Editorial: VoLTE-Probleme kosten Netzbetreiber viel Geld
VoLTE und WLAN Call funktionieren nicht immer
Foto: teltarif.de
Schon vor gut fünf Jahren
kritisierte ich die schleppende Implementation
des damals noch recht neuen Sprachtelefoniestandards
VoLTE
in die schon vor einigen Jahren gestarteten
LTE-Netze. Nun, die Situation hat sich
seitdem gebessert, und tatsächlich funktioniert VoLTE mit der Mehrzahl
der Endgeräte in der Mehrzahl der Netze. Aber es gibt immer noch
Kombinationen, in denen die VoLTE-Telefonie versagt bleibt,
beispielsweise mit Nokia 6.2 und 7.2 im Telekom-Netz.
Und je komplexer die Konfiguration, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht funktioniert: Selbst, wenn Gerät G mit einer Vertrags-SIM in Netz A und Netz B jeweils VoLTE beherrscht, heißt das noch lange nicht, dass man mit der SIM von Netz A VoLTE auch beim Roaming in Netz B erhält. Über die diversen Prepaid-Anbieter, die inzwischen immerhin nach und nach ihre Kunden für LTE freischalten, aber VoLTE weiterhin nicht für nötig erachten, reden wir gar nicht erst.
Netzumstieg verzögert
VoLTE und WLAN Call funktionieren nicht immer
Foto: teltarif.de
Sicher sind die Netzbetreiber am genannten VoLTE-Wildwuchs nicht ganz
unschuldig. Zum Start von 4G/LTE verfügten sie ja bereits über zwei
gut funktionierende Netze für Sprachtelefonie, nämlich 2G und 3G, die
aber für Datendienste so gut wie gar nicht geeignet waren (2G) bzw.
gerade so eben (3G). Bei 4G standen also die Datendienste im Mittelpunkt,
Sprache war "nett zu haben", aber nicht missionskritisch. Und so wurde
VoLTE die beschriebene stiefmütterliche Rolle zuteil, die bis heute
zu vielen Inkompatibilitäten führt.
Genau das könnte den Netzbetreibern jedoch bald auf die Füße fallen: Inzwischen steht der nächste Mobilfunk-Generationswechsel an, neben Antennen für 2G, 3G und 4G hängen an immer mehr Masten auch Transmitter für 5G. Dieser Parallelbetrieb ist natürlich teuer und Ressourcen-aufwändig. Aber weil die VoLTE-Sprachdienste bis heute nicht so gut funktionieren wie die GSM- oder UMTS-Sprachdienste, verzögert sich die Abschaltung der alten Netze.
Die Mobilfunkbranche hängt hier in einem Gefangenen-Dilemma: Wer das eigentlich richtige macht, nämlich die VoLTE-Entwicklung forciert, der hat die Kosten, während andere, die einfach nur die Ergebnisse der aktiven VoLTE-Entwickler kopieren, ebenfalls von diesen Entwicklungen profitieren. Also strengt sich keiner besonders an. So bleibt die VoLTE-Inkompatibilitätsliste lang, gerade im Bereich der "Einsteiger"-Geräte, also jener Kunden, die eigentlich am stärksten darauf angewiesen sind, dass die Geräte nach dem Einschalten vollumfänglich funktionieren. Denn dem Käufer eines 800-Euro-Smartphones wird im Zweifelsfall vom Verkäufer beim nachträglichen Aktivieren von VoLTE eher geholfen als dem Käufer eines 80-Euro-Smartphones.
Staatliche Vorgaben!?
Lösen lässt sich das Dilemma eigentlich nur über staatliche Vorgaben bei der Ausschreibung von Mobilfunk-Lizenzen. Die aus anderen Gründen sicher sinnvolle Technikneutralität könnte zum Beispiel dahingehend eingeschränkt werden, dass nur solche Technologien eingesetzt werden dürfen, bei denen sichergestellt ist, dass alle aktuellen Endgeräte, mit denen Telefonie in älteren Netzstandards und Datendienste im aktuellen Netzstandard möglich sind, im neuen Netz auch Telefonie ermöglichen müssen. Aber auch hier gilt: Macht nur ein Staat solche Vorgaben, dann tragen wiederum nur die Netzbetreiber dieses Landes die Lasten. Es müssten sich also schon mehrere Staaten bezüglich entsprechender Vorgaben zusammenschließen.