Verpennt

Urteil: Keine Zahlungspflicht für gekündigte o2-Verträge

Weil eine fristgerecht gekündigte Karte nicht abgeschaltet wurde, schickte o2 weiter Rechnungen und beauftragte ein Inkasso. Der Kunde muss das nicht zahlen.
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Nicht jede Handyrechnung muss auch bezahlt werden. o2 versäumte ein Verfahren und kassierte ein rechtskräftiges Urteil. Nicht jede Handyrechnung muss auch bezahlt werden. o2 versäumte ein Verfahren und kassierte ein rechtskräftiges Urteil.
@e-pyton---Fotolia.com
Nachdem Telefónica o2 sich demnächst bohrenden Fragen der Bundes­netz­agentur zum aktu­ellen Netz­ausbau von o2 stellen muss, fällt ein Gerichts­ur­teil des Amts­ge­richts Bruchsal auch nicht weiter ins Gewicht.

Fest­stel­lungs­klage mit Versäum­nis­ur­teil

Nicht jede Handyrechnung muss auch bezahlt werden. o2 versäumte ein Verfahren und kassierte ein rechtskräftiges Urteil. Nicht jede Handyrechnung muss auch bezahlt werden. o2 versäumte ein Verfahren und kassierte ein rechtskräftiges Urteil.
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Mit Urteil vom 13. Februar 2019 hat das Amts­ge­richt Bruchsal (Az. 4 C 10/19) ein soge­nanntes Fest­stel­lungs-Urteil ohne münd­liche Verhand­lung (nach §331 Abs. 3 ZPO) gespro­chen. Es wird fest­ge­stellt, dass der Kläger (der Kunde) nicht verpflichtet ist, an die Beklagte (Telefónica o2) einen Betrag von 469,56 Euro zu zahlen. Die Beklagte (also Telefónica o2) wird verur­teilt, die vorpro­zes­sualen Rechts­an­walts­kosten (hier 64,50 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent­punkten über dem übli­chen Basis­zins­satz seit 26.01.2019 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfah­rens.

Einspruch durch o2 wäre möglich gewesen, ist aber nicht erfolgt, somit ist das „Versäum­nis­ur­teil“ rechts­kräftig.

Was war passiert?

Der o2-Kunde hatte seinen Vertrag 2018 frist­gemäß gekün­digt. Aber o2 schal­tete den Anschluss am Kündi­gungs­termin nicht ab und schickte weiter Rech­nungen. Der Kunde zahlte nicht. Bald landete der Fall bei einem Inkasso-Unter­nehmen, es entspann sich ein lebhafter Schrift­wechsel - ohne Erfolg. In Gegen­teil: Die Begrün­dung von o2: Der Kunde habe seinen Vertrag zwar gekün­digt, „jedoch nach der Kündi­gung weiterhin genutzt.“

Der Kunde wies die Forde­rungen als unbe­rech­tigt zurück. Obwohl der Vertrag bereits gekün­digt war, erklärte der Mobil­funk­an­bieter nun seiner­seits die „außer­or­dent­liche und frist­lose Kündi­gung der zur Kunden­nummer geschlos­senen Verträge“. Oben­drein verlangte Telefónica Scha­dens­er­satz „für die vorzei­tige Vertrags­auf­lö­sung“. Auf diese Weise wuchsen die Forde­rungen gegen den ehema­ligen o2-Kunden mit Scha­dens­er­satz, Inkasso- und Mahn­ge­bühren auf knapp 470 Euro.

Der Kunde tat das einzig rich­tige: Er nahm sich einen Anwalt und reichte Anfang 2019 eine soge­nannte Fest­stel­lungs­klage gegen Telefónica ein. Da der Kläger in der Region Bruchsal lebt, war das Amts­ge­richt in Bruchsal zuständig.

Das Amts­ge­richt forderte Telefónica auf, ihre Forde­rungen zu begründen. Dies geschah nicht. Deswegen kam es zu einem (inzwi­schen) rechts­kräf­tigem Urteil, wodurch der Kläger „nicht verpflichtet ist, an Telefónica einen Betrag von 469,56 Euro zu zahlen.“

Bereits das Amts­ge­richt Hamburg-St. Georg hatte zugunsten eines Verbrau­chers entschieden (Urteil vom 29.06.2018, Az. 925 C 22/18). Auch in diesem Falle wurde die Kläger­seite von der Hamburger Anwalts­kanzlei Johannes betreut, die uns auf das Urteil aufmerksam machte.

Nicht jede Rech­nung ist berech­tigt

Rechts­an­walt Johannes erläu­terte uns dazu: „Der Fall zeigt, dass nicht jede Forde­rung aus Mobil­funk­ver­trägen berech­tigt ist. Wer die Sache zügig klären will und dabei seine Nerven schonen möchte, sollte sich recht­lich beraten lassen. Wichtig ist, Unter­lagen wie Aufträge und Kündi­gungen aufzu­heben.“

Der geschil­derte Fall ist nach unseren Erfah­rungen kein Einzel­fall. Immer wieder kam es aufgrund interner System­pro­bleme bei Kündi­gungen von o2-Verträgen dazu, dass die Karten nicht zum Kündi­gungs­termin, sondern erst viel später oder auch gar nicht abge­schaltet wurden.

Gefahr konklu­denter Vertrags­ver­län­ge­rung

Um sich nicht dem Vorwurf der „konklu­denten Nutzung“ (= Kunde nutzt einen an sich gekün­digten Vertrag und signa­li­siert damit, dass er weiter tele­fo­nieren und bezahlen will) auszu­setzen, sollte man seine gekün­digte Karte spätes­tens am Tag X aus dem Handy nehmen und nicht mehr nutzen, weder für abge­hende noch für ankom­mende Anrufe.

Ist eine Rufnum­mern­por­tie­rung damit verbunden, ist das problemlos, weil die Rufnummer ja am Tag X auf den neuen Anbieter portiert wird. Gibt der Nutzer die Nummer auf, würden wir empfehlen, vorher eine perma­nente Umlei­tung auf die dazu­ge­hö­rende Mailbox einzu­richten und dort als perma­nente Abwe­sen­heits­an­sage einen Hinweis auf den gekün­digten Vertrag oder auf die künftig genutzte Rufnummer aufzu­spre­chen. So gehen keine Anrufe verloren und man kann der Sache gelassen ins Auge sehen. Auf gar keinen Fall den alten Anschluss auf die neue Rufnummer umleiten, weil solche Umlei­tungen auch im "eigenen" Netz beispiels­weise von o2 mit 29 Cent pro Minute berechnet werden!

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