Stellungnahme

Hat Tele2 Angst vor der All-IP-Umstellung der Telekom?

Die Umstellung der Telekom-Anschlüsse auf All-IP wird nicht nur von Kunden und Verbraucherschützern kritisch beobachtet. Jetzt meldet sich Tele2 zu Wort - und empfiehlt technische Lösungen ohne Zwangskündigung. Was steckt dahinter?
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Hat Tele2 Angst vor der All-IP-Umstellung der Telekom Hat Tele2 Angst vor der All-IP-Umstellung der Telekom?
Bild: Telekom
Vor einigen Tagen hatten die Verbraucherzentralen die Ergebnisse einer Studie präsentiert, bei der Festnetzkunden befragt wurden, deren Anschluss auf All-IP umgestellt wurde oder wird. Die Ergebnisse zeigten, dass zwar ein Großteil der (Zwangs-)Umstellungen reibungs­los verläuft, dass es aber bei vielen Kunden be­trächtliche technische Probleme gibt - und dass die Um­stellung in vielen Fällen von den Netz­be­treibern schlecht kommuni­ziert wird.

Die Ergebnisse dieser Studie veranlassten Tele2 heute zum Versand einer Mitteilung, die zwischen den Zeilen vielleicht mehr über die Ängste von Tele2 verrät als dem Unternehmen selbst lieb sein dürfte.

Vorwurf: Telekom macht keine klaren Angaben zur Umstellung

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Unter dem Titel "Droht bald 15 Millionen Telekom-Kunden die Kündigung?" berichtet Tele2 über den All-IP-Umstellungsprozess der Telekom, der bereits seit Monaten im Gange ist und nennt als Quelle für diese Zahl eine nicht mehr ganz taufrische teltarif.de-News vom 20. Oktober 2014. teltarif.de hat natürlich in der Zwischenzeit weiterhin über die Umstellungsmaßnahmen berichtet, zum Beispiel darüber, dass die Telekom nach eigenen Aussagen wöchentlich 60 000 bis 70 000 Anschlüsse umstellt.

Dann schreibt Tele2, dass sich die Telekom "nicht klar geäußert" habe, "ob die Umstellung per Kündigung oder technisch erfolgen soll". Doch auch diese Fakten sind durch die Berichterstattung von teltarif.de längst bekannt: Die Telekom muss Kunden, die einen Anschluss mit Internet haben, kündigen, da hier eine einseitige Vertragsänderung durch die Telekom verbraucherrechtlich nicht haltbar wäre. Lediglich für normale Analog-Anschlüsse ohne DSL wird es technische Lösungen geben, die die Telekom dann in der Vermittlungsstelle oder den Kabelverzweigern umsetzen will. Diese Tatsache erwähnt Tele2 dann im späteren Verlauf der Mitteilung.

Basierend auf den Ergebnissen der Verbraucherstudie behauptet Tele2 dann, die "Inhaber herkömmlicher analoger Telefonanschlüsse, von denen es noch immer über sechs Millionen in Deutschland gibt, träfe es dabei besonders hart. Viele von ihnen wären mit der Situation überfordert, weil sie sich im unübersichtlichen Markt wenig auskennen. Einige würden unter Umständen noch nicht einmal die Kündigungsschreiben verstehen."

Vorschlag von Tele2: Netzseitige Umstellung ohne Kündigungen

Als einzigen Ausweg sieht Tele2: "Die Telekom verpflichtet sich, diese Verträge nicht zu kündigen, sondern eine technische Umstellung vorzunehmen." "Die Umstellung auf IP macht durchaus Sinn", wird Gerd Kiparski, Unternehmenssprecher von Tele2 Deutschland, in der Mitteilung zitiert. "Sollte die Telekom dabei den Weg der Kündigung wählen, wäre das mit erheblichen Nachteilen für die Kunden verbunden. Wir können davon ausgehen, dass zum Beispiel ältere Menschen mit diesem Vorgehen überfordert werden könnten. Aber auch viele andere Telekom-Kunden würden die Schreiben kaum verstehen und allein deshalb nicht darauf reagieren. Und plötzlich ohne Telefonanschluss dastehen. Deshalb appellieren wir dringend an die Telekom, eine rein technische Umstellung vorzunehmen und keine Kündigungen auszusprechen. Das ist auf jeden Fall sehr einfach möglich."

Im Rahmen eines Zwischenfazits hatte die Telekom allerdings im Februar bekanntgegeben, dass sie deutlich weniger Kunden verloren hat als erwartet. Über 90 Prozent dieser im Mai 2014 angeschriebenen Kunden seien auf einen All-IP-Tarif umgestellt worden.

"Wenn die Telekom argumentiert, aus technischen Gründen umstellen zu müssen und dann gewisse Features nicht mehr anbieten zu können, muss sie diesen Wegfall auch den Kunden gegenüber offen kommunizieren", zitiert Tele2 den VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. "Ansonsten bekommt man den Eindruck, dass sie sich auf diesem Weg der Wettbewerberdienste wie Call by Call entledigen möchte. [...] Es geht nicht darum, die Internet-Telefonie grundsätzlich in Frage zu stellen. Irgendwann müssen alle umgeschaltet werden. Aber das Vorgehen der Telekom gegenüber den Kunden in diesem Zusammenhang ist nicht akzeptabel. Es kann nicht sein, dass die Telekom die Umstellung mit Vehemenz nutzt, um ihre im Vergleich zu heutigen Angeboten häufig teureren Bündeltarife zu bewerben, um Laufzeiten zu verlängern oder neu zu begründen." Gerd Kiparski äußert dazu: "Wenn die Telekom schon all ihre Anschlüsse umstellt, dann sollte das so verbraucherfreundlich wie möglich sein. Die Umstellung über Karten, die die Telefonsignale in den Vermittlungsstellen automatisch umwandeln, ist dafür die eindeutig bessere Alternative."

Kommentar: Hat Tele2 Angst davor, Kunden zu verlieren?

In den Statements sind zwei Schlüsselworte versteckt, die der wahre Grund für die heutige Mitteilung sein könnten, und zwar "Call-by-Call" und "Bündeltarife". Dazu ist zu sagen, dass die MagentaZuhause-Tarife lediglich eine Telefonie-Flat ins deutsche Festnetz beinhalten. Eine Festnetz-zu-Mobil-Flat oder eine Option für vergünstigte Telefonate ins Ausland muss kostenpflichtig dazugebucht werden. Von daher gibt es weiterhin die Möglichkeit, ins Ausland oder zum Mobilfunknetz per Call-by-Call günstiger zu telefonieren, wobei der teltarif.de-Call-by-Call-Rechner stets hilfreich ist. Und die Verpflichtung, Call by Call weiter anzubieten, wird der Telekom mit der Umstellung auf All-IP auch gar nicht abgenommen.

Es könnte aber auch sein, dass Tele2 insbesondere das Produkt MagentaEins ein Dorn im Auge ist. Haben die Kunden nämlich noch einen Mobilfunkvertrag mit All-Net-Flat, dann gibt es kaum noch einen Grund, Telefonate in die Mobilfunknetze vom Festnetz aus zu führen. Und wer die MagentaEins-EU-Flat nutzt, benötigt natürlich auch nur noch für die Telefonie in Länder außerhalb der EU Call by Call, was den Kundenkreis für Tele2 weiter einschränken dürfte.

Interessant wäre es, wenn Tele2 konkrete Zahlen vorlegen würde, wie viele Nutzer von Call by Call und anderen Telefonie-Diensten dem Unternehmen verloren gegangen sind, seit die Telekom auf All-IP umstellt. Dies würde über das Phänomen mehr aussagen als die heutige Mitteilung, die an der Oberfläche sattsam bekannte technische Details wiedergibt. Denn eine einseitige Kündigung der Telekom bedeutet immer auch, dass der Kunde gegebenenfalls zu einem meist günstigeren (Kabel-)Internet-Anbieter wechseln kann - und dann ist er nicht nur für Tele2, sondern auch für die Telekom als Kunde verloren.

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