StreamOn: VG Köln legt Fragen dem EuGH vor
Ob StreamOn gegen die Netzneutralität verstößt, muss jetzt der europäische Gerichtshof in Luxembourg klären.
Foto: Picture Alliance / dpa
Gestern hat das Verwaltungsgericht Köln mit dem Aktenzeichen 9 K 4632/18 beschlossen, das Klageverfahren der Telekom Deutschland zum Thema StreamOn vorerst auszusetzen und diese komplexe Frage dem Europäischen Gerichtshof zur genauen Auslegung der Verordnung (EU) 2015/2120 und den darin enthaltenen Vorschriften über die sogenannte "Netzneutralität" vorzulegen.
StreamOn - was ist zulässig, was vielleicht nicht?
Ob StreamOn gegen die Netzneutralität verstößt, muss jetzt der europäische Gerichtshof in Luxembourg klären.
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Wir erinnern uns: „StreamOn“ ist eine (in unterschiedlichen Versionen) kostenlose Zubuchoption zu Mobilfunktarifen der klagenden Telekom Deutschland GmbH, wobei das auf Audio- und Videostreaming so genannter Contentpartner entfallende Datenvolumen nicht auf das mit dem jeweiligen Mobilfunktarif vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen für die Nutzung der per Mobilfunk bereitgestellten Internetverbindung angerechnet wird (so genanntes Zero-Rating).
Drosselung bei Music & Video
Im Falle von „StreamOn Music&Video“ willigt der Endkunde allerdings in eine grundsätzliche Bandbreitenlimitierung auf maximal 1,7 MBit/s für Videostreaming ein, was von der Bundesnetzagentur als Verstoß gegen die Netzneutralität gesehen wird.
Der Endkunde kann die Zubuchoption und demzufolge auch die Bandbreitenlimitierung jederzeit deaktivieren und reaktivieren, um unter Anrechnung auf sein Inklusivdatenvolumen wieder eine maximale Übertragungsqualität auch für Videostreaming zu ermöglichen. Erfolgt innerhalb von 24 Stunden keine Reaktivierung durch den Kunden, stellt die Telekom automatisiert die Standardeinstellungen (Nichtanrechnung auf das Inklusivdatenvolumen und Bandbreitenlimitierung) wieder her.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 hatte die Bundesnetzagentur untersagt, bei StreamOn die Datenübertragungsrate für Videostreaming auf bis zu 1,7 MBit/s zu reduzieren. Dagegen legte die Telekom Widerspruch ein. Die Bundesnetzagentur wies dies am 8. Juni 2018 als "unbegründet" zurück.
Am 22. Juni 2018 hat die Telekom Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheids vom 15. Dezember 2017 "in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2018" erreichen möchte.
Nachdem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln (1 L 253/18) sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (13 B 1734/18) ergangen sind, hält das Gericht eine Beteiligung des Europäischen Gerichtshofes für geboten.
Knifflige Fragen
Das Gericht möchte vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob Vereinbarungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern namentlich über Merkmale von Internetzugangsdiensten wie Preis, Datenvolumina oder Geschwindigkeit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 und dem dort geregelten Gleichbehandlungsgrundsatz genügen müssen.
Darüber hinaus hat das Gericht dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen im Hinblick auf die Reichweite von Art. 3 Abs. 3 Uabs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 vorgelegt, wonach in unterschiedlichem Ausmaß sog. Verkehrsmanagementmaßnahmen zulässig sein können. Damit möchte das Gericht geklärt wissen, ob die Bandbreitenreduzierung im Falle von StreamOn als eine zulässige Verkehrsmanagementmaßnahme eingestuft werden kann.
Dann geht es um die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 dahingehend auszulegen ist, dass die Bandbreitenreduzierung im Falle von StreamOn das Recht der Endnutzer im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 einschränkt.
Eine Einschätzung
Bis der Europäische Gerichtshof sich in dieser Frage beraten und ein verbindliches Urteil gefällt hat, kann es noch etwas dauern. Das Urteil muss dann in nationales Recht umgesetzt werden.
Sagt der EuGH uneingeschränkt "ja" zum StreamOn-Angebot, hat die Telekom (und analog auch Vodafone) "gewonnen", die Angebote sind dann konform. Sagt das Gericht ganz oder in Teilen "nein", werden Telekom (und Vodafone) ihre Angebote entsprechend anpassen müssen.
Bis zum Urteilstermin könnte der Trend zur Unlimited-Datenflatrate, wie ihn o2 heute eingeläutet hat, soweit fortgeschritten sein, dass StreamOn oder die vergleichbaren "Vodafone Pässe" gar keine Rolle mehr spielen. Für die Telekom hat StreamOn den Charme, dass sie eher einschätzen können, welche Anbieter größere Trafficmengen anliefern könnten und die direkten Schnittstellen herstellt, und schaut, ob die vorhandenen entsprechend dimensioniert sind.
Eine von der Netzgemeinde lieber gesehene Möglichkeit wäre, die Telekom-Peeringpunkte generell für mehr Traffic - egal wohin - aufzubohren. Letzteres kostet aber viel Geld, das die Telekom nur ungern ausgibt. Dafür nimmt sie lieber die Kritik der Internetgemeinde in Kauf, ein restriktives Peering zu haben. Der Endkunde der Telekom merkt das, wenn zu bestimmten Zeiten bestimmte Angebote schlechter als andere zu erreichen sind. Das kann dann durchaus "gewollte" Angebote wie ein Download im Apple iTunes-App-Store sein.
Andere Internet-Provider bieten ihren Großkunden teilweise "besseres Peering" gegen monatlichen Aufpreis an. Nur: Endkunden anderer Provider waren in der Buchung solcher Angebote bisher eher sehr zurückhaltend oder kennen diese Angebote und Möglichkeiten überhaupt nicht.
So oder so: Eine generelle Aufrüstung des Internets wird angesichts weiter massiv steigender Datenmengen unvermeidbar sein.