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Digitalisierung: Netflix, Youtube & Co als Klimakiller?

Die Grünen fordern neue Vorgaben und Konzepte gegen die Umwelt­probleme der Digi­tali­sierung. Dabei verweisen sie auf den hohen Strom­verbrauch beim Streamen von Videos und den Rohstoff­bedarf von Handys und Compu­tern.
Von dpa /

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Screenshot: Netflix
Wer zehn Minuten lang über die Cloud ein Video in HD anschaut, verbraucht dabei so viel Strom wie ein elek­trischer Back­ofen, der fünf Minuten mit 2000 Watt auf voller Stufe im Heiz­betrieb läuft. Eine Google-Such­anfrage löst einen Strom­bedarf von 0,3 Watt­stunden aus. Bei 40 000 Such­anfragen welt­weit pro Sekunde kommen da riesige Summen zusammen. Das sind nur zwei Beispiele von vielen aus einer aktu­ellen Studie der fran­zösi­schen Denk­fabrik "The Shift Project" mit der These, dass die umwelt­poli­tischen Folgen der digi­talen Wirt­schaft konstant unter­schätzt werden.

Strea­ming­dienste: Welt­weit höherer Strom­verbrauch als Privat­haus­halte in Deutsch­land, Italien und Polen zusammen

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Screenshot: Netflix
In der deut­schen Politik sind die Zahlen zum ökolo­gischen Fußab­druck der vermeint­lich sauberen Digi­talbranche ange­kommen. Zumin­dest bei den Grünen. Sie fordern neue Vorgaben und Konzepte gegen die Umwelt­probleme der Digi­tali­sierung. Dabei verweisen sie auf den hohen Strom­verbrauch beim Streamen von Videos und den Rohstoff­bedarf von Handys und Compu­tern. Digi­tali­sierung könne beim Klima- und Umwelt­schutz helfen, heißt es in einem Antrag der Grünen im Bundestag. Ohne ökolo­gische Leit­planken könne sie aber Ressour­cenver­brauch und Treib­hausgas-Emis­sionen fort­setzen oder beschleu­nigen und zu immer mehr Elek­troschrott führen, warnen sie.

Die Grünen beziehen sich bei Ihren Forde­rungen auf Zahlen des Strom­versor­gers EON. Danach werden alleine durch die Strea­ming-Platt­formen wie Youtube und Netflix, aber auch durch Video­konfe­renzen mit Skype und anderen Diensten welt­weit inzwi­schen rund 200 Milli­arden Kilo­watt­stunden Strom pro Jahr verbraucht. In den kommenden Jahren dürfte diese Menge spürbar steigen, auch weil immer mehr Smart­phones verkauft und fürs Strea­ming genutzt werden. Schon im vergan­genen Jahr hätten die Strea­ming-Platt­formen unge­fähr so viel Strom verbraucht wie alle Privat­haus­halte in Deutsch­land, Italien und Polen zusammen. "Die Digi­tali­sierung braucht drin­gend einen ökolo­gischen Ordnungs­rahmen, sonst wird sie zum Klima­killer statt zum Klima­retter", sagte Dieter Janecek, Grünen-Experte für digi­tale Wirt­schaft, der dpa. Die vielen mögli­chen posi­tiven Effekte würden nur reali­siert, «wenn wir die Digi­tali­sierung konse­quent in den Dienst der Nach­haltig­keit stellen".

Youtube hat auf nach­haltige Ener­giever­sorgung umge­stellt

Mit der Forde­rung, die Rechen­zentren mit erneu­erbaren Ener­gien zu betreiben, laufen Janecek und seine Kollegen bei den Strea­ming-Platt­formen offene Türen ein. So hat Youtube bereits vor zwei Jahren komplett auf eine nach­haltige Ener­giever­sorgung umge­stellt. Auch Apple und Micro­soft erhalten hier von der Umwelt­schutz­orga­nisa­tion Green­peace Best­noten. Und selbst Amazon, vor Jahren von Green­peace noch wegen eines hohen Anteils von Atom- und Kohle­strom gescholten, hat bei seinem Cloud­dienst AWS inzwi­schen mehr als die Hälfte der Rechen­zentren auf erneu­erbare Energie umge­stellt.

Weniger Rück­sicht auf die Umwelt und das Klima nehmen dagegen bisher asia­tische Cloud­dienste wie Alibaba, Baidu oder Tencent, die ihren Strom vor allem aus Kohle­kraft­werken beziehen. Aber diese Dienste spielen hier­zulande noch eine unter­geord­nete Rolle.

Die Grünen fokus­sieren sich aber auch nicht alleine auf die Versor­gung mit Öko-Strom, sondern inter­essieren sich auch für die Frage, was mit der Energie letzt­lich passiert. Die Computer in den Rechen­zentren produ­zieren Wärme, die bislang häufig unge­nutzt in die Umwelt abge­leitet wird. In dem Bundes­tags­antrag setzt sich die Frak­tion dafür ein, die Abwärme für effi­ziente Wasser-Kühlungs­systeme zu nutzen - für neue Einrich­tungen soll die Wärme­nutzung vorge­schrieben werden.

Wieder­verwer­tung von Elektro-Altge­räten

Auch bei den Endge­räten sehen die Grünen Hand­lungs­bedarf: Rohstoffe aus Elek­troge­räten müssten verstärkt zurück­gewonnen und wieder­verwertet werden. Auf EU-Ebene wollen die Grünen verbind­liche Stan­dards für "Ener­gieef­fizienz, Ressour­cenein­sparungen, Recy­cling­fähig­keit und Repa­rier­barkeit von IT-Geräten".

Andere Forde­rungen betreffen aber nicht nur die Umwelt­politik der Unter­nehmen, sondern auch das Verhalten der Anwender. Für viele Youtube-Nutzer ist der Strea­ming­dienst nämlich eine Art Radio, das den ganzen Tag lang spielt, weil die Auto­play-Funk­tion des Dienstes dafür sorgt, dass ein Musik­video nach dem anderen gestartet wird. Die Grünen wollen neue Effi­zienz­stan­dards, damit etwa Videos in den Stan­dard­einstel­lungen nicht auto­matisch abge­spielt werden. Außerdem sollen die Nutzer auswählen können, nur den Ton zu hören. Hier können die Anwender auch eine Menge tun, ohne dass eine staat­liche Regu­lierung einsetzt. Der Auto­play-Modus von Youtube ist nämlich abstellbar.

Grüne Alter­native klas­sischer Rund­funk

teltarif.de propa­giert neben seinem Fokus auf mobile Kommu­nika­tion und Strea­ming auch weiter die klas­sischen umwelt­freund­licheren Rund­funk­tech­nolo­gien über Satellit, Kabel oder Antenne wie das Digi­talradio DAB+ oder das digital-terres­trische Anten­nenfern­sehen (DVB-T2). Viele Medi­enun­ternehmen halten diese Tech­nolo­gien inzwi­schen für verzichtbar und würden am liebsten den gesamten Medi­enkonsum über Strea­ming abwi­ckeln.

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