Hintergrund

Wenn der DSL-Anschluss mit der Limonade kommt

Wenn ein Provider bei einem lokalen Netzbetreiber einen Anschluss schalten will, muss sich darum im Hintergrund jemand kümmern. Eine dieser Firmen stellen wir in einem Hintergrundtext vor.
Von Thorsten Neuhetzki

Das Firmengebäude der Vitroconnect in Gütersloh Das Firmengebäude der Vitroconnect in Gütersloh
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Eigentlich ist alles für den Kunden ganz einfach: Er bestellt auf der Webseite seines neuen Internet-Providers seinen neuen Anschluss, einige Tage später kommt das neue Modem nach Hause, die Zugangsdaten und die neue Telefonnummer kommen samt Schalttermin per E-Mail und irgendwann nimmt dann ein Techniker die neue Leitung in Betrieb. Doch in der Praxis passiert im Hintergrund oftmals eine ganze Menge mehr - automatisiert, hochskalierbar und trotzdem enorm komplex. Wir hatten die Möglichkeit, bei Vitroconnect in Gütersloh hinter die Kulissen zu schauen. Die Firma kümmert sich als Dienstleister darum, dass Provider bei Netzbetreibern Leitungen und andere Dienste einkaufen und unter eigenem Namen vermarkten können - wenn gewünscht, auch mit weiteren Zusatzfeatures.

Wofür braucht der Markt solche technischen Plattformen?

Das Firmengebäude der Vitroconnect in Gütersloh Das Firmengebäude der Vitroconnect in Gütersloh
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Wenn die Deutsche Telekom im eigenen Netz einen Anschluss schaltet, ist eigentlich alles ganz einfach, da sie alles selbst erledigen oder aber einen Dienstleister zur Schaltung gezielt beauftragen kann. So weit - so einfach. Doch der Markt in Deutschland besteht nicht nur aus der Telekom. Zahlreiche Provider vermarkten Anschlüsse unter eigenem Namen, teils ohne je einen Meter Glasfaser oder Kupfer verlegt zu haben. Gleichzeitig verlegen hunderte andere Firmen in Deutschland Leitungen in die Erde und suchen Abnehmer dafür. Provider und Leitungsanbieter technisch zusammenzubringen - das ist die Aufgabe der Vitroconnect.

Auf lange Sicht gesehen, wird der Markt für die Provider und Netzbetreiber sehr kleinteilig werden. Denn in immer mehr Städten verlegen Stadtwerke oder andere kommunale Unternehmen Leitungen, um unabhängig von der Kupferleitung zu werden. Gleichzeitig wollen aber auch bundesweit tätige Marken und Brands diese Anschlüsse vermarkten und ihren eigenen "Aufkleber" auf die Leitung kleben - so kann auch der regionale Anbieter seine Auslastung im Netz erhöhen.

Kein Wholebuy und Wholesale ohne Schnittstelle

Würde nun jeder Provider mit jedem Netzbetreiber individuelle Schnittstellen vereinbaren, die Buchungen austauschen und Leitungen bestellen - es wäre ein bürokratischer Akt sondergleichen. Und auch technisch wäre es nicht trivial, da es zu viele Schnittstellen zum Datenaustausch gibt, als dass sich ein kleiner lokaler Anbieter die Anpassungen leisten könnte, um mit jedem Provider bzw. Diensteanbieter zu interagieren. Millionen seien hier in den vergangenen Jahren bei einzelnen Anbietern versenkt worden, ohne dass es einen Erfolg gab. Hier kommt nun Vitroconnect ins Spiel. Die Gütersloher schaffen Adapter für die Schnittstellen von Providern und Netzbetreibern, so dass diese mit ihrem System - der Vitroconnect CAP (Carrier Aggregation Platform) - kompatibel sind.

Dabei geht es bei der Plattform nicht nur darum, dass Provider A bei Netzbetreiber B eine DSL-Leitung einkaufen kann. Die Plattform kann - wenn gewünscht - weitaus mehr. Denn wenn der Endkunde von Provider A eine Telefonnummer nutzen möchte, kann diese bei Dienstleister C eingekauft werden, das Modem für den Kunden auf Wunsch direkt verschickt werden und wenn es sein muss, kommt auch noch eine Limonade mit dem neuen Internetanschluss nach Hause. Die Limonade als Neukundengeschenk ist nur ein Beispiel, denn unterm Strich lassen sich Bündelprodukte jeglicher Art schnüren: Internet, Telefon, TV-Produkte, ein Cloud-Speicher, eine Antiviren-Software - oder eben eine Limonade. "Alles, was automatisiert bestellt werden kann, können wir im System erfassen", so Vitroconnect.

Schnittstellen zwischen Anbietern passen selten

Kabelverzweiger: Hier werden VDSL-Leitungen realisiert Kabelverzweiger: Hier werden VDSL-Leitungen realisiert
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Bestellt ein Kunde nun seinen DSL- oder Glasfaseranschluss über die Webseite seines neuen Providers, so können diese eingegebenen Daten über Schnittstellen direkt bei Vitroconnect landen. Alternativ kann auch noch ein Mitarbeiter des neuen Providers auf die Daten schauen, ob sie vollständig sind. Über die Plattform wird dann eine Abfrage gemacht, welcher Anbieter am Kundenstandort verfügbar ist und welche Bandbreite anliegt. Das und die Eingabe der Kundendaten kann automatisch über Schnittstellen erfolgen. Doch gerade kleinere Anbieter, die nur wenige Bestellungen pro Woche haben, geben die Kundendaten eher manuell über ein Web-Interface ein. Das CAP-System wertet diese Daten, egal über welchen Weg sie eingegeben werden, aus und vereinheitlicht die Angaben so, dass sie vom System verarbeitet und am Ende an den schaltenden Netzbetreiber übergeben werden können. "Keine zwei Anbieter im Markt sind gleich", betonen die Verantwortlichen von Vitroconnect und wollen damit deutlich machen, was die Vorteile der Vitroconnect-CAP sind.

Die "prozessgesteuerte, vollautomatische Vermarktungs-Plattform" bringt also Infrastruktur- und Diensteanbieter unterschiedlichster Couleur zusammen. Auf Wunsch werden auch weitere Dienstleistungen wie Rechnungslegung oder der Versand von Hardware an die Kunden übernommen. Das Ziel ist es, eine für jeden Nachfrager schlüsselfertige Schnittstellenlösung bereitzustellen. Für Provider wie innogy übernimmt Vitroconnect sogar den Netzbetrieb bzw. die Netzwerküberwachung. Und Netzbetreiber wie EWE Tel schalten Anschlüsse für ihre eigenen Kunden über Vitroconnect - obwohl Provider und Netzbetreiber EWE heißen. Dieses Modell wird auch mit anderen Betreibern gefahren: Netzbetreiber kaufen im eigenen Unternehmen über den Gütersloher Dienstleister ein. Was kompliziert klingt, vereinfacht für die Netzbetreiber die Aufgaben in der Praxis. Langfristig muss das nicht immer so sein: Die jeweiligen Bausteine kann sich der Netzbetreiber nach und nach auch wieder zurückholen, wenn dieser das wünscht.

Der Blick in die Zukunft

Mit der wachsenden Zahl kleinerer FTTH-Netze und der aufkommenden Bereitschaft zu Wholesale und Wholebuy ist davon auszugehen, dass Plattformen wie die von Vitroconnect immer wichtiger werden. Open-Access- bzw. Wholesale-Plattformen gibt es in Deutschland mehrere. Oft werden Sie von einzelnen Anbietern direkt selbst betrieben, beispielsweise von Versatel, United Internet oder QSC.

Als netzunabhängige Plattform und ohne eigene Endabnehmer kann Vitroconnect jeden Marktteilnehmer jeweils die Rolle einnehmen lassen, die dieser einnehmen will: Der Infrastrukturanbieter, der die Anschlüsse selbst vermarkten will und eventuell - weil gefördert gebaut wurde - über Open Access anderen anbieten können muss, oder der Diensteanbieter, der jeweils an einer Adresse das beste Produkt vermarkten will.

Die Funktionsweise und Vorteile von Glasfaser-Lösungen erläutern wir in unserem FTTH-Ratgeber.

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