"Wer heute auf Kupfer setzt, landet digital in der Steinzeit"
Katherina Reiche (links) im Gespräch mit Moderatorin Kerstin Stromberg-Mallmann
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung wohnt im ländlichen oder kleinstädtischen Raum, weiß
Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) zu berichten. Auf dem heute
in Berlin stattfindenden VATM Tele-Kompass nahm sie Stellung zur Zukunft der
Strukturen in diesen Regionen, die möglicherweise vor dem Problem stehen, nicht
mit der Struktur in Metropolen mithalten zu können. Das Buzzword dahinter ist "Gigabit-Gesellschaft". Dieses Wort,
so mutmaßt Reiche, wir im nächsten Koalitionsvertrag, der Ende des Jahres geschrieben wird, wohl mehrfach auftauchen.
"Wie schaffen wir es, die Strukturen leistungsfähig zu halten?", fragt Reiche daher rhetorisch. In zukünftige Konzepten müssten Mobilität und Digitalisierung zusammen gedacht werden. Als ein Beispiel aus der Praxis nannte sie City-Apps, wie sie beispielsweise in Nürnberg und Trier zum Einsatz kommen. Sie machen den Bürgern der Kommunen das Leben leichter, weil sie alle Informationen auf einen Blick abrufen können.
Digitalisierung fängt bei der Mülltonne an
Katherina Reiche (links) im Gespräch mit Moderatorin Kerstin Stromberg-Mallmann
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Zukünftig spiele die Digitalisierung aber auch
bei Themen wie der Abfallentsorgung eine Rolle. So würden Mülltonnen mit Sensoren ausgestattet und
von den Abfallentsorgern nur noch angefahren, wenn sie wirklich voll sind. Das spare unnötigen
Verkehr, weil nicht mehr pauschal nach festen Touren gefahren wird, auch wenn es gar keinen Bedarf gibt, Tonnen zu leeren.
Sorgen mache Reiche die ein oder andere Entscheidung der Politik und der Bundesnetzagentur der vergangenen Jahre. Dabei spielte sie - ohne es explizit zu nennen - auch auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur zum Ausbau von VDSL Vectoring im Nahbereich der Vermittlungsstellen an. Hierbei werden die Kupferleitungen nochmals ertüchtigt und sollen dann zunächst bis zu 100 MBit/s im Downstream bieten. Doch Reiche gibt zu bedenken: "Wer heute auf Kupfer setzt, landet digital in der Steinzeit." Sie würde es viel lieber sehen, wenn mehr auf Glasfaserleitungen gesetzt werde."Wir bedauern, dass die vergangenen Jahre auf Kupfer gesetzt wurde. Das ist für die Zukunft nicht richtig." Gleichzeitig räumte sie aber auch ein, dass der echte Glasfaserausbau länger dauere, doch das Tempo hier könne sicherlich noch erhöht werden.
Reiche forderte auch mehr Transparenz in Ausbau- und Markterkundungsverfahren. Dabei geht es ihr vor allem um einen plötzlichen Strategiewechsel beim Thema Ausbauplanung. Wenn Unternehmen zunächst einen Ausbau ablehnen, ihn dann aber nach dem Auflegen eines Förderprogramms doch eigenwirtschaftlich planen und durchführen, könne das Förderprogramme sprengen. "Eine Absichtsanzeige muss eine Verbindlichkeit haben."
VATM-Präsident Witt: "Hätte mir ambitioniertere Ziele gewünscht"
In seiner kurzen Eröffnungsrede des VATM Tele-Kompass gab sich VATM-Präsident und 1&1-Geschäftsführer Martin Witt optimistisch, das man das gestern in der Netzallianz formulierte Ziel der Gigabit-Netze bis 2025 schaffen könne. "Wir brauchen Weg in die Gigabit Gesellschaft jetzt und können nicht auf Bundestagswahl warten", sagte er. In der Netzallianz habe man einen guten Kompromiss erreicht, auch wenn ihm die Ziele nicht ambitioniert genug sind. "Ich hätte mir ein Bekenntnis zu echten Gigabit-Infrastrukturen gewünscht." Die Auffassung, dass sich vieles mit den neuen 5G-Mobilfunknetzen erledigen lasse, teilt er nicht. "Ich bin gespannt wie die Vertreter der Wirtschaft den Bedarf einschätzen und ob es reicht, 5G auszubauen."
Über die Pläne der Netzallianz haben wir bereits gestern berichtet.