Späte Reue

Esser: Mannesmann-Kauf durch Vodafone "großes Unglück"

Vor 20 Jahren fand eine in Deutsch­land zuvor unge­kannte Über­nahme­schlacht ein unrühm­liches Ende: Für 190 Milli­arden Euro ging Mannes­mann D2 an die briti­sche Voda­fone.
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Der Weg von D2-Privat führte nach einer Mega-Übernahme-Schlacht im Jahre 2000 in eine Sackgasse. Der Weg von D2-Privat führte nach einer Mega-Übernahme-Schlacht im Jahre 2000 in eine Sackgasse.
Foto: Picture Alliance / dpa
In diesen Tagen vor 20 Jahren unter­schrieb der letzte Mannes­mann-Konzern­chef-Chef Dr. Klaus Esser einige Blätter Papier im Wert von 190 000 000. 000 Euro (190 Milli­arden Euro). Der Inhalt: Die briti­sche Voda­fone plc durfte den Mannes­mann-Konzern samt Mobil­funk, Röhren und einigen weiteren Teilen kaufen. Behalten hat Voda­fone davon nur den Mobil­funk. Die nahtlos verschweißten Rohre und weitere Teile des ehema­ligen Tech­nolo­giekon­zerns fanden sofort neue Besitzer.

Am Anfang war D2 Privat

Der Weg von D2-Privat führte nach einer Mega-Übernahme-Schlacht im Jahre 2000 in eine Sackgasse. Der Weg von D2-Privat führte nach einer Mega-Übernahme-Schlacht im Jahre 2000 in eine Sackgasse.
Foto: Picture Alliance / dpa
Mannes­mann Mobil­funk war 1991/92 unter dem Titel "D2 Privat" gestartet. Als erster privater Mobil­funk­netz­betreiber in Deutsch­land hatte das Unter­nehmen eine eigene Lizenz erhalten. Die Ziel­gruppe des neuen Anbie­ters: Enga­gierte, inter­essierte, anspruchs­volle Kunden aus der Privat- und Geschäfts­welt, die nach einer Alter­native zur damals verstaubt und schwer­fällig agie­renden Behörden-"Post" suchten. Dieses Konzept ging zunächst auf.

Pionier beim Daten­funk

Mannes­mann erkannte früh die Möglich­keiten des mobilen Daten­funks. D2 bot einen Inter­netzu­gang (damals noch in Circuit-Swit­ched-(CSD)-Techik mit 14 400 bps (HSCSD), die Telekom konnte "nur" 9600 bps), D2 Privat lieferte auf Wunsch eine eigene E-Mail-Adresse (user­name@d2privat.de) auf dem Handy (das Angebot gibt es theo­retisch - gut versteckt - heute noch als user­name@vodafonemail.de), alles Dinge, welche damals völlig neu waren und auf begeis­terte Abnehmer stießen.

D2 Privat war Markt­führer

Im Jahre 2000 war Mannesmann (D2) noch Marktführer vor der Telekom (D1) Im Jahre 2000 war Mannesmann (D2) noch Marktführer vor der Telekom (D1)
Grafik: Picture Alliance / dpa
D2 Privat war damals Markt­führer. Nach der Über­nahme durch Voda­fone gab die Haupt­konkur­renz "D1" von DeTeMobil (später T-Mobile und heute Telekom Deutsch­land) richtig Gas und nahm dem Erzri­valen die Markt­führer­schaft ab. Der Gewinn eines connect-Netz­tests im Jahre 2010 durch Voda­fone entfes­selte bei der Telekom eine derar­tige Dynamik, dass die Telekom seitdem alle Netz­tests mit Abstand für sich entscheiden konnte.

Zahl­reiche Verän­derungen

Nach der Über­nahme der Mannes­mann AG durch den briti­schen Konzern Voda­fone vermissten viele treue Kunden die persön­liche Betreuung und Bera­tung. Fortan galten über­wiegend kosten­orien­tierte Aspekte. In den Shops neigten manche Berater dazu, ihren Kunden "mehr" zu verkaufen, als sie eigent­lich haben wollten oder über­haupt verstanden haben.

Der Vorteil des neuen Welt­konzerns waren güns­tige Einkaufs­preise, insbe­sondere in "befreun­deten" oder zum Verbund gehö­renden Netzen. Viele Funk­tionen wurden zentra­lisiert und ausge­lagert.

Das indi­sche Aben­teuer

Weil der spätere Voda­fone-Chef Arun Sarin indi­sche Wurzeln hatte, stieg Voda­fone auf dem kompli­zierten indi­schen Markt ein. Voda­fone Indien hatte alleine keinen Erfolg und musste sich mit einem Partner zusam­menschließen. Ein neuer Wett­bewerber eines stein­reichen (das ist wört­lich zu nehmen) indi­schen Unter­nehmers löste einen gnaden­losen Preis­krieg aus, weswegen Voda­fone in Indien auf keinen grünen Zweig mehr kommt. Ideen, das Land zu verlassen wurden immer lauter disku­tiert.

Zwischen­zeit­lich hat Voda­fone einige Akti­vitäten einge­stellt oder verkauft, sei es in Südafrika Schweden oder Neusee­land. In Austra­lien verbün­dete sich Voda­fone mit Hutchison. Die Verflech­tungen mit dem ameri­kani­schen Groß­anbieter Verizon, der die Mannes­mann-Anteile von Pacific Telesys "geerbt" hatte, wurden aufwendig getrennt, dafür konnte Voda­fone seine Kasse stabi­lisieren.

Das Geld für Indien und andere welt­weite Invest­ments fehlte lange in Deutsch­land. Die (gefühlte) Netz­qualität ging zurück oder drin­gend notwen­dige Ausbauten oder Nach­rüstungen fanden erst später statt. Bei der Diskus­sion um die aktu­elle Netz­versor­gung stehen die Mobil­funker im Kreuz­feuer. Diesem Punkt versucht Voda­fone Deutsch­land im Rahmen seiner Möglich­keiten gegen­zusteuern, steht aber deut­lich im Schatten der dies­bezüg­lichen Akti­vitäten der Telekom.

Lücken beim Netz­ausbau

Um teure Signalleitungen der Telekom zu den eigenen Sendetürmen vermeiden, setzte Mannesmann zu Beginn auf Richtfunkverbindungen. Um teure Signalleitungen der Telekom zu den eigenen Sendetürmen vermeiden, setzte Mannesmann zu Beginn auf Richtfunkverbindungen.
Foto: Picture Alliance / dpa
Wenn man sich aber den Netz­ausbau von Voda­fone im Detail anschaut, entdeckt man Groß­städte wie z.B. Wies­baden (Landes­haupt­stadt von Hessen), wo das Netz von Voda­fone erwie­sener­maßen schlechter als das oft geschol­tene Netz von Telefónica o2 ist. Dieses Ergebnis fällte das über alle Zweifel erha­bene Netz­test-Mess-Unter­nehmen Umlaut, vielen noch als "P3" bekannt. Umlaut fand aber auch Orte, wo Voda­fone bei der Indoor-Versor­gung deut­lich besser als die Konkur­renz ist.

Inter­view mit Ex-Mannes­mann-Chef Klaus Esser

Ex Mannesmann Chef Dr. Klaus Esser (Aufnahme von 2006) Ex Mannesmann Chef Dr. Klaus Esser (Aufnahme von 2006)
Foto: Picture Alliance / dpa
Zum Jubi­läum der Mega­fusion hat die in Düssel­dorf erschei­nende Rhei­nische Post nach 20 Jahren den ehema­ligen Mannes­mann Chef Manfred Esser befragt.

Seine rück­blickende Einschät­zung: "Die Über­nahme durch Voda­fone war ein großes Unglück" - und weiter: "Unsere Erfolgs­geschichte wurde abge­brochen", anwor­tete der heute 72-jährige ehema­lige Manager auf die Fragen der Reporter. "Die Fort­führung unserer Stra­tegie wäre für die Mitar­beiter, Kunden und Aktio­näre besser gewesen, weil es mehr Wachstum und Gewinn gegeben hätte", betonte Esser. Mannes­mann ist damals Pionier in der mobilen Daten­kommu­nika­tion gewesen, erin­nerte sich der Manager. "Es wäre mit uns viel früher gekommen", sagte Esser. Auch bei der Inte­gration von Fest­netz und Mobil­funk war der Konzern vor der Fusion Vorreiter gewesen.

Der Mannes­mann-Aufsichtsrat hatte am 4. Februar 2000 nach einer langen, am Ende vergeb­lichen Abwehr­schlacht, dem Verkauf an den briti­schen Rivalen zuge­stimmt. Mit einem Kauf­preis von 190 Milli­arden Euro gilt das Geschäft bis heute als die teuerste Über­nahme aller Zeiten. Die Belegschaft von Mannesmann Mobilfunk lehnte den Megadeal überwiegend ab und ging auf die Straße. Die Belegschaft von Mannesmann Mobilfunk lehnte den Megadeal überwiegend ab und ging auf die Straße.
Foto: Picture Alliance / dpa

Streit um Prämie beigelegt

Aufsehen erregte damals auch die 16-Millionen-Euro-Prämie, die Esser nach der Über­nahme vom Aufsichtsrat zusätz­lich zur Auszah­lung seines Vertrages erhielt. Die Prämie führte zur einem jahre­langen Prozess, der bis zum Bundes­gerichtshof führte. Am Ende wurde das Verfahren gegen die betei­ligten Aufsichts­rats­mitglieder und Esser gegen Geld­auflagen - teil­weise in Millio­nenhöhe - einge­stellt.

Esser versteht, dass die meisten Menschen damals gefunden hätten, die Prämie sei "zu hoch". Doch die Mannes­mann-Aktio­näre hätten die 16 Millionen Euro ange­sichts einer Kurs­stei­gerung von 150 Milli­arden Euro ange­messen gefunden. "Natür­lich hätte ich lieber keine Prämie bekommen und weiter meine Arbeit für Mannes­mann und die Aktio­näre gemacht", räumte Esser inzwi­schen ein.

Wäre eine Rück­abwick­lung möglich?

Gedan­kenspiele, wonach Voda­fone Deutsch­land wieder alleine und ohne Altlasten in Deutsch­land oder mit neuen Part­nern glück­lich werden könnte, sind unwahr­schein­lich, da wesent­liche Netz- und Ablauf-Funk­tionen im Voda­fone-Konzern schon lange stark zentra­lisiert wurden und nur mit Mühe (und hohen Kosten) wieder ausein­ander genommen werden könnten.

Auch der Kauf von Voda­fone Deutsch­land durch einen anderen inter­natio­nalen Mobil­funk­anbieter ist ziem­lich unwahr­schein­lich, weil die schiere Größe des Deals sofort die EU-Wett­bewerbs­hüter auf den Plan rufen würde. Voda­fone Deutsch­land ist einer der profi­tabelsten Zweige im Konzern, weswegen ein Käufer einen ziem­lich hohen Preis bieten müsste, um diese "Perle" erwerben zu können.

Voda­fone auf Einkaufs­tour

Vor zwanzig Jahren entstand aus der ehemaligen Mannesmann Mobilfunk ("D2-Privat") die heutige Vodafone (zunächst Vodafone D2). Vor zwanzig Jahren entstand aus der ehemaligen Mannesmann Mobilfunk ("D2-Privat") die heutige Vodafone (zunächst Vodafone D2).
Foto: Picture Alliance / dpa
Dafür durfte Voda­fone Deutsch­land mit Zustim­mung der Zentrale die Kabel-TV-Anbieter Kabel Deutsch­land und Unity­media kaufen, um auf diese Weise ein eigenes Fest­netz näher am Kunden zu bekommen. Das spart die hohen Miet­kosten, um die "letzte" Meile vom Voda­fone-Signal-Verteiler bis zur heimi­schen Anschluss­dose des Kunden nutzen zu können. Neben­effekt sind dabei auch Leitungen, worüber Voda­fone seine Sende­stationen errei­chen möchte. Nur befindet sich diese Infra­struktur über­wiegend in dicht besie­delten Städten und nicht auf dem Land, wo drin­gend ärger­liche bis gefähr­liche Funk­löcher zu stopfen sind. Hier müsste Voda­fone weiter teure eigene Leitungen legen oder von anderen Anbie­tern (zumeist der Telekom) mieten.

Ruhig geworden ist es auch um Über­legungen, im Zuge des Brexit die Zentrale der inter­natio­nalen Voda­fone Group nach Deutsch­land umzu­siedeln. Im Gespräch war dabei der Standort Düssel­dorf.

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