Zattoo Content-Chef: "Joyn+ ist nicht nachhaltig"
Zattoo gehört zu den Pionieren auf dem deutschen Streaming-Markt, jedoch setzen die Schweizer im Gegensatz zu Netflix & Co. auf eine Mischung aus linearem Fernsehen und On-Demand-Inhalten sowie enge Partnerschaften mit Netzbetreibern. Wie sich der Dienst im neuen Jahr aufstellen wird und auf neue Wettbewerber reagiert, erläutert Content-Chef Jörg Meyer im exklusiven teltarif.de-Interview.
teltarif.de: Herr Meyer, wir sind gerade frisch in eine neue Dekade gestartet. Nicht wenige Branchenexperten prophezeien mit Blick auf Disney, Apple, Netflix, Warner und Amazon, es könnte für lineares Fernsehen womöglich sogar die letzte sein. Halten Sie diese Einschätzung für berechtigt?
Jörg Meyer: Unbestritten ist der Trend, dass gerade jüngere Zuschauer zunehmend Zeit damit verbringen, VoD-Inhalte auf den von Ihnen genannten Plattformen oder auch den Mediatheken der Sender zu schauen. Gleichzeitig geht in diesen Zielgruppen die Zeit, in der das Programm der klassischen linearen TV-Sender live verfolgt wird, zurück. Aber auch heute noch entfällt mit großem Abstand die meiste Zeit der geschauten Stunden auf lineares Fernsehen. Zudem sehen wir, dass zunehmend "linearisierte VoD-Inhalte" angeboten werden. Dass heißt VoD-Inhalte werden in der ein oder anderen Form zu Kanälen zusammengefügt oder starten automatisch um dem Zuschauer von der stündlichen Suche nach für ihn interessanten Sendungen zu befreien.
Verallgemeinernd kann man sagen, dass reine VoD-Anbieter zunehmend an der Linearisierung von Inhalten auf ihrer Plattform arbeiten, während Anbieter aus dem Bereich des klassischen Fernsehens ihre Angebote um On-Demand-Funktionalitäten erweitern. In Summe bin ich davon überzeugt, dass wir auch im nächsten Jahrzehnt noch lineare Angebote haben werden. Diese werden im Vergleich zu heutigen Angeboten deutlich personalisierter sein, vielleicht mit Live-Events aus den Bereichen Show, Sport und Nachrichten als gemeinsame Ankerpunkte. Es wird aber keine Anbieter mehr geben, die sich rein auf die Verbreitung von klassischem Fernsehen, im Sinne von: ein Signal wird gleichzeitig von vielen Zuschauern empfangen, beschränken.
Zattoo Content-Chef Jörg Meyer
Foto: Zattoo AG
teltarif.de: Im vergangenen Jahr hat sich Ihr schwedischer Wettbewerber "Magine TV" aus dem deutschen Privatkundengeschäft zurückgezogen und dieses an Sie verkauft. Die Begründung war seinerzeit, Magine wolle sich auf das B2B-Business konzentrieren. Der Eindruck, man hat dieses Geschäftsmodell vielleicht unterschätzt und nicht profitabel betreiben können, lässt sich allerdings nicht völlig von der Hand weisen.
Jörg Meyer: Die genauen Gründe für die Entscheidung der Kollegen von Magine kennen wir nicht. Aus eigener Erfahrung wissen wir aber, dass die Margen pro Abonnent im deutschen TV-Streaming Markt gering sind und daher die kritische Größe für einen profitablen Geschäftsbetrieb eher hoch ist.
Zattoo: Allianzen mit Netzbetreibern
teltarif.de: Die Freenet-Tochter Exaring vermarktet „Waipu TV“ als White Label-Lösung zum Beispiel in Kooperation mit dem Netzbetreiber o2. Sie haben sich für eine Zusammenarbeit mit 1&1, M-Net, NetCologne etc. entschieden. Wie wirken sich diese Allianzen bislang für Zattoo aus?
Jörg Meyer: Vor gut sechs Jahren haben wir uns bewusst dazu entschlossen, neben unserem Endkundengeschäft auch ein B2B-Geschäft aufzubauen, bei welchem wir unsere Technologie als White-Label-Lösung zur Verfügung stellen. Dem Endkunden ist bei diesen Partnerschaften gar nicht bewusst, dass sein TV-Service technisch von Zattoo betrieben wird. Hintergrund für den Einstieg ins B2B-Geschäft war die Idee, Synergien für den Betrieb und die laufende Weiterentwicklung der TV-Plattform über Anbieter- und Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Diese Strategie setzen wir seitdem sehr erfolgreich um. Neben den von Ihnen genannten Kunden betreiben wir beispielsweise in der Schweiz für "Salt" und in Irland für "eir" die TV-Plattformen. Der Betrieb einer TV-Plattform wurde in den letzten Jahren zunehmend komplexer, da immer mehr Endgeräte unterstützt und immer mehr Geschäftsmodelle, wie VoD, und Funktionalitäten, wie Replay und Restart, unterstützt werden müssen. Indem wir auf unserer Plattform inzwischen mehr als zwei Dutzend Anbieter zusammenführen, gelingt es uns, Synergien über die verschiedenen Anbieter hinweg zu realisieren und so den Betrieb einer wettbewerbsfähigen TV-Plattform bei vergleichsweise niedrigen kritischen Größen zu ermöglichen.
teltarif.de: Im Sommer 2019 hatte ProSiebenSat.1 sein Live TV-Angebot 7TV zusammen mit Discovery relauncht. Mittlerweile sind auch die SVoD-Inhalte von Maxdome sowie diverse Pay TV-Sender in HD an Bord. Das ist für 6,99 Euro im Monat ganz sicher eine Kampfansage. Wie reagiert Zattoo darauf?
Jörg Meyer: Grundsätzlich begrüßen wir jeden neuen Mitstreiter um den TV-Streaming Markt in Deutschland weiter voranzutreiben. Dies gilt grundsätzlich auch für Joyn. Joyn schafft mit dem Free- und jetzt auch mit dem Plus-Produkt ein attraktives Angebot und trägt damit zum Wachstum des TV-Streaming-Marktes bei, in dem es hoffentlich möglichst viele Nutzer von traditionellem Kabel- und Satellitenfernsehen vom Wechsel zum TV-Streaming überzeugt. Den Preispunkt von 6,99 Euro für ein stand-alone TV-Streaming-Angebot halte ich wirtschaftlich betrachtet nicht für nachhaltig. Joyn kombiniert ein SVoD-Angebot, welches vorher für 7,99 Euro meiner Einschätzung nach nur schwer wirtschaftlich betrieben werden konnte, mit einem TV-Streaming-Angebot, welches aktuell im Markt mit niedrigen Margen eher für 9,99 Euro und mehr angeboten wird. Solange Joyn seine Inhalte zu marktüblichen Konditionen lizenzieren muss, erschließt sich mir dieser Preispunkt nicht. Da helfen auch die zusätzlich generierten Werbeerlöse nur bedingt. Wie in der Vergangenheit beim Eintritt neuer Wettbewerber reagieren wir auch auf den Markteintritt von Joyn mit Bedacht und verfolgen weiterhin unseren Weg unser Endkundengeschäft Schritt für Schritt profitabel auszubauen. Hierzu stellen wir seit Dezember in Deutschland insbesondere unser Ultimate-Produkt in den Vordergrund. Mit Blick auf Senderangebot, Full-HD-Auflösung, Funktionen für zeitversetztes Fernsehen, mobile Nutzung und Anzahl unterstützter Endgeräte sehen wir Zattoo Ultimate derzeit als die am weitesten entwickelte TV-Streaming-Lösung in Deutschland. Der Preispunkt liegt mit 13,99 Euro etwas höher – aber immer noch deutlich unter dem Preis, den man zahlen müsste, um sich das Funktionsangebot auf anderen Plattformen zusammenzustellen.
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