Analoger Dinosaurier

UKW-Radio: Fast 100 Jahre alt und kein bisschen leise

Noch immer ist die Ultra­kurz­welle - abge­kürzt UKW - der meist genutzte Verbrei­tungsweg beim Hörfunk. Auch wenn digi­tale Verfahren wie DAB+ oder Inter­netradio die analoge Technik ablösen sollen: Noch viele Jahre wird uns UKW begleiten - und ein Ende ist nicht in Sicht.
Von / Julian Ruecker

Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten
Bild: dpa
Das klas­sische Radio, mit dem wir alle aufge­wachsen sind, ist das Ultra­kurz­wellen-Radio (kurz: UKW-Radio). Obwohl die digi­talen Verfahren DAB+ und Inter­netradio inzwi­schen aufge­holt haben: Der mit Abstand wich­tigste und meist­genutzte Verbrei­tungsweg beim Radio ist immer noch der klas­sische UKW-Hörfunk.

Ende des UKW-Radios nicht in Sicht

Eigent­lich war das Ende des analogen Radios bereits beschlos­sene Sache. Bis 2010 sollte der UKW-Rund­funk zugunsten des alter­nativen Über­tra­gungs­ver­fah­rens DAB in Deutsch­land abge­stellt werden, so sah es die Politik vor. DAB konnte sich aller­dings nicht durch­setzen, daher wurden diese Pläne wieder verworfen. Mit DAB+ star­tete 2011 ein Über­tragungs­verfahren, das sich wesent­lich besser behauptet als sein Vorgänger. Doch auch dieses Verfahren und auch das Inter­netradio konnten die Domi­nanz des UKW-Hörfunks zumin­dest in Deutsch­land bislang nicht beenden.

Während in anderen Ländern wie der Schweiz der Radio­konsum heute bereits mehr­heit­lich über digi­tale Verfahren erfolgt, hat UKW in Deutsch­land noch deut­lich die Nase vorn: Laut den Ergeb­nissen der ersten Media Analyse im Jahr 2021 (ma Audio 2021) errei­chen klas­sische UKW-Radio­ange­bote pro Werktag (Montag-Freitag) 74,7 Prozent der deutsch­spra­chigen Bevöl­kerung ab 14 Jahren. Online-Audio kommt auf eine Tages­reich­weite von 11,4 Prozent (8,0 Millionen) vor DAB+ mit 9,8 Prozent (6,9 Millionen). Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten
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Unwirt­schaft­liche Frequenzen werden abge­schaltet

Inzwi­schen ist von einer UKW-Abschal­tung keine Rede mehr, viel­mehr über­lässt die Medi­enpo­litik in Deutsch­land diese Entwick­lung weit­gehend dem Markt. Die Medi­enan­stalten haben UKW-Lizenzen bereits bis in die 2030er-Jahre vergeben. Vor allem der private Hörfunk betont, dass UKW für die Rele­vanz der Gattung Radio/Audio im Werbe­markt absolut unver­zichtbar sei. Ohne die UKW-Reich­weiten wäre eine Refi­nan­zie­rung der Viel­falt von Radio und Audio über alle Verbrei­tungs­wege hinweg für die privaten Hörfunk­ver­anstalter schlicht nicht möglich.

Anders könnte es bei der ARD sein: Die Kommis­sion zur Ermitt­lung des Finanz­bedarfs der Rund­funk­anstalten (KEF) hat beschlossen die Gesamt­kosten der Ausstrah­lung von UKW und DAB+ gemeinsam zu betrachten und das Modell des Abschmel­zens der Kosten bis zur Periode 2029 bis 2032 fort­zuführen. Das bedeutet, dass die ARD sich bis dahin auf ein Verfahren fest­gelegt haben muss und dann Mittel aus dem Rund­funk­bei­trag nur noch für einen Verbrei­tungsweg - entweder UKW oder für DAB+ - erhält. Dies könnte beim öffent­lich-recht­lichen Rund­funk den UKW-Ausstieg beschleu­nigen.

Das öffent­lich-recht­liche Deutsch­land­radio, einige ARD-Anstalten, aber auch Privat­sender wie Klassik Radio haben bereits unwirt­schaft­liche UKW-Frequenzen aufge­geben.

Geschichte und Technik von UKW

Die Geschichte von UKW beginnt schon vor fast 100 Jahren: 1925 fand zwischen Jena und Kahla die erste UKW-Über­tra­gung der Welt durch Professor Abraham Esau statt.

Nach dem Zweiten Welt­krieg wurden auf der Inter­natio­nalen Rund­funk­kon­ferenz in Atlantic City die Frequenzen für euro­päi­sche Rund­funk­sender neu vergeben. Nach dem Kopen­hagener Wellen­plan erhielten die Verlierer-Staaten nur sehr wenige, ungüns­tige Frequenzen im Mittel­wel­len­bereich zuge­teilt. Daher wurde insbe­son­dere in diesen Staaten die Projek­tie­rung von Ultra­kurz­wel­len­sen­dern forciert. Der erste euro­päi­sche UKW-Sender wurde am 28. Februar 1949 in München-Frei­mann vom Baye­rischen Rund­funk (90,1 MHz) in Betrieb genommen.

Welt­weit wird UKW-Rund­funk bis auf wenige Ausnahmen im CCIR-Band im VHF-Band II zwischen 87,5 MHz und 108 MHz ausge­strahlt, wobei einige Länder nur Teil­bereiche verwenden. Als Modu­lati­onsart wird Frequenz­modu­lation (FM) benutzt. Diese ermög­licht eine weniger stör­anfäl­lige Über­tra­gung von Tonsi­gnalen, da sie im Vergleich zu der im Lang-, Mittel- und Kurz­wel­len­bereich verwen­deten Ampli­tuden­modu­lation (AM) unemp­find­licher gegen­über atmo­sphä­rischen Störungen ist.

Nach­teile von UKW

Galt UKW nach dem Zweiten Welt­krieg noch als revo­lutionär, sorgen digi­tale Verfahren heute für eine erneute Verbes­serung. DAB+ etwa ist rausch­frei und nutzt Refle­xionen etwa an Berg­ketten zur Stabi­lisie­rung des Empfangs­signals, während es bei UKW hier zu Störungen durch Mehr­wege­emp­fang kommt.

Aufgrund der hohen Band­bele­gung gibt es vieler­orts zudem Inter­ferenzen mit Gleich- oder Nach­bar­fre­quenzen, sodass außer­halb der Sicht­weite von Sende­anlagen häufig Störungen auftreten. Das UKW-Band ist zudem ausge­schöpft und bietet kaum noch neue Frequenzen für zusätz­liche Hörfunk­ange­bote. Über UKW können auch keine Bilder oder Slide­shows über­tragen werden, wie das bei DAB+ oder dem Inter­netradio der Fall ist.

Digi­tale Verbrei­tung im UKW-Band

In Nord­ame­rika wird UKW inzwi­schen nicht nur zur Über­tra­gung von analogem Hörfunk genutzt. HD Radio ist ein proprie­täres, digi­tales Radio­system, das auf der Technik IBOC (In-band-on-channel) basiert. Entwi­ckelt wurde der Stan­dard vom Unter­nehmen iBiquity, das für diesen Zweck gegründet wurde.

Ein Merkmal von HD Radio liegt darin, dass es im Gegen­satz zu DAB+ nicht nur rein digital funk­tio­niert, sondern auch als Hybrid­system gleich­zeitig mit dem analogen UKW-Rund­funk (auch der Mittel­welle) betrieben werden kann. Parallel zum analogen Programm können auf einer UKW-Frequenz bis zu vier weitere digi­tale Programme von glei­chem Sende­standort über­tragen werden.

Die großen Networks in den USA und Kanada nutzen diese Möglich­keit zur Verbrei­tung von "Beibooten" ihrer Haupt­pro­gramme, klei­nere Radio­sta­tionen vermieten die digi­talen Kanäle häufig auch an Dritt­anbieter unter. Dank HD Radio erhöht sich in einer Stadt das Angebot im UKW-Band von im Schnitt 15 auf über 50 Radio­pro­gramme über Antenne.

In Europa wurde HD Radio auch getestet, erwies sich aller­dings wegen der hohen Band­bele­gung auf UKW als Praxis-untaug­lich, da es zu Störungen von Nach­bar­kanälen im analogen Bereich kam. In Europa ist auf UKW ein Kanal­raster von 100 kHz üblich, während es in den USA 200 kHz sind. Daher setzte sich in Europa DAB+ anstelle von HD Radio als digital-terres­tri­scher Radio­über­tra­gungsweg durch.

Weitere digi­tale Verfahren im UKW-Band sind DRM+ oder das eben­falls proprie­täre China Digital Radio (CDR).

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