Regulierung

Klage gegen VDSL-Entscheidung angekündigt

Die Wettbewerber kritisieren die Bundesnetzagentur und ihre Entscheidung zu VDSL Vectoring scharf. Von einem Skandal ist gar die Rede.
Von Thorsten Neuhetzki

Die Vectoring-Entscheidung dürfte wohl noch einige Gerichtsakten füllen Die Vectoring-Entscheidung dürfte wohl noch einige Gerichtsakten füllen
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Die Kritik an der Bundesnetzagentur und ihrer Entscheidung zum Einsatz von VDSL Vectoring im Nahbereich der Vermittlungsstellen reißt nicht ab. Vergangene Woche hatte der Regulierer einem Antrag der Telekom weitgehend stattgegeben. Die Folge: Die Wettbewerber müssen sich in Sachen VDSL weitgehend aus dem Nahbereich der 7900 Vermittlungsstellen zurückzuziehen. Darüber hinaus sehen sie auf lange Frist den Breitbandausbau mit Glasfaser gefährdet.

Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) bedauert in einer Pressemitteilung die Entscheidung. Zwar muss nun noch die EU-Kommission über die Entscheidung beratschlagen, allerdings könne sie laut Breko eine Änderung des Beschlusses zwar empfehlen, aber letztlich nicht durchsetzen. Sollte die Entscheidung tatsächlich in unveränderter Form in Kraft treten, "werden die Mitgliedsunternehmen des Verbands den Klageweg beschreiten müssen", wie es in der Mitteilung heißt. Derartige Klagen waren angekündigt.

Ohne Nahbereiche kein flächendeckender Glasfaserausbau

Die Vectoring-Entscheidung dürfte wohl noch einige Gerichtsakten füllen Die Vectoring-Entscheidung dürfte wohl noch einige Gerichtsakten füllen
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"Der von der Telekom beabsichtigte Ausbau basiert im Wesentlichen auf abgeschriebenen Kupferleitungen“, erläutert Breko-Präsident Norbert Westfal. "Diese werden damit weitergenutzt, während der Ausbau mit zukunftssicheren und hochleistungsfähigen Glasfaseranschlüssen bis ins Gebäude (FTTB) oder bis direkt in die Wohnung (FTTH) völlig unberücksichtigt bleibt." Die Entscheidung verbiete den direkten Glasfaser-Ausbau nicht. Doch ohne den Einbezug der in der Regel dichter besiedelten Nahbereiche werde ein flächendeckender Glasfaserausbau, der auch die oft wirklich unterversorgten, meist ländlichen Gebiete außerhalb der Nahbereiche umfasst, deutlich erschwert, meint der Präsident, der gleichzeitig Geschäftsführer der EWE Tel ist.

Die EWE Tel bzw deren Muttergesellschaft EWE hat bereits per Pressemitteilung eine Klage gegen den Beschluss angekündigt. EWE kritisiert die Entscheidung der Bundesnetzagentur zu Vectoring im Nahbereich scharf. Qualitativ und quantitativ bessere Angebote alternativer Anbieter seien komplett ignoriert worden.

EWE spricht von einem Skandal

Auch die Empfehlungen des Bundeskartellamts sind bei der Entscheidung der Bundesnetzagentur weitgehend unberücksichtigt geblieben. "Vom EWE-Angebot für einen Ausbau des Nahbereichs hätten viel mehr Bürgerinnen und Bürger profitiert“, erläutert der EWE-AG-Vorstandsvorsitzende Matthias Brückmann. "Es ist ein Skandal, dass jetzt eine schlechtere Versorgung den Zuschlag erhalten hat." Das mache deutlich, dass die Bundesnetzagentur nicht in ihrem eigentlichen Auftrag handelt, erhebt er schwere Vorwürfe. "Wir gehen davon aus, dass die EU-Kommission unsere Sichtweise teilt und interveniert. Sollten die aktuelle Entscheidung nicht angepasst werden, wird EWE den Rechtsweg bestreiten."

Vom Breko gibt es darüber hinaus Kritik an einem bereits am Donnerstagabend von teltarif.de berichteten Punkt im neuen Beschluss. Dabei geht es um die Mehrheitsklausel, die Wettbewerber erfüllen müssen, um einen Ausbau des Nahbereiches durch die Telekom abzuwenden. "Der von der Bundesnetzagentur im November vorgelegte Konsultationsentwurf sah vor, dass Wettbewerber, die in einem Nahbereich mehr Kabelverzweiger erschlossen haben als die Deutsche Telekom (relative Mehrheit), dort selbst eine Erschließung mit Vectoring vornehmen und so den Exklusivitätsanspruch hätten abwehren können", erklärt Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers. "Nun hat die Regulierungsbehörde dieses Kriterium jedoch erheblich verschärft, indem ein alternativer Netzbetreiber in jedem Fall mindestens 50 Prozent aller 'grauen Kästen' am Straßenrand - und insgesamt mehr Kabelverzweiger als die Deutsche Telekom - erschlossen haben muss." So kann ein Anschlussbereich der Telekom Deutschland zugeschlagen werden, obwohl die Telekom dort keinen einzigen Kabelverzweiger ausgebaut hat, ein Wettbewerber aber sehr wohl.

Buglas: Vectoring dient dem Überbau von Glasfasernetzen

Auch der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS) übt weiterhin massive Kritik an dem für den Einsatz von Vectoring und befürchtet eine erhebliche Beeinträchtigung des für den Breitbandausbau in Deutschland unverzichtbaren Infrastrukturwettbewerbs. "Zudem finden dabei nach wie vor weder der bereits erfolgte noch der bereits in der Umsetzung befindliche FTTB/H-Ausbau als leistungsfähigste und einzig wirklich nachhaltige Anschlusstechnologie Berücksichtigung", so BUGLAS-Geschäftsführer Wolfgang Heer. Gleiches gelte für die bereits verbindlich in die Vectoringliste eingetragenen Ausbauvorhaben der Wettbewerber. Dies sei umso unverständlicher, als eine Nicht-Erfüllung der dort eingetragenen Ausbauvorhaben ohnehin durch die Vectoring-I-Entscheidung sanktioniert ist.

FTTB/H-Anschlüsse sind heute in Deutschland bereits für deutlich über 2 Millionen Haushalte verfügbar, viele davon genau in den Nahbereichen. "Mit dem von der Telekom beabsichtigten Überbau wird in diesen Nahbereichen weder die Breitbandversorgung verbessert noch handelt es sich dabei um eine wirklich effiziente Vorgehensweise: Die allermeisten FTTB/H-Netzbetreiber bieten seit Jahren hochleistungsfähige Vorleistungsprodukte auf ihren Netzen an und stellen diese auch der Telekom gerne zur Verfügung", erklärt Heer.

VATM: BNetzA gestattet weitgehend monopolistischen Technologie-Einsatz

"Die Strategie der Deutschen Telekom zielt klar auf eine Re-Monopolisierung der Infrastruktur - Konkurrenten sollen künftig auf virtuelle Zugänge verwiesen werden, die keine bessere Qualität zugunsten von Privat- und Geschäftskunden ermöglichen", so das Resümee des Breko-Chefs.

Kritik kommt auch vom VATM, dem anderen großen deutschen Wettbewerbsverband. "Die Zusammenfassung des nochmals überarbeiteten Entwurfs lässt die massiven Bedenken der Monopolkommission, des Bundeskartellamts, der Politik und der Wettbewerber unberücksichtigt. Grundsätzlich gestattet die BNetzA weiterhin nach fast 20 Jahren erfolgreichen Wettbewerbs erstmals einem Unternehmen den weitgehend monopolistischen Einsatz einer Technologie", kritisiert dessen Geschäftsführer Jürgen Grützner.

Von großer Bedeutung für Deutschlands Weg in die Gigabit-Gesellschaft sei die Möglichkeit für alle Investoren, die Vectoring-Technologie im Übergang zu FTTB/H (Glasfaser bis zum Haus/Endkunden) gerade auch im Nahbereich zu nutzen. "Die negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Möglichkeit, in Zukunft FTTB/H auszubauen, werden aus unserer Sicht falsch bewertet, obwohl an dieser Stelle auch zahlreiche Wissenschaftler deutliche Kritik geübt haben", so Grützner. "Der Entscheidungsentwurf liegt nun der EU-Kommission vor und wir erwarten, dass sie ein klares Signal für Infrastruktur- und Investitions-Wettbewerb setzt." Es gehe bei der europäischen Entscheidung über den Antrag der Telekom nicht bloß um den weiteren Ausbau der Nahbereiche, sondern vielmehr um eine grundsätzliche ordnungspolitische Entscheidung zum Infrastrukturausbau und zum Wettbewerb in Deutschland.

Welche Entschädigungen der Beschluss für die Wettbewerber vorsieht, wenn sie ihre Technik abbauen müssen, haben wir am Freitag berichtet.

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