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Editorial: Das Ende des Telefonbuchs

Es wird immer dünner und die Auflage sinkt - nun drucken es die Niederlande zum letzten Mal. Wird es auch in Deutschland bald abgeschafft?
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Das Telefonbuch verliert immer mehr an Bedeutung Das Telefonbuch verliert immer mehr an Bedeutung
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Es war eines der ersten Bücher, dessen Inhalt konsequent mit Computerhilfe produziert wurde. Doch jetzt fällt eben dieses Buch der weiter fortschreitenden Computerisierung zum Opfer: Das Telefonbuch. In den Niederlanden wird das Nummernverzeichnis dieser Tage letztmalig verteilt. Künftig müssen Kunden, die die Nummern ihrer Freunde oder Geschäftspartner nachschlagen wollen, folglich die online-Auskunft oder die Telefonauskunft per Hotline verwenden.

Doch die Bedeutung der beiden genannten Auskunftsdienste schwindet ebenfalls. Denn immer weniger Kunden lassen ihre Rufnummern überhaupt ins Nummernverzeichnis eintragen. Und wenn die Nummer nicht eingetragen ist, steht sie weder im Telefonbuch, noch lässt sie sich bei der Auskunft abfragen. Auch hier haben sich die Zeiten geändert: Vor einigen Jahrzehnten, in der Blütezeit des Telefonbuchs, musste man einen besonderen Grund vorweisen können, zum Beispiel einen in der Öffentlichkeit stehenden Beruf wie Lehrer oder Politiker, um eine nicht im Telefonbuch eingetragene "Geheimnummer" erhalten zu dürfen. Dann kam die Zeit der Telefonbuch-CDs und der allgemeinen Datenschutz-Bedenken, und immer weniger Bürger waren bereit, Name, Adresse und eben Telefonnummer in eine öffentlich zugängliche Liste eintragen zu lassen. Die Eintragung war fortan freiwillig.

Inzwischen dürften Google, Facebook, Xing, LinkedIn und Co. beim Finden alter Freundschaften und Kontakte vielfach wichtiger sein als das Telefonbuch. Das ist auch gut so, kann man mit deren Hilfe doch nach weiteren Details suchen als nur nach dem Namen. telefonbuch.de listet beispielsweise über 1000 Treffer für "Thomas Müller" auf - welcher ist nun der Thomas Müller, mit dem man damals gemeinsam Abitur gemacht hat? Aber auch bei selteneren Namen ist das Telefonbuch oft keine Hilfe, nicht nur, weil Nutzer ihre Telefonnummer nicht eingetragen haben, sondern zum Beispiel auch dann, wenn sie inzwischen im Ausland leben oder dank Heirat sich der Name geändert hat.

Ein weiterer Grund für die abnehmende Bedeutung des Telefonbuchs ist die Rufnummernportabilität. Auch bei Wechsel des Handynetzes kann man schon seit Jahren die bisherige Rufnummer behalten. Entsprechend müssen Kontaktnummern heute seltener aktualisiert werden als früher. Im Festnetz gilt zwar weiterhin, dass mit dem Umzug in den Nachbarort sich die Nummer ändert. Aber auch hier gibt es Tricks, unter der Hand die alte Nummer doch zu behalten: Wohnt beispielsweise weiterhin ein guter Freund oder ein anderes Familienmitglied am alten Ort, dann portiert man die alte Nummer zu deren Anschluss und schaltet von dort eine Rufweiterleitung.

VoIP-Rufnummern (fast) ortsunabhängig

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Aber auch ohne Freunde am alten Wohnort kann es klappen, die alte Rufnummer zu behalten: Man meldet sich dazu noch unter der alten Adresse bei einem der zahlreichen netzunabhängigen VoIP-Anbieter an, portiert die Nummer beim Umzug in einen anderen Ort dann zum VoIP-Provider, und "vergisst" nach dem Umzug, dem VoIP-Anbieter die neue Adresse mitzuteilen. Zwar besteht hier das Restrisiko, dass der VoIP-Anbieter irgendwann einmal feststellt, dass die Adresse nicht stimmt, und dann die Nummer deaktiviert. Doch so lange man mit der Nummer kein Schindluder betreibt, also beispielsweise die Rufnummer intensiv bewirbt und in dieser Werbung dann auch noch einen nicht vorhandenen Ortsbezug suggeriert, dürfte diese Abschaltgefahr klein sein. Die VoIP-Anbieter haben ja kein Interesse daran, Nummern abzuschalten (außer, der Kunde zahlt nicht), und die Bundesnetzagentur hat sicherlich besseres zu tun, als nach im falschen Ortsnetz geschalteten Einzelnummern zu fahnden.

Abschaffung auch hierzulande?

Aus den vorgenannten Gründen dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis das Telefonbuch auch hierzulande abgeschafft wird. Bis dahin wird es immer dünner werden, und immer weniger Kunden werden die jeweils neueste Ausgabe mitnehmen, wenn sie verteilt wird. Genauso, wie Telefonhäuschen, haben auch Telefonbücher sich überlebt.

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