Kommentar

Telekom Dial-Uhr: Apple, du gibst die Führung ab!

Die Präsentation der Dial-Uhr auf dem Event der Telekom konnte wirklich Gänsehaut hervorrufen: 45 Minuten Spracheingabe fast ohne Fehler: Warum schafft Apple so etwas nicht?
Vom Mobile World Congress in Barcelona berichtet

Unleashed-Event der Telekom auf dem MWC Unleashed-Event der Telekom auf dem MWC
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Ich war noch nie direkt zu einer Keynote von Apple eingeladen. Wahrscheinlich bin ich als Android- und Windows-Nutzer noch nicht als besonderer Apple-Jünger aufgefallen. Aber was ich auf dem Mobile World Congress beim "Unleashed"-Event der Deutschen Telekom erlebt habe, erinnerte mich unwillkürlich an einen Apple-Auftritt mit Steve Jobs. Und das bei einem deutschen Unternehmen?

Unleashed-Event der Telekom auf dem MWC Unleashed-Event der Telekom auf dem MWC
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Als Journalist erlebt man im Lauf seines Berufslebens ja viele Presseveranstaltungen: interessante und langweilige, seriöse und chaotische, authentische und völlig abgedrehte. Aber was ich an diesem Abend bei der Telekom erlebt habe, das war so simpel, so einfach und gleichzeitig so genial, dass ich mir gedacht habe: Das Produkt hätte ich eigentlich von Apple erwartet. Die Dial-Uhr, die die Telekom an diesem Abend vorgeführt hat, beziehungsweise vorführen ließ (teltarif.de-Vorstellung der Dial-Uhr), trifft so ziemlich jede Forderung, die der selige Steve Jobs jemals an Technik gestellt hat: Einfach zu bedienen, viele Funktionen und tolle Technik, die sich nicht in den Vordergrund stellt, dafür aber das Leben einfacher macht. Telekom Dial-Uhr: Apple, du gibst die Führung ab Telekom Dial-Uhr: Apple, du gibst die Führung ab!
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Echte Coolness bei einem deutschen Netzbetreiber

Ja, die Telekom ließ vorführen: Statt einen zweifellos seriösen und charismatischen Telekom-Manager wie Timotheus Höttges, der immerhin die Begrüßung machte, stellte die Telekom einen Rapper sowie einen Entwickler auf die Bühne. Was die beiden da mit der Dial-Uhr für die Zuschauer an die Wand zauberten, ließ mich manchmal mit einer leichten Gänsehaut erschaudern. Und wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so schnell euphorisch werde. Und nein, ich habe auch keinen Alkohol getrunken. Aber ich fühlte mich unwillkürlich erinnert an die ersten Vorstellungen des iMac oder des iPhone, bei denen die Welt staunend vor dem Bildschirm saß.

Denn genauso einfach, cool und simpel präsentierten der Rapper will.i.am und der Entwickler der Firma i.am+ die Dial-Uhr, die keine Smartwatch sein soll. Verglichen mit dem, was heutzutage auf dem Markt ist, geht sie auch weit über das Machbare hinaus. Denn die Dial-Uhr braucht kein Smartphone, sie ist selbst eines - mit Nano-SIM, Telefonmodul, Kamera, Internetzugang, E-Mail, GPS und Messaging-Funktionen.

Die Vorführung der beiden Männer auf der Bühne war dabei so cool, dass man dadurch völlig vergaß, dass man sich gerade auf der Veranstaltung eines deutschen Netzbetreibers befand. Das war eben nicht das sonst so oft anzutreffende Gieren nach Coolness, das war echte Coolness. Der Entwickler von i.amplus Der Entwickler von i.am+
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Wenn die Uhr so kommt - dann Hut ab!

Aber das wirklich revolutionäre war natürlich nicht in erster Linie die Präsentation, sondern das Produkt, die Dial-Uhr. Die Macher vermeiden nicht nur, von einer Smartwatch zu sprechen, auch das Wort "Apps" nehmen sie nicht mehr in den Mund. Stattdessen dürfen Entwickler für die Uhr "Skills" programmieren - und genau darum geht es bei der sprachgesteuerten Uhr.

Man kann getrost sagen: Wenn die Uhr wirklich so auf den Markt kommt, wie sie vorgeführt wurde (allerdings vorerst nur auf Englisch), dann könnte sie vielleicht das Ende der Touch-Eingabe einläuten. Ich hatte den Eindruck, dass der Touchscreen der Uhr so unwichtig ist wie noch bei keinem Gadget am Handgelenk zuvor.

Rapper will.i.am spricht zum Teil sehr persönlich mit AneedA Rapper will.i.am spricht zum Teil sehr persönlich mit "AneedA"
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Denn die Uhr und der Rapper will.i.am haben sich im wahrsten Sinn des Wortes so gut unterhalten, dass kaum Touch-Eingaben nötig waren. Im Verlauf von etwa 45 Minuten gab es maximal zwei Vorkommnisse, bei denen die Uhr den Rapper nicht verstanden hatte. Selbst als er - typisch Rapper - eine ganze amerikanisch-englische Wortsalve mit nicht nur schmeichelhaften Begriffen auf die Uhr losließ, erkannte sie den Text in Sekundenschnelle und reagierte angemessen darauf.

Und keine der momentan am Markt verfügbaren digitalen Assistentinnen Google Now, Siri oder Cortana besitzt soviel künstliche Intelligenz und auch soviel Persönlichkeit wie die "AneedA" der Dial-Uhr. Wie eine eigenständige Persönlichkeit erinnerte sie sich an frühere Gespräche und gab nicht nur höflich-ausweichende Antworten, wenn der Rapper sie unverhohlen anbaggerte.

Dial-Uhr: Für Gäste nur hinter Glas zu sehen Dial-Uhr: Für Gäste nur hinter Glas zu sehen
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Nachdem will.i.am beispielsweise seinen Fitnesszustand in der Fitness-"Skill" gecheckt hatte, teilte er der Uhr mit, dass er jetzt Lust auf einen fetten, scharfen Burger hätte. Die Uhr rechnete ihm daraufhin - ohne Aufforderung - vor, wie viele beziehungsweise wenige Kalorien er heute verbraucht habe und wie viele Kalorien der Burger haben wird. Und das Ganze verbunden mit der vorsichtigen Frage, ob er seine Essens-Wahl nochmals überdenken will.

Auch sonst fand die Uhr rein sprachgesteuert sofort Gaststätten in der Nähe oder beantwortete die Frage, was gerade im Musikbereich aktuell sei. Diese Musik spielte sie dann auch gleich ab - wobei während der Präsentation nicht festzustellen war, welcher Musikdienst dahinter steckt oder ob es ein extra für die Uhr kreierter Dienst ist. Tastatur? Nur mal kurz aufgerufen, um zu zeigen, dass die Uhr so etwas auch hat. Touchscreen? Nur für die Musiksteuerung und wenige Dialoge verwendet. Ansonsten: Fast 45 Minuten perfekte Sprachsteuerung. Noch nicht klar ist, wann die Dial-Uhr nach Deutschland kommt Noch nicht klar ist, wann die Dial-Uhr nach Deutschland kommt
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Und was macht Apple?

Wir wiederholen unsere eingangs gestellte Frage: Warum kommt so etwas nicht von Apple? Apple hat mit der Apple Watch keinen großen Wurf vorgelegt, sondern eine iPhone-Krücke, ein viel zu teures und schweres Ding, das technisch eigentlich nicht viel kann. Hätte Steve Jobs das so freigegeben? Und auch bei iPhone und iPad: Nur Modellpflege in den letzten zwei bis drei Jahren, keine echten Innovationen, die wirklich Gänsehaut produzieren.

Ist dies das Los von ehemals kreativen und genialen Firmen: Modellpflege und totale Kommerzialisierung? Der Telekom Dial-Uhr wünsche ich jedenfalls ein besseres Schicksal: Erst einmal einen guten Deutschlandstart mit guter deutscher Sprachein- und Ausgabe. Dann viele begabte Entwickler, die ihr weitere coole Skills verpassen. Und nicht zuletzt: Begeisterte Nutzer - die hoffentlich nicht zu viel Geld für die Dial auf den Tisch blättern müssen.

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