Telekom setzt bei 5G künftig auf Open RAN
Philosphisch-politische Worte fand Telekom Technik-Vorständin Claudia Nemat beim Werkstatt Talk im Telekom/T-Mobile-Hauptgebäude im Bonner Landgrabenweg am Aschermittwoch. Der Konflikt zwischen China und den Vereinigten Staaten stelle die digitale Welt in Frage: "Was ist unsere Daseinsberechtigung als Telco in einer digitalen Welt?"
Jedes Funkloch ist eines zu viel
Und natürlich gibt die studierte Mathematikerin, Physikerin und Philosophin gleich eine Antwort: "Wir sorgen dafür, dass sich Menschen besser verstehen." Dabei betont sie klar und deutlich: "Jedes Funkloch ist eines zu viel". Bis Ende 2021 solle in Deutschland 99 Prozent der Bevölkerung mit LTE durch das Netz der Telekom versorgt sein.
5G auf 3,5 GHz: Hohe Bandbreite - geringe Reichweite
Die kommende Technik 5G sendet bereits zwischen 3,5 und 3,8 GHz. Der Riesen-Vorteil dieser Frequenzen sind die möglichen hohen Datenraten. Als Nachteil haben sie eine sehr geringe Reichweite. Fenster oder Mauern dämpfen so stark, dass beim Empfänger nichts mehr ankommt.
Eine Lösung der Versorgungslöcher könnte ein 4G/5G-Indoor-Repeater sein, den ausgewählte Tester bald ausprobieren können.
Bei den Campusnetzen will die Telekom eine S-M-L-Angebots-Mechanik einführen. Interessant ist vor allen Dingen das Campusnetz-L-Angebot, denn dabei werden ein öffentliches und ein privates Netz miteinander verknüpft. Das öffentliche Netz ist für "Jedermann" nutzbar, er muss nur ein passendes Handy und einen Vertrag (oder auch Prepaid) mit 5G-Option im richtigen Netz haben. Im "privaten" Teil werden die Frequenzen, die das Unternehmen beantragt, genutzt und die Daten "nach außen" abgeschirmt, weil sie vielleicht das Interesse der Konkurrenz erregen könnten.
SIM-Karten für den "privaten" Teil kann nur das Unternehmen, welches die Campus-Lizenz erworben hat, vergeben; darüber werden in erster Linie firmeninterne Daten ausgetauscht. Durch die Verknüpfung von "private" und "public" können aber auch Lieferketten "versorgt" werden, wenn sie das Werksgelände verlassen.
Neues Campusnetz bei BMW in Leipzig
Antje Williams – Senior Vice President 5G Campus Networks bei der Telekom erläutert die neuen Konzepte
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Campusnetze hat die Telekom neben dem Beleuchtungsspezialisten Osram nun auch bei den Bayrischen Motorwerken (BMW) in Leipzig in Betrieb, die dazu notwendige Technik liefert der schwedische Netzwerkausrüster Ericsson.
Heute dezidierte Netze für einen ganz bestimmten Zweck auf- oder auszubauen, ist "viel zu teuer", die intelligente Lösung heißt "Network Slicing". In eine bestehende Funk-Infrastruktur werden gegenseitig hermetisch verriegelte Netze integriert, die bestimmte "Slices" (Scheiben) belegen. Die Menge dieser Slices ist theoretisch unbegrenzt, aktuell sollen es bis zu 128 mögliche Slices sein.
In Bonn wird bereits mit einer Ende-zu-Ende-Slicing Netzwerk-Architektur experimentiert, wobei auf der Funkseite ein Ericsson New Radio (NR), verbunden mit Chips und Testgeräten von Qualcomm und einem Kern-Netzwerk von Nokia zum Einsatz kommt.
Schematischer Überblick des Telekom-Netzes, gerüstet für die Zukunft
Grafik: Deutsche Telekom
Bisher war das gar nicht möglich. Denn die übliche 5G-Standard-Hardware ist zu nichts außer sich selbst kompatibel. Das bedeutet: Wenn man einen Hersteller X gewählt hat, muss man bei ihm die Funkeinheit (Radio-Head) und die Basisband-Einheit (Baseband) kaufen, selbst fremde Antennen passen nicht so ohne weiteres, besonders, wenn es aktive Antennen (mit integrierter Sende/Empfangseinheit oder mit MIMO-Elementen) sind.
Der Status quo: Wer eine Single-RAN-Station aufbaut, muss alles von einem Hersteller kaufen.
Grafik: Deutsch
Das sogenannte Single-RAN (Einfaches-Funk-Zugangs-Netzwerk) erlaubt es, mit einer Hardware und einer raffinierten Software gleichzeitig 2G, 3G, 4G und darüber auch 5G zu fahren. Je nach Belastung können Kapazitäten umverteilt oder abgeschaltet werden, beispielsweise könnte man 3G ganz abschalten oder Träger nur zu bestimmten Anlässen dazu- oder wegschalten.
Nur sind - wie erwähnt - bestimmte Produkte nicht auf- oder abwärts-kompatibel, man kann also nicht 5G von Hersteller A auf ein existierendes 4G von Hersteller B setzen.
Abhilfe durch Open RAN?
Bei Open RAN gibt es zwei Varianten. Die Erste kann Komponenten auf das Kernnetzwerk (DT Control Office) und die Technik vor Ort (Single RAN Technology Unit) aufteilen.
Grafik: Deutsche Telekom
Abhilfe ist möglich: Die Lösung ist so einfach, wie zugleich kompliziert und heißt "Open RAN". Die Schnittstellen zwischen den Baugruppen müssen geöffnet werden, was technisch sehr anspruchsvoll ist. Deswegen hat die Telekom dazu ein "O-RAN Community Lab" in Berlin ins Leben gerufen, das allen Herstellern und vor allen Dingen auch allen anderen Netzbetreibern zur Verfügung steht. Hier soll im Labor getestet werden, ob Baugruppen im Open-RAN-Netz miteinander und untereinander funktionieren, sprich die "Interoperabilität" stimmt.
Der Vorteil ist klar: Open RAN gibt die Möglichkeit, die Antennenfunktionen im Netz zentral und zellenübergreifend zu steuern. Es erlaubt, zwischen Lieferant A und Lieferant B zu wählen. Die Deutsche Telekom will deshalb offene Ökosysteme massiv unterstützen, weil "Open RAN" für sie strategisch wichtig ist.
Bei Open RAN werden in der zweiten Variante die Komponenten vor Ort (Single RAN Technology Unit) aufgebaut.
Grafik: Deutsche Telekom
Der interessante Nebeneffekt: Wenn ein Hersteller aus vermeintlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in Frage kommt, könnte es - zumindest in der Theorie - Alternativen von einem anderen Hersteller geben. Bis Open RAN einsatzfähig sein wird, sind wohl noch zwei Jahre Forschung und Entwicklung notwendig, insgesamt kann es 5-7 Jahre dauern, bis Open RAN zum branchenweit anerkannten Standard werden wird.