o2 Easy Money: Kunde will 320.000 Euro von Telefónica
Wer noch eine o2-Loop-SIM-Karte mit "Easy Money" hat, bekommt 2 Cent pro Minute. Ein Kunde will 210.000 Euro von o2.
Fotos: naschman_-_fotolia.com/teltarif.de, Logo: o2
Es gab Zeiten, da bekamen Mobilfunkkunden dafür Geld, wenn sie sich anrufen ließen. Bei
Minutenpreisen von 1,89 D-Mark (0,97 Euro) pro Minute blieb da genügend Luft für den Anbieter.
Xtra Clever für 1 Cent eingehend
Wer noch eine o2-Loop-SIM-Karte mit "Easy Money" hat, bekommt 2 Cent pro Minute. Ein Kunde will 210.000 Euro von o2.
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Die Deutsche Telekom hatte eine solche Option, die sie Xtra Clever
nannte. Man konnte 2 Cent pro Minute verdienen, wenn Anrufe auf dem betreffenden Anschluss
eingingen. Die Ursprungs-Idee hatte aber die damalige VIAG Interkom (heute
Telefónica o2). Sie nannte ihr Angebot Easy Money.
Der Name ist Programm. Es gab damals 3 Pfennige pro Minute, nach der Umstellung auf Euro waren
es 2 Cent pro eingehende Gesprächsminute.
Finanzierung der Netze
Die Idee dahinter war, dass der Handynutzer sich aus "fremden" Netzen anrufen lassen sollten. Dann zahlte die Gesellschaft des Anrufers einen Interconnect-Preis, von dem sich der eine oder die zwei Cent gut abzweigen ließen. Der Telefonverkehr zum Handy wurde damit angekurbelt. Dieser Tarif "aus dem letzten Jahrtausend" hat in den Systemen von o2 bis heute überlebt. Die Telekom hatte ihn irgendwann zwischendurch geräuschlos eingestellt.
Zuviel Easy Money?
Nun berichtet die München erscheinende Süddeutsche Zeitung über einen denkwürdigen Gerichtsprozess in München. Ein schlauer Mobilfunkunde hatte etwas über 500 verschiedene SIM-Karten mit der Easy-Money-Funktion gesammelt, worauf er viel Guthaben angehäuft hatte. Sehr viel Guthaben. Das muss Telefónica irgendwann aufgefallen sein, seine Karten wurden gesperrt, das mühsam "zusammen telefonierte" Guthaben war weg.
Doch der betroffene Kunde klagte. In Sachen Kunde gegen Telefónica geht es um 320.000 Euro, die der Kunde von Telefónica haben will.
210.000 Euro "ertelefoniert"
Bis zum Jahre 2015 hatte sich der Kunde satte 210.000 Euro zusammen telefoniert, dann schaltete Telefónica die Karten ab und kündigte diese Prepaid-Verträge. Der Kläger möchte das Guthaben ausgezahlt bekommen, dazu noch 14.000 Euro Auflade-Guthaben zurück haben und einen angeblichen Sammlerwert der Karten in Höhe von rund 100.000 Euro macht er ebenfalls noch geltend. Macht zusammen lockere 320.000 Euro. Die Sache landete beim Oberlandesgericht in München.
Das Gericht wies darauf hin, dass das Risiko, den Prozess zu verlieren, für beide Seiten bei 50 Prozent liege. Es schlug einen Vergleich vor: Die 14.000 Euro Auflade-Guthaben müssen aber jeden Fall zurückbezahlt werden. Der angebliche "Sammlerwert" der Karten sei nicht von Belang und von dem aufgeladenen Guthaben solle der Kläger die Hälfte bekommen, das wären immer noch insgesamt rund 119.000 Euro.
Das Problem: Telefónica will nur 25.000 Euro bezahlen, berichtet die Süddeutsche Zeitung, obwohl der Richter eindringlich geraten habe, den Vergleichsvorschlag anzunehmen. "Sonst bekommen Sie am Ende ein Urteil, in dem Sätze stehen, die Ihnen nicht gefallen."
Juristisch delikater Fall
Ganz im Ernst wirft das "Easy Money"-Modell spannende Rechtsfragen auf. In den AGB des Tarifs steht, dass eine Barauszahlung des Guthabens nicht möglich sei. Nur was passiert mit der entstandenen Guthaben, wenn Telefónica den Vertrag kündigt? Es wäre ja zu leicht für den Anbieter, wenn er die Kunden mit "zu viel Guthaben" einfach durch Kündigung loswerden könnte. "Easy Money muss man dann irgendwann auch kriegen können", sagt Richter Lechner, laut der Zeitung.
Damals gabs noch keine Flatrates
Als der Tarif an den Start ging, war das Risiko für VIAG/o2 gering, weil Anrufe zu Mobilfunk "sündhaft teuer" waren. Aber dann kamen die Flatrates. Es ist also leicht möglich, so eine Karte einfach anzurufen und beide Telefone dann für zwei, drei oder vier Stunden in die Ecke zu legen und "laufen" zu lassen. Drei Stunden sind 180 Minuten, das wären also 3,60 Euro. Geschenkt.
Bei einer Summe von 210.000 Euro wären das rechnerisch 10,5 Millionen Minuten oder 7.291 Tage also rund 20 Jahre. Verteilt auf 500 Karten sind das 14,6 Tage. Es ist naheliegend, dass sich der Kunde da irgendwas "gebaut" haben muss, was immer und immer wieder neu angewählt hat, denn VIAG/o2 trennt die Verbindung nach zwei Stunden automatisch.
Das Fatale: o2 hat nach der Einführung der Flatrates nie daran gedacht, diese Easy-Money-Option zu beenden. Seit Jahren ist es ein Hobby findiger Freaks, ihre Mobilfunkkosten ein wenig zu "senken". Da wird das antelefonierte Guthaben im Ausland eingesetzt, beispielsweise ausserhalb der EU, wo es nach wie vor richtig teuer ist. Im Inland werden damit Sondernummern angerufen oder Premium-SMS verschickt, die auch o2 eine Menge Geld kosten. in Foren erklären Betroffene (sinngemäß), sie wollten ihren "Frust" mit VIAG/o2, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hat, auf diese Weise kompensieren.
Tarifoption hätte schon viel früher eingestellt werden sollen
Der Autor dieser News hat schon vor Jahren die damalige Produktmanagerin von VIAG/o2 auf die Gefahren eines solches Angebot hingewiesen. "Buchen Sie jedem Kunden nochmal 50 Euro Guthaben auf seine Karte als 'Dankeschön' auf und kündigen sie dann die Option." Die Antwort: "Das ist doch so ein schöner Tarif..." Mehr passierte nicht.
Jetzt hat die Telefónica ein Problem. Auch wenn der Telefónica-Anwalt darauf verweist, dass bei normaler Nutzung des Tarifs ja "überhaupt kein Guthaben entstehen könne". Der Richter in München sieht das anders: Wenn der Anbieter ein Geschäftsmodell ermögliche und ein Kunde das dann auch nutze, sei das noch nicht unbedingt missbräuchlich oder sittenwidrig.
Sollte es zum Urteil kommen - und danach sieht es im Moment stark aus - wird es für Telefónica ziemlich teuer. Denn sofort werden weitere Kunden, die ihre Easy-Money-Karten - mit vermutlich weitaus weniger - Guthaben "aufgeladen" haben, auf der Matte stehen und ihre Guthaben zur Auszahlung anfordern. Wenn sie es denn beweisen können, dass es das Guthaben wirklich gibt.