Test

Joyn im Test: Neuer Streaming-Dienst mit Luft nach oben

Heute fällt der offi­zielle Start­schuss für Joyn, dem neuen Strea­ming-Angebot von ProSieben. Zwar liefert der 7TV-Nach­folger schon ein ordent­liches Basis­angebot, vor dem Hinter­grund großer Ankün­digungen aus Unter­föhring hatten wir uns dann aber doch etwas mehr erhofft.
Von Björn König

Der neue Streaming-Dienst von ProSieben Joyn startet heute offiziell
ProSiebenSat.1 Group
Eigent­lich ist es kein gutes Jahr für Fans von Live-Strea­ming. Magine TV hat seinen Dienst für Privat­kunden einge­stellt und auch die Burda-Verlags­gruppe zieht bei TV Spiel­film Live zum 30. Juni den Stecker. Beide Anbieter verweisen ihre Abon­nenten auf den Markt­führer Zattoo. Einen umge­kehrten Weg geht ProSieben und relauncht seinen Strea­ming-Dienst 7TV unter dem neuen Namen "Joyn". Heute fällt der offi­zielle Start­schuss und wir hatten Gele­genheit, Joyn schon einmal vorab in der Beta-Phase auf Herz und Nieren zu testen. Unser Fazit fällt durchaus gemischt aus, aber dazu gleich mehr.

Die App

Joyn-App Joyn-App
Bild: Joyn
In den Grund­zügen hat sich zumin­dest in der Beta nicht viel am "neuen" 7TV geän­dert. Live-TV und eine inhalt­lich noch über­schau­bare Media­thek sind mit an Bord. Warum aller­dings nicht schon von Anfang an eine Chro­mecast-Unter­stüt­zung mitge­liefert wurde, entzieht sich unserer Erkenntnis. Schließ­lich dürfte gerade dies eines der promi­nentesten und wich­tigsten Features für eine Strea­ming-App sein, zumal nicht wenige Nutzer bereits einen Chro­mecast-Dongle oder einen Chro­mecast-fähigen TV im Haus haben. Auf dem von uns getes­teten Nokia 3 samt Android-Version 8.1 lief die App vergleichs­weise flüssig, Abstürze waren in unserem Test zwar nicht fest­zustellen, gleich­wohl gab es jedoch immer mal wieder Abbrüche im Live-Stream oder dieser wurde gar nicht erst gestartet.

An der Werbung wurde jeden­falls nicht wesent­lich gespart. Übli­cher­weise gibt es unab­hängig von den Spots im Live-TV mindes­tens eine Werbung, bevor man als Zuschauer die gewünschte Sendung genießen kann. Wer die App startet, darf sich gleich zu Beginn noch ein animiertes Joyn-Logo anschauen. Der Wunsch nach Eigen­werbung ist nach­voll­ziehbar, aber an sich über­flüssig. Schließ­lich nutzt der Zuschauer die App ja bereits, warum also nochmal darauf hinweisen? Das verlän­gert nur unnö­tiger­weise die Start­zeit, was insbe­sondere auf lang­sameren Android-Geräten ziem­lich nervig sein kann.

Inhalte

Joyn im Test Joyn im Test
Screenshot: teltarif.de, Quelle: joyn.de
Das Angebot ist für den Start schon mal gar nicht so schlecht. Neben US-Lizenz­ware wie "Grey's Anatomy" sowie "Lucifer" und "Gotham" gibt es wie auch schon vorher eine große Auswahl an Eigen­produk­tionen von ProSieben und Sat.1. Mit an Bord sind unter anderem Staf­feln von "Late Night Berlin", "taff" sowie dem Wissens­magazin "Galileo". Ganz neu hinzu­gekommen: Joyn-Origi­nals wie "Tech­nically Single" und "Die Läuse­mutter". Zudem gibt es in der Media­thek Beiträge von The Food Network und Motor­trend. Und in Kürze wird exklusiv bei Joyn die 3. Staffel von "Jerks" zu sehen sein.

Zu monieren ist auch hier ein ganz typi­sches Problem, welches man von anderen kosten­losen Media­theken-Apps kennt. Insbe­sondere bei den inter­essanten US-Serien gibt es leider meist wieder nur einen Vorge­schmack aus einzelnen Staf­feln. So stand beispiels­weise bei "Lucifer" ausschließ­lich die fünfte Staffel zur Verfü­gung, darin auch noch nicht einmal alle bereits ausge­strahlten Folgen. Sicher­lich sind insbe­sondere die deut­schen Eigen­produk­tionen ein klares Allein­stel­lungs­merkmal, welches es so bei Amazon, Netflix und höchst­wahr­schein­lich dem in diesem Jahr star­tenden US-Dienst Disney+ so nicht geben wird. Dennoch ist natür­lich ausge­spro­chen frag­lich, ob diese Inhalte ausrei­chen, um den US-Riesen das Wasser abzu­graben.

Maxdome fehlt

Eigent­lich hatte ProSieben-Chef Max Conze schon die Inte­gration des haus­eigenen Strea­ming-Dienstes Maxdome in die Joyn-Platt­form ange­kündigt. Doch daraus scheint im Rahmen der Beta-Phase nichts geworden zu sein, glei­ches gilt wohl für den eben­falls noch fehlenden Euro­sport-Player. Auch zum offi­ziellen Start dürfen inter­essierte Nutzer nicht damit rechnen, ihre Maxdome-App schon deinstal­lieren zu können.

Zwar sollen deren Inhalte in den kommenden Monaten nach­gelie­fert werden, warum man aller­dings den inter­essan­testen Content zum Start nicht im Programm hat, ist nur schwer nach­voll­ziehbar. Schließ­lich sind gerade die SVOD-Inhalte und nicht etwa Live-TV das zentrale Argu­ment für einen solchen Strea­ming-Dienst. Darüber tröstet auch nicht hinweg, dass zum Start die ARD-Programme sowie der neue Disco­very-Sender Home and Garden TV mit dabei sind. Die haus­eigenen Pay-TV-Sender ProSieben Fun und Kabel1 Clas­sics vermissten wir in unserem Test übri­gens wie auch die HD-Vari­anten der eigenen Sender.

Fazit

Der neue Streaming-Dienst von ProSieben Joyn startet heute offiziell
ProSiebenSat.1 Group
Vergleicht man alleine die kosten­losen Ange­bote von Zattoo und Waipu.TV mit Joyn, ist das Angebot hier im Bezug auf Inhalte und Live-Strea­ming schon ziem­lich stark über­legen. Immerhin bietet kein anderer Wett­bewerber dauer­haft kosten­losen Zugang zu einem Groß­teil der deut­schen Privat­sender, auch wenn die RTL-Gruppe hier nach wie vor fehlt. Das gab es aller­dings auch schon bei 7TV, wirk­lich viele neue Inhalte sind also abseits der Joyn-Origi­nals derzeit nicht dabei.

Ohne die Inhalte von Maxdome gibt es also nach unserer Ansicht aktuell keinen wirk­lichen Mehr­wert. Der Relaunch wirkt über­eilt und unvoll­ständig. Aber selbst wenn das Angebot in einigen Monaten komplett ist, bleibt die US-Konkur­renz mit ihren Eigen­produk­tionen eine harte Nuss. Letzt­endlich wird Joyn eher ein Produkt für Fans von deut­schen Serien sein. Und ob zum Beispiel Wieder­holungen von Galileo und taff ein probates Mittel von ProSieben im Kampf gegen Netflix und Amazon sind, darf zumin­dest stark bezwei­felt werden.

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