Langzeit-Test

Windows 10 im zweimonatigen Praxistest: Gut genug?

Wir haben die finale Version von Windows 10 zwei Monate im Alltag getestet und verraten Ihnen, wie gut das System wirklich ist.
Von Daniel Rottinger

Windows 10 muss sich unserer Kritik stellen Windows 10 muss sich unserer Kritik stellen
Bild: teltarif/Microsoft
Windows 10 ist nun seit rund zwei Monaten verfügbar und hat bereits einige Updates und Sicherheits­aktualiersierungen hinter sich. Wir verraten Ihnen, wie unser Eindruck von dem neuen Betriebssystem nach 60 Tagen im Alltagseinsatz ist.

Zunächst gestaltet Microsoft den Umstieg auf das neue OS relativ leicht, zumindest, wenn Nutzer über ein aktuelles System mit Windows 7 oder 8 verfügen. Der von einigen als eher nervig empfundene Hinweis auf die Upgrade-Möglichkeit ist dabei gleichzeitig der Einstiegspunkt in die Windows-10-Welt. Werden mutige Nutzer durch einen frühen Umstieg belohnt oder sollten Anwender noch etwas warten?

Gilt der alte Spruch: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt?

Windows 10 muss sich unserer Kritik stellen Windows 10 muss sich unserer Kritik stellen
Bild: teltarif/Microsoft
Gerade in den ersten Tagen nach dem Release prasselten auf Windows-10-Nutzer eine Vielzahl an Updates ein, die einige Kinderkrankheiten aus dem OS entfernt. Auch die neuen Datenschutzregeln unter Windows 10 warfen bei vielen Anwendern Fragen auf, die von der Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz aufgegriffen wurden. Vor allem die vordefinierten Express-Einstellungen stellten dabei aus Sicht der Verbraucherschützer einen zu starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Nutzer dar.

Grundsätzlich hat Microsoft in puncto Datenschutz keine Veränderungen seit dem Launch vor­genommen, dennoch stehen Nutzer nun deutlich mehr Informationen und Tools zur Verfügung, als dies noch vor wenigen Wochen der Fall war. Ende des Jahres wird der Konzern zudem ein sogenanntes Enterprise-Feature-Update veröffentlichen, mit dem sich die Datenübermittlung eindämmen lässt.

Wir berichteten etwa über die Möglichkeit, mit dem kostenfreien Tool ShutUp10 die wichtigsten Datenschutz-Themen innerhalb weniger Sekunden in Angriff zu nehmen. Zudem gehen wir in einem Ratgeber darauf ein, wie Anwender die smarte Suchassistentin Cortana zähmen können. Gerade die Informationslage Ende September 2015 spricht dafür, dass Nutzer, die das Upgrade erst jetzt ausführen, wichtige Einstellungen ohne langes Nachdenken konfigurieren können. Weiterhin hat Microsoft erst vergangene Woche eine aktualisierte Version des Upgrades bereitgestellt, welche bereits eine Vielzahl der Sicherheitsupdates beinhaltet und somit nach der Installation nicht mehr langwierig geupdated werden muss. Kurzum: Nutzer können jetzt ohne Bedenken upgraden.

Neue (Sprach-)Funktionen sind nicht für alle

Hinweis lädt zum Upgrade ein Hinweis lädt zum Upgrade ein
Bild: Microsoft
Die Entwickler haben bei Windows 10 zahlreiche neue Funktionen integriert, die sich allerdings nur bei eingeschalteten Daten-Zugriff vollständig nutzen lassen. Vor allem die Sprach- Assistentin Cortana ist sehr wissbegierig und ist ein echter Daten-Nimmersatt. Um etwa die Terminverwaltung nutzen zu können, müssen Anwender den Zugriff auf ihren Kalender gewähren. Die Daten sind vor allem im Vergleich zu Windows 7 noch wesentlich stärker an das Microsoft-Konto geknüpft. Natürlich können Anwender auch komplett auf die neuen Features verzichten und Cortana deaktivieren.

Unserer Erfahrung nach kann es eine deutliche Erleichterung sein, wenn man Cortana mit den notwendigen Informationen ausstattet: Statt die Kalender-App zu öffnen, reicht es etwa per Spracheingabe zu sagen: "Cortana, trage für morgen Schwimmen in meinen Kalender ein" und der entsprechende Kalendereintrag wird innerhalb weniger Sekunden erstellt. Hierbei gelingt es den Microsoft-Entwicklern gut, den Komfort einer Smartphone-App auf den Desktop-PC zu portieren. Über den Notizbuch-Reiter kann der Nutzer zudem einstellen, welche Information er gerne auf der Cortana-Startseite sehen möchte.

Virtuelle Desktops für unterschiedliche Einsatzzwecke

Ein weiteres neues Feature im Windows-Umfeld ist die Möglichkeit, mehrere virtuelle Desktops anzulegen. So kann etwa der erste Bildschirm als Arbeitsumgebung genutzt werden und mit Office-Programmen, der Mail-App und sonstigen Helferlein aus­gestattet werden, während der zweite Desktop eher dem Unterhaltungsaspekt dient. Dabei kann etwa das aktuelle Treiben auf Facebook beobachtet, über die Spiele-Anwendung Xbox mit anderen Gamer gechattet und bei Spotify & Co. aktuelle Musik wiedergegeben werden. Diese Multi-Desktop-Funktion möchten wir nach zwei­monatiger Praxistest nicht mehr missen.

Virenschutz mit dem Windows Defender

Im Internet gibt es nicht nur jede Menge interessante Inhalt zu entdecken, sondern es lauern auch zahlreiche Bedrohungen für den Windows-PC. Um sich vor Schad­software zu schützen, greifen viele Nutzer zu einem Antiviren-Programm von Dritt­anbietern. Bei Windows 10 offeriert der IT-Konzern seinen Anwendern mit Windows Defender eine vorinstallierte Lösung, die den Rechner gegen Bedrohungen aus dem Netz schützen soll.

Auf der einen Seite ist die Anwendung tatsächlich hilfreich, da Nutzer bereits direkt nach der Installation und dem Einspielen der Windows-Updates lossurfen können, ohne zunächst ein Virenschutzprogramm zu installieren.

Anderseits kann der Windows Defender relativ leicht übersehen werden, weshalb vermutlich auf dem ein oder anderen PC eine Drittanbieter-Software zusätzlich installiert wird, ohne dass Anwender zuvor den Defender deaktivieren. Von ihrem Naturell halten die Antiviren-Programme relativ wenig von Arbeitsteilung, weshalb es hier zu Kompetenzstreitigkeiten kommen kann und das System dadurch eher anfälliger für Viren wird.

Der Defender ist übrigens ein Performance-Künstler und hält sich sehr stark zurück. Allerdings sollte er in regelmäßigen Abständen händisch vom Nutzer aktualisiert werden, um das System vor potenziellen Gefahren zu schützen.

Windows Hello: Anmeldedienst mit Hürden

Windows Hello funktioniert nur auf ausgewählten Geräten Windows Hello funktioniert nur auf ausgewählten Geräten
Bild: Microsoft
Im Alltag werden sich wohl die wenigsten Nutzer mit Windows Hello beschäftigen, schließlich ist der neue Anmeldedienst nur mit spezieller Hardware nutzbar. So gibt es die 3D-Cam RealSense von Intel und einige wenige Fingerabdruck­sensoren, die das System unterstützten. Ziel ist es übrigens, dass Nutzer sich keine Passwörter mehr merken müssen, sondern stattdessen einfach in die Kamera lächeln oder ihren Finger scannen lassen, um den PC zu entsperren oder Einkäufe im Store zu tätigen. Bis die Technik allerdings Verbreitung im Massen­markt gefunden hat, dürfte jedoch noch etwas Zeit vergehen. Wir konnten das Feature bereits selbst ausprobieren und berichten über unsere Erfahrungen in einem weiteren Artikel.

Home versus Pro

Bereits im Vorfeld des Launch ist durchgesickert, dass Microsoft einige Ein­schränkungen bei der Home-Edition von Windows 10 eingearbeitet hat: So unter­liegen Nutzer etwa einem Update-Zwang. Doch wie gravierend sind diese im Alltag und wirken sie sich wirklich nachteilig aus? Jein, nach unseren Erfahrungen mit Windows 10 Home ist die mangelnde Update-Flexibilität relativ schnell vergessen und die fehlenden Einstellungen werden nicht mehr als wirkliches Ärgernis wahr­genommen. Feature-Updates, die ohne Nachfrage installiert werden, sind zwar zunächst ungewohnt, doch einen echten Nachteil konnten wir dadurch bislang noch nicht feststellen. Vermutlich dürfte sich erst bei dem ersten größeren Feature-Update zeigen, wie sich der Update-Zwang auf das OS langfristig auswirkt. Ärgerlich ist der Update-Zwang allerdings für Nutzer die sich ins mobile Datennetz einklinken und dadurch ihren Datentraffic aufbrauchen. Ein weiterer Aspekt, der nur in der Pro-Variante vorhanden ist, stellt die Bitlocker-Funktion dar. Damit lassen sich einzelne Laufwerke verschlüsseln und somit wird Langfinger beim Laptop-Diebstahl der Zugang zu Daten erschwert. In der Praxis lässt sich die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung per Bitlocker-Feature einfach vom Nutzer realisieren und kann somit durchaus als nützliches Präventionstool angesehen werden. Ob die Funktion allerdings für die Versions-Entscheidung ausschlaggebenden ist, müssen die Anwender letztendlich selbst entscheiden.

Arbeitstempo: Flott unterwegs

Startmenü feiert sein Comeback Startmenü feiert sein Comeback
Bild: teltarif
Neben dem reinen Blick auf den Sekundenzeiger, um festzustellen, ob ein Programm unter Windows 10 schneller ausgeführt wird, als es bei Windows 7 oder 8 der Fall ist, bietet Windows 10 wesentlich mehr: So haben die Entwickler die interne Suche deutlich optimiert und bereits nach dem zweiten Buchstaben wird zumeist die Anwendung angezeigt, die der Nutzer öffnen möchte. Dadurch ergibt sich eine echte Zeitersparnis. Weiterhin werden sich viele Desktop-Nutzer über das Comeback des Startmenüs freuen, welches den klassischen Windows-Charme versprüht, aber dennoch aufgefrischt wirkt. So können Anwender etwa auf der rechten Startmenüspalte ihre Live-Kacheln anbringen und können etwa aktuelle Börsenkurse direkt ablesen, ohne dass dafür eine separate App gestartet werden muss. Prädikat: Sehr praktisch. Aber auch bei der Boot-Geschwindigkeit zeigt sich das neue OS von seiner guten Seite. Im Vergleich zu Windows 7 und 8 gibt es hier kaum Abweichungen.

Mediacenter (fast) ersatzlos gestrichen

Der Schritt, die Mediacenter-Lösung aus dem Betriebssystem zu verbannen, hatte im Vorfeld bei einigen Nutzern für Verstimmung gesorgt und wurde als Minuspunkt angesehen. Während der gesamten zwei Monate hatten wir die Funktion jedoch nicht vermisst. Für Cineasten, die gerne eine DVD ansehen möchten, stellt der Konzern eine Player-App zur Verfügung, die je nach Windows-Version bereits kostenfrei mitgeliefert wird oder erst käuflich erworben werden muss. Der hohe App-Preis von 14,89 Euro dürfte dabei die meisten Interessenten eher abschrecken. Eine Wieder­gabe von Blu-rays ist damit ebenfalls nicht möglich. Ein K.O.-Kriterium ist die fehlende Media-Center-Software allerdings nicht. Eine kostenfreie Media-Center-Alternative haben wir Ihnen in diesem Artikel vorgestellt.

Persönlicher Kommentar von Daniel Rottinger
Daniel Rottinger Wer bei Windows 10 eine Plus-Minus-Spalte aufmachen möchte, wird das Resultat wohl kaum auf andere Nutzer übertragen können. Klar, es gibt bei Windows 10 klare Ecken und Kanten, wie etwa die Datenschutz-Voreinstellungen und den Update-Zwang. Allerdings lassen sich diese beiden Aspekte auch relativ leicht gedanklich ausblenden, nachdem der erste Missmut überstanden ist. Andere Nutzer reiben sich hingegen an diesen Punkten und sehen Cortana als eine Bedrohung der NSA an. Auch die Verstimmungen über den Updatezwang veranlassen manche Nutzer die 10er-Version von Windows zu meiden. Ob Windows 10 als nachhaltige Plattform überzeugen kann, die durch Feature-Updates immer weiter wächst, muss sich allerdings erst noch zeigen.

Da die Upgrade-Installation im ersten Jahr kostenfrei ist, entstehen für die meisten Anwender beim Wechsel auf Windows 10 keine Kosten. Dennoch möchte ich abschließend einen Preis festlegen, den ich zu zahlen bereit wäre. Rund 70 Euro erscheinen mir als eine Art "Wunschpreis" für die neuste Windows-Version angemessen.

Ein guter Zeitpunkt für den Einstieg? Echte Bugs, die sich störend auf das Arbeiten auswirken, sind uns nach dem Einspielen der ersten Updates nicht mehr aufgefallen. Tempomäßig ist das OS mit dem direkten Vorgänger Windows 8 etwa gleichauf und auch der Umfang der Standard-Apps stimmt. Persönlich habe ich die Datenschutz-Einstellungen an meinen Privatsphäre-Vorlieben angepasst und mich mit den Zwangs-Updates schlichtweg abgefunden.

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