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HTC 10 im Test: HTC, Twelve Points?

Im ausführlichen Test muss sich das HTC 10 beweisen. Nach vollmundigen Versprechungen von HTC sind die Erwartungen hoch. Einen Schnitzer erlaubt sich HTC, sorgt im Gegenzug aber auch für eine Überraschung.
Von Hans-Georg Kluge

Das HTC 10 im Test Das HTC 10 im Test
Bild: teltarif.de
Nachdem das HTC 10 im Hands-On-Test bereits einen sehr guten Eindruck hinterlassen hatte, sind wir in unserem ausführlichen HTC-10-Test auf die Details eingegangen. Und wir haben ausprobiert, ob die von HTC besonders gepriesenen Features wirklich überzeugend sind. Außerdem erlebten wir eine Überraschung. Schafft das HTC die vom Eurovision Song Contest bekannten Zwölf Punkte? Wir geben Antworten.

Verarbeitung und Display

HTC 10

Das HTC 10 im Test Das HTC 10 im Test
Bild: teltarif.de
In den Bereichen Verarbeitung und Display gibt sich HTC keine Blöße. Das Unibody-Gehäuse besteht aus Aluminium, lediglich an der oberen Seite ist eine größere Plastikfläche zu sehen - da hinter stecken wohl die Antennen. Weil die Rückseite leicht abgerundet ist, liegt das HTC 10 recht gut in der Hand. Dazu trägt auch eine zusätzliche Schliffkante bei. Die macht in echt einiges her, dürfte aber nicht bei allen Smart­phone-Interessenten auf Gegenliebe stoßen. Da aber der seitliche Rahmen recht breit ist, ist das HTC 10 für manche Zeitgenossen mitunter schon zu groß.

Die seitlichen Hardwaretasten sitzen fest und wackeln nicht. An der leicht geriffelten Power-Taste sind ein paar spitze Kanten zu fühlen - gefährlich scharf sind diese aber nicht. Der im Homebutton integrierte Fingerabdrucksensor reagiert schnell und erkennt einen Finger zuverlässig. In der Software lassen sich bis zu fünf Finger erfassen. Um das Smart­phone zu entsperren, genügt es, den Finger auf den Sensor zu legen - was logisch ist, denn HTC hat dem Homebutton keine Mechanik gegönnt - er reagiert also nur auf Berührungen und nicht - wie bei Samsung-Smartphones üblich - auf echten Druck.

Display

HTC 10 von vorne HTC 10 von vorne
Bild: teltarif.de
5,2 Zoll misst das Display des HTC 10 in der Diagonale. Bei einer Auflösung von 1440 mal 2560 Pixel (QHD) entsteht eine so hohe Pixeldichte, dass einzelne Bildpunkte nicht mehr zu sehen sind. Die Qualität der Darstellung ist sehr gut und Farben wirken natürlich. Die maximal erreichbare Helligkeit könnte aber etwas höher sein. HTC setzt weiterhin auf die Super-LCD-Technik, beim 10 in der fünften Generation. Die Blickwinkel sind aber nur durchschnittlich: Zum einen erreicht das Display die maximale Helligkeit nur, wenn der Nutzer frontal drauf sieht. Der Bildschirm wird deutlich dunkler, wenn seitliches Betrachten ins Spiel kommt. Dabei bleiben aber die Farben intakt, Farbverschiebungen oder gar -invertierungen konnten wir nicht feststellen.

Leistung

HTC spendiert seinem 10 die aktuelle Spitzen-CPU von Qualcomm - den Snapdragon 820. Dieser Chip verfügt über vier Kerne mit 63-Bit-Architektur, die mit bis zu 2,2 GHz getaktet werden. Für genügend Leistung ist also gesorgt. Unsere Benchmark-Ergebnisse zeichnen ein entsprechend schönes Bild: 3DMark Slingshot gibt im Ergebnis 2500 Punkte aus und der etwas ältere Benchmark 3DMark Ice Storm Unlimited liefert 26 266 Punkte. Das sind Werte, die auch ein LG G5 oder ein Samsung Galaxy S7 in etwa erreichen.

Und im Gaming-Alltag kommt diese Power an und somit agiert das HTC 10 richtig flink. Ob Riptide GP2 oder andere anspruchsvolle 3D-Spiele: Selbst bei höchsten Details ruckelt nichts. Allerdings ist der Stromverbrauch recht hoch. Es gibt keinen speziellen Drosselmodus, mit dem der Nutzer zum Beispiel die Auflösung oder die maximale Bildrate für ein Spiel explizit reduzieren könnte.

Stichwort Temperaturentwicklung: Nach mehreren 3DMark-Slingshot-Durchgängen zeigt sich das bekannte Phänomen - das HTC 10 erwärmt sich und die Ergebnisse sinken. Wir haben Temperaturen bis zu 37 Grad auf der Rückseite gemessen. Mit jedem Durchlauf reduzierte sich auch das Ergebnis der Benchmarks. Bei realen Spielen war dieses Drosselungsverhalten nicht gar so ausgeprägt.

Kamera

Historisch betrachtet ist die Kameraqualität bei den HTC-Top-Smartphones wohl die Hauptschwachstelle. Weder das One M8 noch das One M9 konnten hierbei überzeugen. Nun hat sich HTC Hilfe geholt: Zusammen mit der Beratungsfirma DxOMark optimierte der Hersteller die Hard- und Software der Kamera. Hat sich das gelohnt? Auf den ersten Blick: Ja. DxOMark bietet nämlich einen Kameratest an, den das HTC 10 denn auch mit Bravour besteht. 88 Punkte erreicht das Smart­phone und teilt sich dementsprechend den ersten Platz mit dem Samsung Galaxy S7. Aber Zweifel sind angebracht: Denn es verheißt nichts Gutes, wenn ein Benchmark tolle Werte ausspuckt, das zu testende Gerät aber auch vom Benchmark-Entwickler genau auf diesen Test hin optimiert wurde.

Also schicken wir das HTC 10 durch unseren Parcours und vergleichen zusätzlich einige Outdoor-Shots mit den Ergebnissen vom Galaxy S7 und dem LG G5. Bei den Outdoor-Fotos beließen wir alle Einstellungen im Standard-Modus. Hier können die Bilder des HTC 10 dem Galaxy S7 aber nicht das Wasser reichen. Besondere Schwierigkeiten hatte das HTC 10, knallige Farben und spezifische Details bei Nahaufnahmen korrekt darzustellen. Gleichzeitig aufgenommene Fotos mit dem Galaxy S7 und dem G5 zeigen im Detail bessere Ergebnisse, wobei das G5 ebenfalls mit der Farbwiedergabe Schwierigkeiten hatte. Schnappschüsse gelangen mit dem HTC 10 aber beinahe genauso gut wie mit dem S7.

Die Selfie-Cam macht erstaunlich gute Bilder. Die Selfie-Cam macht erstaunlich gute Bilder.
Bild: teltarif.de
In unserem Testszenario spiegelt sich das durchwachsene Bild wider. Bei guten Lichtverhältnissen mit Blitz wirkt unser Testbild zu dunkel. Die Farben stellt die Kamera aber recht naturgetreu dar. Am Rand könnten Details besser akzentuiert sein - so sind die Blütenträger der Rose kaum auszumachen. Unter schlechten Lichtverhältnissen neigt unser Testbild zu Detailrauschen, Farbverfälschungen sehen wir hingegen nicht. Die Selfie-Cam wiederum profitiert von dem optischen Bildstabilisator und produziert qualitativ hochwertige Bilder. Lediglich feine Strähnchen unserer Model-Puppe zeigen Eingriffe eines Software-Filters - hier wären ein paar feinere Detailstrukturen wünschenswert.

Damit Sie sich ein eigenes Bild von den Ergebnissen unseres Kamera-Testszenarios machen können, haben wir unsere Testfotos unverändert zum Download freigegeben:

Denkbar ist, dass HTC die Qualität der Fotos mit Firmware-Updates optimieren kann. Unsere Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass die Ergebnisse des DxOMark nicht die einzige Wahrheit darstellen.

Bei der Kamera-App hat HTC jedoch eine gute Arbeit abgeliefert. Sie lässt sich recht eingängig bedienen und erlaubt einen schnellen Wechsel in den Pro-Modus, der Detaileinstellungen wie Fokussierung, Belichtungszeit und ISO-Wert erlaubt.

Akku und Telefonie

HTC 10 in Seitenansichten HTC 10 in Seitenansichten
Bild: teltarif.de
HTC verschließt sich nicht dem Trend zu größeren Akkus: Das 10 verfügt über einen 3000-mAh-großen Akku. Außerdem sollen zusätzliche Optimierungen dabei helfen, die Laufzeit "bei normaler" Nutzung über zwei Tage zu hieven. In unserem Test kamen wir jedoch nicht ganz auf diesen Wert. Die Laufzeit war aber recht ordentlich. Wie üblich ließen wir auch den Akku-Test von PCMark laufen. Die App führt automatisiert Standard-Aufgaben wie Texte bearbeiten, Videos schauen und Internet Surfen aus. Als Ergebnis liefert PCMark die Zeit, die das Smart­phone benötigt, um in puncto Akkustand von 80 Prozent auf 20 Prozent zu fallen. Hier kommt das HTC 10 auf einen nur soliden Wert von 5 Stunden und 13 Minuten. Damit liegt es rund eine halbe Stunde hinter dem Samsung Galaxy S7 und deutlich hinter dem S7 Edge zurück - das kommt auf 7 Stunden und 39 Minuten.

HTC hat jedoch offenkundig den Stromverbrauch im Standby-Modus recht gut im Griff, was die insgesamt recht lange Laufzeit erklären dürfte. Wer das Smart­phone hingegen intensiv nutzt, dürfte mit dem HTC 10 kein echtes Laufzeitwunder erhalten.

Da der Akku nicht wechselbar ist und HTC auf den neuen USB-C-Standard setzt, müssen Nutzer einer externen Powerbank wohl in den meisten Fällen ein Kabel verwenden, dass von USB-A auf USB-C wechselt. Glücklicherweise liegt ein solches dem Lieferumfang bei. Bei manch anderen Smart­phones haben wir nur USB-C-auf-USB-C-Kabel im Lieferumfang gehabt, was für die meisten Käufer ungünstig sein dürfte.

In einem eigenen Artikel haben wir zusammengestellt, wie sich das HTC 10 im Soundcheck bewährt. Kurz: Sehr gut. Und auch die Qualität der Telefonie ist ziemlich gut. Und dann erlebten wir eine kleine Überraschung: Sogar VoLTE unterstützt das HTC 10 - zumindest mit einer o2-SIM-Karte, weitere Netze konnten wir nicht testen. Offenbar kommt langsam aber sicher Schwung in das Thema VoLTE bei Smart­phones mit Retail-Firmware. Die Gesprächsqualität ist dank HD Voice sehr gut.

Das Handling im Alltag

Umstritten dürfte die Entscheidung von HTC sein, wieder vollständig auf Hardware-Buttons zu setzen. Vom Handling her ist das aber nur folgerichtig: Der Fingerabdruckscanner auf der Frontseite erfordert Platz unterhalb des Displays. Noch beim HTC One A9 blieb der Platz neben des Scanners ungenutzt und auf dem Bildschirm gab es zusätzlich die virtuellen Navigationsknöpfe. Dass sich das HTC 10 damit den Galaxy-Smartphones von Samsung annähert, dürfte ein nicht ganz unerwünschter Nebeneffekt sein. Dabei belässt es HTC jedoch bei der Standard-Anordnung von Android, sodass die Anordnung von links nach rechts so aussieht: Zurück, Home, Multitasking - Samsung setzt auf die umgekehrte Reihenfolge.

Android 6.0 Marshmallow ist an vielen Stellen der Be­nutzer­ober­fläche zu sehen - so zum Beispiel im Benachrichtigungsbereich oder auch in den Systemeinstellungen. Es handelt sich offenbar um eine HTC-Implementierung, die aber den Standard-Look von Android näher kommt als dies bei früheren Iterationen von Sense der Fall war. Damit wirkt die Be­nutzer­ober­fläche insgesamt recht homogen, wenn weitere Apps ins Spiel kommen.

Wie gewohnt setzt HTC einen seitenweise vertikal scrollenden App Drawer ein. Von vornherein sind einige Ordner vorgesehen - zum Beispiel mit HTC- oder Google-Apps. Aber auch manche Tools sind in einem entsprechend benannten Ordner versteckt. Weil HTC statt einiger doppelt vorhandenen Apps (wie zum Beispiel eine eigene Foto-Galerie) die Google-Originale einsetzt, macht das Smart­phone einen recht aufgeräumten Eindruck.

Exkurs: HTC 10 vs. Samsung Galaxy S7 vs. LG G5 vs. Huawei P9

Nun ist sie also fast vollständig, die Riege der wichtigsten Highend-Smartphones im Frühjahr 2016 mit Android (einzig Sony fehlt noch). In den vergangenen Jahren schlich sich bei den HTC-One-Smartphones (vor allem dem M8 und M9) stets das Gefühl ein, dass es sich zwar um gute Handys handelte - aber insbesondere angesichts des hohen Preises gab es durchaus echte Schwachstellen. Vor allem die Kamera, aber auch manches Detail der übrigen Ausstattung ließen die HTC-Offerten gegenüber der Konkurrenz abrutschen. Mit dem 10 hat HTC zumindest im Bereich der Kamera sichtbar Boden gut gemacht, ohne aber das Galaxy S7 vom Thron zu stoßen.

Wer die beste Kamera bei einem Android-Smartphone sucht, wird sich wohl für das Galaxy S7 entscheiden. In den übrigen Feldern gibt es kaum relevante Unterschiede zwischen den beiden Highend-Smartphones. Angesichts der wenig schmeichelhaften Verarbeitung dürfte es LG mit seinem G5 schwer haben, Fans von schön designten Smart­phones für sich zu gewinnen. Ein rundes Gesamtpaket hat auch Huawei mit dem P9 gezaubert.

Immer wieder ist zu lesen, dass das 10 die Rettung für den Hersteller sein soll - denn HTC vermeldet Quartal für Quartal schlechte Geschäftszahlen. Ob das HTC 10 diese Hoffnung erfüllen kann, bleibt aber abzuwarten. Vor allem mangelt es an einer aggressiveren Preisstrategie. Denn so gut das HTC 10 auch sein mag, die Zeiten sind vorbei, in denen viele Kunden bereit sind, 700 Euro für ein Handy auszugeben. Kein Wunder also, dass beispielsweise das Samsung Galaxy S7 inzwischen eine Preistalfahrt unternommen hat und schon rund 100 Euro billiger ist als zum Marktstart.

Fazit zum HTC 10: Ist gut wirklich gut genug?

Die Einzelnoten im Handy-Test:
  • Technische Ausstattung: 1,2
  • Bedienung, Handling, Software: 1,3
  • Hardware, Verarbeitung, Material: 1
  • Basis-Feature des Handys: 1,5
  • Einschätzung des Redakteurs: 1,5
  • Gesamtnote: 1,3
Das HTC 10 ist ein sehr gutes Smart­phone: Ob Verarbeitung, Display, Performance oder Kamera - nirgends leistet sich HTC eine eklatante Schwachstelle. Allerdings kann HTC das Versprechen einer Weltklasse-Kamera in unserem Test nicht einlösen. Wertvolle Punkte sammelt HTC aber bei der Selfie-Cam und auch das Design dürfte seine Freunde finden. Insgesamt kann das HTC 10 im Konzert der Großen gut mithalten. Der Neuanfang ist HTC also gelungen, aber die hohen Erwartungen kann das 10 dann doch nicht erfüllen. Mit dem HTC 10 erreicht HTC vielleicht schon die zehn Punkte des Eurovision Song Contest, aber maximal gäbe es eben deren zwölf.

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