Huawei: Harmony OS offen für alle Hersteller?
In der verzweifelten Hoffnung, den Chinesen das Geschäft zu verderben, hatte der scheidende US-Präsident Donald Trump die Verwendung des Google-Android-Systems durch den chinesischen Hersteller Huawei verbieten lassen.
Huawei war zunächst verblüfft, besann sich dann auf eigene Stärken und schob die Entwicklung eines alternativen Handy-Betriebssytems an. Damit ist Huawei nicht mehr von der Gnade von Google bzw. der amerikanischen Administration abhängig, sondern bringt was "Eigenes", das aber so schlau entwickelt werden muss, dass möglichst viel Software aus der weltweit verbreiteten Android-Welt damit genutzt werden kann.
Harmony OS als Alternative?
Richard Yu, Vorstand Consumer Produkte bei Huawei macht anderen Herstellern ein Angebot.
Foto: Picture Alliance / dpa
Diese Alternative soll "Harmony OS" heißen und es wird schon länger darüber berichtet. Die Zahl der Leute (außerhalb Chinas), die schon genauere Spezifikationen oder Code gesehen oder dafür bereits Anwendungen entwickelt haben oder wenigstens ein Handy mit Harmony OS in den Händen gehalten und ausprobiert haben, dürfte (noch) überschaubar sein. So wird im Westen darüber spekuliert, das Harmony OS im tiefsten Kern auf Android basieren könnte, aber von den Gnaden Googles oder der amerikanischen Administration unabhängig ist.
Freigabe für andere Hersteller
Nun geht Huawei einen Schritt weiter. Der Vorstand der Huawei Consumer Geschäftseinheit, Richard Yu, wäre bereit, dass auch andere (chinesische) Hersteller auf Harmony-OS zugreifen können.
Würde beispielweise irgendwann Oppo, Vivo oder Xiaomi auf der schwarzen Liste des Präsidenten landen, wäre Huawei bereit, "eine Alternative gegenüber Android und den damit verbundenen Google-Dienste zu bieten."
Richard Yu hatte sich zur Zertifizierung für chinesische Smartphone-Firmen, um Google Mobile Service (GMS) und Play Store zu bekommen, geäußert. Yu betonte, wenn die USA das blockierten, könne "Huawei allen chinesischen Smartphone-Herstellern helfen, das Harmony-OS-Betriebssystem zu verwenden und unsere Smartphone-Dienste anzubieten, um die Abhängigkeit von Google Mobile Services (GMS) zu beseitigen."
Aussage wiederholt
Dabei ist diese Aussage nicht neu, denn Huawei hatte sich offenbar schon Ende 2019 ähnlich geäußert. Damals, im Mai 2019, hatte die US-Regierung Huawei auf eine "schwarze" (Entity) Liste gesetzt und amerikanische Unternehmen eingeschränkt, mit Huawei Geschäfte zu machen.
Aufgrund dessen musste Google die Zertifizierung neuer Huawei-Geräte mit Google-Play-Zertifikaten stoppen, was dazu geführt hat, dass Nutzer von Huawei-Smartphones keine vorinstallierte GMS und keinen Google Play Store erhalten.
Was kann Harmony OS?
Nach Auskunft von Huawei sei "Harmony OS das selbst entwickelte verteilte Betriebssystem von Huawei, das erstmals auf der Huawei Developer Conference (HDC) 2019 vorgestellt wurde. Das System Harmony OS, anfangs auch als Hongmeng OS bekannt geworden, wurde entwickelt, "um ein neues Nutzererlebnis über alle Geräte und Szenarien innerhalb des Huawei-Ökosystems zu bieten."
Am 10. September 2020, auf der HDC 2020, stellte Huawei die neueste Version von Harmony OS, Harmony OS 2.0, mit neuen Funktionen wie Software-Bus, Datenmanagement und Sicherheit vor, welche die nahtlose Konnektivität zwischen allen Geräten im Huawei-Ökosystem unterstützen soll." Das bedeutet, Harmony OS ist kein reines Betriebssystem für Handys (pardon Smartphones), sondern auch für Smart Watches, Fitness Tracker, Tablets, Smart TV und alles, was man miteinander verkoppeln kann oder will.
Den Informationen zufolge muss dafür der Harmony-OS-Kernel flexibel sein, um mit verschiedenen Chipsätzen zu arbeiten und ihn quelloffen zu machen, um ihn auf anderen Smartphones zu verwenden. Das ist derzeit noch nicht der Fall, aber Huawei bestätigte schon auf der HDC 2019, dass dies für die Zukunft geplant sei.
Zuvor hatte das Huawei Vorstandsmitglied Guo Ping eine Diskussion mit seinen Mitarbeitern unter dem Motto "Vergeuden Sie keine Chance in der Krise" geführt und sie motiviert, positiv zu bleiben, um ein neues mobiles Ökosystem für die Verbraucher zu schaffen.
Huawei arbeite "hart daran, ein unabhängiges mobiles Ökosystem" als Ersatz für Google-Dienste aufzubauen, und es werde "für alle offen sein". Aber man ist sich in Shenzen darüber bewusst, dass es für Huawei nicht einfach sein wird, mit Google zu konkurrieren.
Harmony OS einfach zu übernehmen
Da der chinesische Smartphone-Hersteller aktuell kein GMS verwendet, könne das wachsende Ökosystem von Harmony OS auf Huawei Geräte einfach übernommen und erweitert werden. Am 16. Dezember hatte Huawei die mobile Entwickler-Beta-Version von HarmonyOS 2.0 veröffentlicht und öffnete die Beta-Test-Phase für das Huawei P40, die Mate 30-Serie und das MatePad Pro gestartet.
Auf der anderen Seite plane Huawei, alle bestehenden Geräte mit Harmony OS zu aktualisieren. Das erlaube, vorhandenen Nutzern, die bereits ein Gerät gekauft haben, die Harmony-OS-Funktionen zu nutzen, ohne (schon wieder) neue Geräte kaufen zu müssen. "Aber es gibt noch keine genauen Daten zu diesem Thema" , schreibt die Seite huaweicentral.com dazu.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Mit seiner Blockadepolitik hat Donald Trump seinem Kollegen Xi Jinping (unbewusst) einen Gefallen getan. Doch das kann den USA auf die Füße fallen, denn wenn China keine US-Technologie nutzen darf, bauen sie sich etwas eigenes und geben es an alle Hersteller, die es haben wollen.
Aber hat Harmony OS im "Westen" eine Chance? Vielleicht. Wenn mit Harmony OS ausgerüstete Geräte günstig zu haben sind, wenn bereits vorhandene Android-Software darauf zum Laufen zu bringen ist, wenn auch "heikle" Software wie Bezahlungs- und Banking-Programme sicher funktionieren und wenn das neue System quelloffen die spannende Frage beantwortet, ob es eine "Hintertür" gibt, dann könnte das durchaus der Fall sein.
Falls es ein Erfolg wird: Dann darf sich der Alphabet-Konzern (sprich Google) beim 45. Präsidenten der USA herzlichst bedanken, wenn seine Wachstumskurve eines Tages einen Knick bekommt.
Samsung ist ein wichtiger Konkurrent von Huawei. Wie das Flaggschiff Galaxy S21 aussehen könnte, berichten wir in einer weiteren Meldung.