Steuerungerechtigkeit

EU: Brüssel will härtere Steuerregeln für Internet-Riesen

Digitalfirmen zahlen nach Angaben der EU-Kommission im Schnitt deutlich weniger Steuern als herkömmliche Industriebetriebe. Die Brüsseler Behörde will nun die Daumenschrauben anziehen. Doch es gibt große Fragezeichen.
Von dpa / Dominik Haag

Euro Brüssel will mehr Steuern von den Internet-Giganten.
dpa
Internetkonzerne wie Google und Facebook sollen nach dem Willen der EU-Kommission in Zukunft deutlich mehr Steuern in Europa zahlen. Künftig sollen Abgaben in erster Linie dort fällig werden, wo die Nutzer sitzen und wo Online-Erträge entstehen, teilte die Brüsseler Behörde heute mit. Die EU-Staaten müssten den Vorstößen aber noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können.

Die EU-Kommission und auch eine Reihe von EU-Staaten stoßen sich seit geraumer Zeit daran, dass Digitalkonzerne wie Google und Facebook in Europa erhebliche Umsätze und Gewinne verbuchen, aber nur wenig Steuern zahlen, da sie in den meisten Ländern keine versteuerbaren Firmensitze haben. Zudem bündeln sie ihre Aktivitäten in Ländern mit niedrigen Steuersätzen. Facebook hat sein internationales Hauptquartier etwa in Irland, ebenso Apple. Das kalifornische Unternehmen musste bereits 2015 hunderte Millionen Steuern nachzahlen.

Abgaben dort wo die Nutzer sitzen, nicht das Unternehmen

Euro Brüssel will mehr Steuern von den Internet-Giganten.
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Die Brüsseler Behörde fordert nun zum einen neue Körperschaftssteuer-Regeln in Europa. Damit soll es EU-Staaten möglich werden, Gewinne, die bei ihnen erwirtschaftet werden, auch ohne physische Präsenz eines Unternehmens zu besteuern. Im Steuersystem sollen dazu "digitale Betriebsstätten" eingeführt werden. Sobald eine Firma in einem Land etwa mehr als 100 000 Online-Nutzer verzeichnet oder in einem Jahr mehr als sieben Millionen Euro erwirtschaftet, gilt sie als digital präsent und müsste eine Steuererklärung abgeben.

Eine Reihe von Ländern - darunter Deutschland und Frankreich - hatten von Brüssel jedoch noch andere Maßnahmen gefordert. Kurzfristig sollen daher für Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro innerhalb der EU drei Prozent Ertragssteuer fällig werden. Auf dem G20-Gipfel der Finanzminister und Notenbankchefs machte sich Vize-Kanzler Olaf Scholz für höhere Abgaben stark.

Die Abgabe soll ebenfalls in dem Land erfolgen, in dem die Nutzer sitzen. Damit sollen unter anderem die Erträge aus dem Verkauf personalisierter Werbeflächen sowie aus dem Verkauf von Nutzerdaten erfasst werden. Schätzungen zufolge könnten damit fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr in die öffentlichen Kassen in Europa fließen.

Lediglich 9 Prozent Steuern für Digitalunternehmen

"Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu besteuern, wenn diese hier nur eine geringe oder keine physische Präsenz aufweisen", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Im Schnitt zahlen klassische Industriebetriebe demnach etwa 23 Prozent Steuern, bei Digitalunternehmen sind es lediglich neun Prozent.

Das Bundesfinanzministerium begrüßte die Vorschläge, wie ein Sprecher in Berlin sagte. "Gleichzeitig verfolgen wir weiter eine breite internationale Abstimmung." Auf G20-Ebene der wichtigsten Wirtschaftsmächte gab es bislang keinen Konsens, vor allem aus den USA gibt es Widerstand. "Deswegen müssen wir auf EU-Ebene vorankommen." Dies gilt allerdings als fraglich. Die EU-Steuerpolitik ist ein Minenfeld, da alle Staaten zustimmen müssen.

Auch im Europaparlament wurden die Ideen positiv aufgenommen. "Wir brauchen ein Unternehmenssteuerrecht, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird", sagte der CSU-Finanzexperte Markus Ferber. "Kein Steuerfreifahrtschein mehr für Google, Facebook und Co", meinte der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon.

Weitere Spannungen mit den Amerikanern zu erwarten

Problematisch dürfte dieser Schritt allerdings für das amerikanische Verhältnis werden. US-Firmen wie Apple haben sich in der Vergangenheit bereits über vermeintlich unfaires Vorgehen der EU-Kommission beschwert. Die Brüsseler Behörde führt nämlich neben den Legislativvorstößen eine Reihe von wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen Firmen aus dem Silicon Valley. Der iPhone-Hersteller Apple wurde etwa dazu verdonnert, mehr als 13 Milliarden Euro an Steuern wegen unerlaubter Staatsbeihilfen an Irland zurückzuzahlen. Zuletzt stand der US-Konzern Amazon in Luxemburg im Fokus. Kritiker führen an, dass Europa damit seiner hinterherhinkenden Digitalindustrie Rückenwind verleihen wolle.

US-Präsident Donald Trump droht wegen vermeintlich unfairer EU-Zollregelungen bereits mit einem Handelskrieg. Im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums mehren sich nach einem Bericht des Spiegel-Magazins daher die Warnungen, dass das Vorhaben als protektionistischer Akt aufgefasst werden könne.

Mehr Schaden als Nutzen?

Die Maßnahme laufe auf eine Zusatzsteuer für ein halbes Dutzend amerikanischer Firmen hinaus und richte mehr Schaden an, als sie nutze. Eine Revanche für Trumps Steuern sind die Digitalsteuern aber nicht - die Vorbereitungen für den Vorstoß laufen bereits seit Monaten. Das Timing nun sei allerdings "nicht ideal", heißt es in Brüssel.

"Die Sondersteuer auf Umsätze der Digitalkonzerne ist keine Dauerlösung. Findige Steuerberater werden die schwierige Abgrenzung digitaler Umsätze von sonstigen Einnahmen ausnutzen und virtuelle Geschäfte außerhalb der Europäischen Union abwickeln. Um Steuerumgehung wirksam zu unterbinden, müssen wir den Begriff der steuerlichen Betriebsstätte an das digitale Zeitalter anpassen", sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.

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