Editorial: Wer darf Sie ausspionieren?
Neugierige Messenger-Dienste
dpa
Es ist ein seltenes Ereignis: Android-Herausgeber und
Play-Store-Betreiber Google hat nicht nur eine App aus dem Play-Store
geworfen, sondern auch den bestehenden Nutzern eine Sicherheitswarnung
auf das Smartphone gepusht, in der vor dieser App gewarnt wird. Betroffen
von der Maßnahme ist der Smartphone-Messenger ToTok, der rund um den
Jahreswechsel schon einmal aus dem Play-Store verbannt worden war, dann
aber doch wieder aufgenommen worden ist. Ausdrücklich empfiehlt Google
also die Deinstallation der vor allem im arabischen Raum beliebten
ToTok-App. Die Vereinigten Arabischen Emirate könnten darüber das
Smartphone des Nutzers ausspionieren. ToTok reagierte natürlich
umgehend und empfahl seinerseits, die Warnung von Google zu
ignorieren. Da ToTok aber nicht mehr im Play Store verfügbar ist,
müssen interessierte Neuanwender (oder Rückkehrer, die die App auf
Googles Anraten zunächst deinstalliert hatten), sich das APK aus dem
Web herunterladen und manuell installieren.
Neugierige Messenger-Dienste
dpa
ToTok ist wohl der erste Smartphone Messenger, der die regulatorische
Zulassung in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten hat. Viele
Funktionen anderer Messenger, allen voran Sprach- und Video-Anrufe, sind
in den Emiraten blockiert. Das erklärt zum einen den schnellen Aufstieg
der erst 2019 vorgestellten App in den Emiraten, lässt aber auch die
Spionage-Vorwürfe in einem neuen Licht erscheinen. ToTok hat aber auch
in Saudi-Arabien, Großbritannien,
Indien und Schweden bis zum Rauswurf einen Platz unter den beliebtesten
50 Apps erobern
können. Die Zahl der täglichen Nutzer soll vor der Sperre bereits bei
2 Millionen gelegen haben.
Es spricht vieles dafür, dass ToTok in der Tat nicht gerade der sicherste Smartphone-Messenger ist. So bietet ToTok noch nicht einmal eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung - die ist bei der Konkurrenz eigentlich Standard. Andererseits: Auch Google-Apps sind alles andere als zimperlich im Datensammeln. Was sie alles nach Hause telefonieren, ermöglicht umfangreiche Profilbildung. Und Brian Acton, Mitgründer von WhatsApp, der beim Verkauf von WhatsApp an Facebook ordentlich Geld verdient hat, empfindet seinen damaligen Schritt heute als Fehler und empfiehlt aus Datenschutzgründen: "Löscht Facebook!".
Als Nutzer hat man also die Qual der Wahl, wem man seine Daten gibt: Den Vereinigten Arabischen Emiraten (ToTok), einem US-Konzern und damit auch der NSA (WhatsApp, Facebook Messenger) oder China (WeChat).
Welche Alternative?
Gibt es keine sichere Alternative? Nun, viele Nutzer empfehlen Telegram, insbesondere unter Tradern ist die russische App beliebt. Doch auch hier gilt Vorsicht: Wenn man nicht selber Hand anlegt, sind Chats auch in Telegram erstmal nicht verschlüsselt.
Brian Acton ist vor zwei Jahren beim Messenger Signal eingestiegen, den inzwischen auch die EU-Kommission empfiehlt. Mit 10 Millionen aktiven Nutzern liegt Signal laut Statista jedoch weit hinter WhatsApp (1,6 Milliarden) oder Telegram (200 Millionen). Man wird also schon ziemlich in seinem Bekanntenkreis für Signal werben müssen, wenn man zu diesem Messenger wechseln will. Aber immerhin ist dieser Aufwand für einen guten Zweck.