte sich London reserviert, da die Regierung wegen des teuren von Scherwinden geplagten Inselflughafens schon stark in die Kritik geraten war. Doch von der Ropp gab nicht auf und suchte nach Möglichkeiten, wie der zukünftige Internetkapazitätsüberschuss auf St. Helena sinnvoll vermarktet werden könnte.

Satelliten Bodenstationen auf St. Helena?

Als Vorbild diente die norwegische Inselgruppe Spitzbergen im arktischen Ozean, die 2004 durch einen 2700 Kilometer langen Unterseekabelring mit dem Festland verbunden worden war. Die Kosten von rund 30 Millionen Euro waren damals hauptsächlich von den Betreibern einer Satelliten-Bodenstation namens „Svalsat“ bezahlt worden. Die Nähe Spitzbergens zum Nordpol erlaubt Funkkommunikation mit erdnahen Satelliten im polaren Orbit und ist daher von besonderer Bedeutung. "Erdbeobachtungssatelliten in wenigen hundert Kilometer Höhe sammeln bei jeder Erdumrundung teilweise über 100 GB Daten, die nur bei Sichtkontakt mit einer Bodenstation auf die Erde übertragen werden können. Von diesen Bodenstationen müssen die Daten anschließend - möglichst in Echtzeit - per Glasfaser abgeführt werden."

Von der Ropp sprach zahlreiche Satelliten- und Bodenstationsbetreiber an und konnte bislang vierzehn Privatunternehmen finden, die Antennenanlagen auf St. Helena errichten und dafür Kapazität auf dem Unterseekabel anmieten möchten.

Der Boom in der privaten Raumfahrtbranche (sog. "New Space") und Pläne für zahlreiche neue Satellitenkonstellationen im erdnahen Orbit haben einen hohen Bandbreitenbedarf der potenziellen Bodenstationsbetreiber ausgelöst. Dieser wird weit über dem Bedarf der Inselbevölkerung liegen. Nicht nur das: Die Vermietung der überschüssigen Kapazität könnte nicht nur die Betriebskosten des Kabels langfristig decken, sondern den privaten Internetzugang auf der Insel deutlich günstiger machen und nebenbei Arbeitsplätze bei Bau und Betrieb der Bodenstationen auf der Insel schaffen. Die Insel liegt für erdumkreisende Satelliten nahezu ideal Die Insel liegt für erdumkreisende Satelliten nahezu ideal
Bild: earthstation.sh

Die EU springt ein

Trotz Interesse der Satellitenbranche und den Bemühungen britischer Abgeordneter lehnte London die Finanzierung des Kabelprojekts weiter ab. Im Oktober 2017 signalisierte die EU-Kommission ihre Bereitschaft, das Kabelprojekt mit Mitteln des 11. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) zu fördern, woraufhin die Inselregierung erste Vorverträge mit dem Kabelbetreiber South Atlantic Express Cable unterzeichnen konnte.

Nun wartet St. Helena auf die endgültige Entscheidung der EU-Kommission in den kommenden Tagen und auf den finalen Startschuss, damit das South Atlantic Express Cable nach über sechs Jahren Planung auch tatsächlich gelegt wird. Ein eigenes Kabel nur von St. Helena nach Afrika oder Brasilien mit tausenden Kilometern Länge ohne Mitnutzung einer bereits vorhandenen transatlantischen Verbindung wäre nicht finanzierbar.

St. Helena startet eigene Webseite

Seit wenigen Tagen hat die Regierung von St. Helena unter earthstation.sh (.sh für St. Helena) eine eigene Website gestartet, um öffentlichkeitswirksam als Standort für Bodenstationen zu werben.

"Mittelfristig könnte der Standort St. Helena für laser-basierte Satellitenkommunikation genutzt werden, wofür eine entsprechende Bodenstation mit mindestens 100 GBit/s Bandbreite angebunden werden müsste. Auch dafür gibt es bereits Interesse", berichtet von der Ropp.

Künftiger Internetknotenpunkt St. Helena?

So könnte St. Helena - analog zu Guam, Hawaii oder Zypern - zu einem weltweiten Knotenpunkt für Unterseekabel werden. Durch den extremen Bandbreitenbedarf der Satellitenbetreiber und die Möglichkeit der Vernetzung mit dem afrikanischen SAEx-Kabel besäßen künftige Unterseekabelprojekte im Südatlantik großen Anreiz, ebenfalls auf St. Helena anzulanden.

Unter der jungen Bevölkerung der Insel, die häufig nach dem Schulabschluss auf das Festland abwandert, ist die Hoffnung auf neue Perspektiven durch das Kabel groß. Einige glauben, dass das Kabel mehr Chancen bringen wird als der neue Flughafen. Die Inselregierung möchte das Bildungswesen entsprechend ausrichten und die Bevölkerung auf das kommende Breitbandzeitalter vorbereiten.

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