Klarstellung

Rolle rückwärts: Privatradioverband will doch kein DAB+-Aus

Der Privat­radio­verband Vaunet hat den Beschluss des nieder­säch­sischen Land­tags zu einem Ende von DAB+ begrüßt und damit offenbar viele eigene Mitglieder verär­gert. Jetzt rudert man etwas zurück: DAB+ bleibt. Man stellt jedoch Forde­rungen an die Politik.
Von

Der Vaunet will weiter bei DAB+ mitmachen Der Vaunet will weiter bei DAB+ mitmachen
Foto: VQ
Der Privat­radio­verband Vaunet hat den Beschluss des nieder­säch­sischen Land­tags zu einem Ende des digital-terres­trischen Radios DAB+ begrüßt und damit offenbar viele eigene Mitglieder verär­gert, die selbst ins Digi­talradio inves­tieren. Jetzt rudert man etwas zurück: DAB+ soll nun doch bleiben. Man stellt jedoch konkrete Forde­rungen an die Politik.

Der Beschluss des nieder­säch­sischen Land­tages stelle laut Vaunet das DAB+-Dilemma des privaten Radios in Deutsch­land tref­fend dar. Allein diese Darstel­lung sei ein Verdienst, da nun zu hoffen ist, dass die bundes­weite Diskus­sion nicht mehr inter­essens­geleitet, sondern wieder fakten­getrieben und vor allem ergeb­nisoffen geführt werde. In dieser Diskus­sion stehe der Vaunet weiterhin zu dem bereits vor knapp zwei Jahren beschlos­senen Vier-Punkte-Plan zur Hörfunk­migra­tion, mit dem sich der Verband zu einer Unter­stüt­zung des Digi­talum­stiegs auf DAB+ bekennt, wenn dieser für den privaten Hörfunk fair und den wirt­schaft­lichen Notwen­digkeiten entspre­chend ausge­staltet wird.

Man kriti­siert, dass DAB+ kein einheit­licher euro­päischer Stan­dard sei. Radio sei schon längst Multich­annel. Gleich­wohl sei für DAB+ aus poli­tischen Gründen der Point-of-no-Return über­schritten, die Über­tragungen können also nicht mehr einfach abge­schaltet werden. Der private Hörfunk sei daher bereit, eine Migra­tion aktiv zu unter­stützen, sofern die Finan­zierungs­grund­lage dafür gewähr­leistet ist und faire Leit­planken defi­niert werden.

Dazu gehörten die Sicher­stel­lung eines ausge­wogenen dualen Systems mit der Decke­lung der öffent­lich-recht­lichen Ange­bote sowie die Abbil­dung aller bestehenden privaten UKW-Programme über DAB+.

Faire Bedin­gungen für Umstieg

Der Vaunet will weiter bei DAB+ mitmachen Der Vaunet will weiter bei DAB+ mitmachen
Foto: VQ
Der öffent­lich-recht­liche Hörfunk benö­tigt für den Umstieg auf DAB+ bis 2025 schät­zungs­weise rund 600 Millionen Euro, die er aus dem Rund­funk­beitrag erhält. Eine vergleich­bare Summe – rund 500 Millionen Euro – müsse der private Hörfunk aufbringen. Dieser Zusatz­aufwand sei alleine über Werbung nicht zu finan­zieren. Daher bedarf es auch für den privaten Hörfunk einer Infra­struk­turför­derung. Diese Förde­rung sei zwin­gende Voraus­setzung für die Migra­tion.

Einstiegs­phase in die Migra­tion erst ab 90% Markt­durch­drin­gung

Ab dem Zeit­punkt der gesi­cherten Finan­zierung und der Möglich­keit, alle bestehenden privaten UKW-Programme über DAB+ abzu­bilden, wolle der private Hörfunk DAB+ aktiv bewerben. Ein UKW-Abschalt­datum - auch nicht die Diskus­sion hier­über - dürfe es bis zum Absinken der tatsäch­lichen analogen Nutzung auf unter 10 Prozent nicht geben. Erst wenn das erreicht ist, könne die drei­jährige Über­gangs­phase von UKW zu DAB+ beginnen. Binnen der darauf­folgenden drei Jahre wird die UKW-Verbrei­tung einge­stellt.

Der Vaunet musste laut eigenen Angaben bisher mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass diese ausschließ­lich sach­orien­tierte Haltung bis heute weder medi­enpo­litisch noch ordnungs­poli­tisch goutiert wurde. Statt­dessen würden immer wieder poli­tische Kompro­miss­papiere disku­tiert, die einer Fakten­über­prüfung nicht stand­halten.

Die Mitglieder im Vaunet enga­gierten sich in unter­schied­licher Art und Weise bei der Entwick­lung der digi­talen Zukunft ihrer Radio­marken, auch mit statt­lichem, finan­ziellem Enga­gement bei der Einfüh­rung von DAB+. Dies könne aber nur bei der Sicher­stel­lung der UKW-Über­tragung und bei gleich­zeitiger finan­zieller Infra­struk­turhilfe für die privaten Radio­anbieter nach­haltig aufrecht­erhalten werden, fordert der Vaunet. Das duale System könne bei einer einsei­tigen Infra­struk­turför­derung der ARD-Radio­programme mit über 600 Millionen Euro nicht mehr als solches bezeichnet werden.

Der Verband fordert daher seit der Verab­schie­dung des Vier-Punkte-Papiers zur digi­talen Zukunft des Radios einen gemein­samen runden Tisch, der sich fakten­gestützt, vorur­teils­frei und ergeb­nisoffen mit der digi­talen Zukunft von Radio befasst und dessen Arbeit in einem Master­plan, der alle Über­tragungs­wege einschließt, münden sollte.

Mitglieder kriti­sieren eigenen Verband

Einige Verbands­mitglieder sehen das jedoch anders und halten die Vorschläge des eigenen Verbandes eher für ein Mittel, um UKW möglichst lange am Leben zu halten. Bei bishe­riger Markt­entwick­lung von DAB+ könne UKW damit nicht vor 2050 abge­schaltet werden, heißt es. Die Frage ist, ob Radio in bishe­riger Form über­haupt so lange über­leben wird, wenn man nicht jetzt schon den Digital-Umstieg einleite. Der Gesell­schafter eines privaten Radio­senders und Vaunet-Mitglied, der sich bei DAB+ betei­ligt, warnt auf Face­book: "Wir haben die erste Genera­tion, die keine Sozia­lisie­rung mit dem Radio hat. Wenn nicht bald Inno­vationen und mehr Inhalte kommen, dann sind wir 2040 soweit". Dann folge nicht nur das Ende von UKW, sondern des Radios gene­rell. Der teure Verbrei­tungsweg UKW sei eher Hinde­rungs­grund für digi­tale Inno­vationen, nicht nur über DAB+, sondern auch im Internet. Begrüßt werde dagegen die Forde­rung des Verbandes nach Infra­struk­turför­derung.

Norwegen hatte den UKW-Ausstieg ab einer Markt­durch­drin­gung von 50 Prozent digi­talen Hörens, also DAB+, Internet und andere Verbrei­tungs­wege, einge­leitet. Groß­britan­nien will es ähnlich machen.

Mehr zum Thema DAB+