teltarif hilft: Illegale Vertrags-Verlängerung auf über 2 Jahre
Obwohl für den Provider die Kasse klingelt, sind sie illegal: Handy-Verträge über mehr als 24 Monate
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Wenn ein Mobilfunk-Kunde kündigt, muss das für den Provider nicht sofort eine Katastrophe bedeuten. Denn bei den Providern gibt es für diesen Fall seit Jahren erprobte Mechanismen - das Ganze nennt sich "Kunden-Rückgewinnung". Wenn der Kunde beim Vertragsabschluss sein Einverständnis für Werbeanrufe gegeben hat (was meist der Fall ist), wird er sofort nach der Kündigung angerufen und erhält ein Angebot zum Bleiben - meist mit sagenhaft klingenden Rabatten.
Leider kommt es in derartigen Fällen, aber auch bei vom Kunden selbst angestoßenen vorzeitigen Vertragsverlängerungen, immer wieder zu Missachtungen der Rechtslage - mit dem Ergebnis, dass ein Mobilfunkvertrag oft deutlich länger läuft als die momentan noch gesetzlich erlaubten maximal 24 Monate. teltarif.de intervenierte kürzlich in zwei exemplarischen Fällen.
mobilcom-debitel: Verlängerung auf insgesamt 33 Monate
Im Sommer 2019 hatten wir über ein wegweisendes Gerichtsurteil gegen mobilcom-debitel berichtet: Das Landgericht Kiel beanstandete eine Klausel in Smartphone-Verträgen zur Verlängerung von Vertragslaufzeiten als rechtswidrig. Die Vertragsbindung darf gesetzlich höchstens 24 Monate betragen. mobilcom-debitel hatte einen Kaufvertrag für ein neues Smartphone mit 24 Monatsraten an eine Verlängerung des bestehenden Handy-Vertrags gekoppelt, wonach dieser insgesamt länger lief als die gesetzlich erlaubten 24 Monate.
Unter Berufung auf dieses Urteil wandte sich nun ein Kunde von mobilcom-debitel an unsere Redaktion und schrieb:
mobilcom-debitel hatte wohl schon gemerkt, dass diese Praxis von den Gerichten gekippt wird. Aus dem Grund hatte mein Vater kurz vorher ein "super gutes Angebot" bereits nach 14 Monaten Laufzeit erhalten, eine Vertragsverlängerung zu bekommen. Leider hat ihn mobilcom-debitel erfolgreich bequatscht, sodass er (natürlich ohne vernünftig darauf hingewiesen worden zu sein) eine neue Vertragslaufzeit "hinten rangehangen bekommen hat". Die höhere Grundgebühr erfolgte sofort. Im Ergebnis hat er also ab der Verlängerung eine Vertragslaufzeit von gut 33 Monaten, also deutlich über dem Erlaubten. mobilcom-debitel will die daraufhin von uns ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht akzeptieren und antwortet in Mails nur mit Marketing-Blabla. Die Hotline kann man natürlich komplett vergessen.Nachdem wir die Sache an mobilcom-debitel zur Klärung übergeben hatten, passierte zunächst zwei Wochen gar nichts. Der Kunde meldete sogar:
Zu der Sache selbst haben wir von mobilcom-debitel gar nichts mehr gehört. Keine einzige Reaktion. Erschwerend kommt eher noch hinzu, dass zwischenzeitlich eine neuerliche Rechnung für den Vertrag gestellt wurde, in der steht, dass der Betrag per Lastschrift eingezogen [wird]. Obwohl wir in den Schreiben eindeutig die Lastschriftermächtigung zurückgezogen haben.Obwohl für den Provider die Kasse klingelt, sind sie illegal: Handy-Verträge über mehr als 24 Monate
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Erste Reaktion von mobilcom-debitel nicht zufriedenstellend
Die erste Reaktion von mobilcom-debitel gegenüber dem Kunden war nicht unbedingt die, die wir erwartet hatten:
Zunächst bitte ich, die verspätete Beantwortung Ihrer E-Mail zu entschuldigen. Wir haben im Rahmen eines Verfahrens vor dem Landgericht Kiel die Unwirksamkeit einer Klausel, welche die Vertragslaufzeit betraf, lediglich in ihrer konkreten Formulierung anerkannt. Ein Sonderkündigungsrecht resultiert daraus nicht. Die weiteren Vertragsvereinbarungen zur Laufzeit, die sich unter anderem aus dem Tarifflyer und der Auftragsübersicht ergeben, sind davon nicht betroffen und weiterhin wirksam. Selbstverständlich respektieren wir Ihren Wunsch nach Auflösung Ihres Vertragsverhältnisses. Gemäß den geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen endet Ihr Vertrag, wie bereits bestätigt, am 09.01.2022. Dies zu Ihrer Information [...].Erst nachdem wir nochmals darauf hingewiesen haben, dass der Vertrag zu den neuen Konditionen deutlich länger läuft als 24 Monate, entschloss sich mobilcom-debitel zum Einlenken und schrieb an den Kunden:
Da uns Ihre Zufriedenheit als Kunden wichtig ist, beende ich den Vertrag zu obiger Rufnummer zum 29.02.2020. Dies geschieht ausdrücklich aus Kulanz und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht. Abschließend habe ich nunmehr die Lastschriftermächtigung zum 09.02.2020 deaktiviert. Ich bitte Sie, künftige Rechnungen nach diesem Zeitpunkt unter Angabe der Ruf- und Kundennummer an die in der Mobilfunk-Rechnung angegebenen Bankverbindung zu zahlen.
1&1: Vertragsverlängerung auf insgesamt 30 Monate
Ungefähr zur selben Zeit erlebte ein Mobilfunk-Kunde bei 1&1 einen ähnlichen Fall. An unsere Redaktion schrieb er:
Ich hatte im September 2019 meinen 1&1-Mobilfunkvertrag verlängert. Die restliche Mindestvertragslaufzeit wurde jedoch zur neuen Vertragslaufzeit von 24 Monaten dazu gerechnet, sodass ich nun eine gesamte Laufzeit von 30 Monaten habe. Ich habe mich dazu bereits mit der 1&1-Hotline in Verbindung gesetzt, die das Vorgehen als üblich bezeichnete und daran nichts ändern könne. Ist das so rechtens? Ich dachte, die gesetzliche Höchstdauer eines Mobilfunkvertrages beträgt 24 Monate? Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir weiterhelfen können.In diesem Fall dauerte die Klärung der Sache nach unserer Intervention bei 1&1 mit Verweis auf das Gerichtsurteil nur wenige Stunden. Noch am selben Tag erhielt der Kunde eine E-Mail mit folgendem Inhalt:Anbei finden Sie die Auftragsbestätigung für den neuen Vertrag. Hier wird zwar eindeutig darauf hingewiesen, dass der bisherige Vertrag bis zum Ende der Laufzeit bestehen bleibt und im Anschluss daran der neue Vertrag beginnt, allerdings wurde mir sofort ab dem 25.09.2019 der neue Vertrag in Rechnung gestellt (48,99 Euro im ersten Jahr, 58,99 Euro im zweiten Jahr). Zuvor hatte ich lediglich 14,99 Euro im ersten Jahr und 24,99 Euro im zweiten Jahr gezahlt. Somit bin ich über 30 Monate an den teureren Vertrag gebunden, ohne dass ich eine Möglichkeit zur Kündigung habe.
Unsere Pressestelle hat mich gebeten, Ihr Anliegen zu bearbeiten. Ihre Hinweise zur Vertragslaufzeit werden wir sofort weitergeben. Ich bedaure wirklich, dass es im Beratungsgespräch zu Missverständnissen gekommen ist. Da mir Ihre Zufriedenheit wichtig ist, habe ich das Laufzeitende des Vertrages [Vertrags-Nummer] auf den 24.09.2021 angepasst. Die Kündigungsfrist beträgt wie gehabt drei Monate zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit.Die beiden geschilderten Fälle erwecken den Eindruck, dass einige Kundenberater bei den Providern entweder tatsächlich nicht wissen, dass derartige Verträge über 24 Monate illegal sind, oder dass sie es wissen und dem Kunden das bewusst verschweigen. Auf jeden Fall sollten Kunden, bei denen ein Vertrag länger als 24 Monate läuft, sich unter Verweis auf das Urteil und diesen Bericht bei ihrem Provider melden und auf eine Reduzierung auf die gesetzlich erlaubten 24 Monate Maximalzeit drängen.
Inzwischen gibt es ohnehin eine konkrete Gesetzesinitiative der Bundesregierung, Vertragslaufzeiten sogar auf ein Jahr zu begrenzen. Das diskutieren wir auch in unserem Editorial Weg mit den langen Laufzeiten.