Neue Telekom-Tarife im Tarifcheck: Gewinner und Verlierer
Nach langer Pause wieder eine reale Pressekonferenz im Hauptquartier der Deutschen Telekom in Bonn. teltarif.de war das einzige Medium vor Ort, alle anderen Zeitungen, Zeitschriften oder Onlinedienste zogen es vor, über eine (teils wacklige) Internetverbindung daran teilzunehmen.
Die neuen Tarife haben wir ja schon vorgestellt. Im Rahmen der Pressekonferenz gab es einige interessante Zusatzinformationen.
"Familie" braucht keinen Trauschein
Wir schon erwähnt, ist eine „Familie“ einfach eine Gruppe, wo eine Person den Vertrag mit der Telekom abschließt und die monatliche Rechnung bezahlt. Diese Person muss dann mit den „Familienmitgliedern“ intern „abrechnen“. Das könnte eine Wohngemeinschaft, eine Gruppe von Schulfreunden oder eine Nachbarschaftsclicque sein.
Nach langer Pause wieder eine "echte" Pressekonferenz im Telekom Hauptquartier in Bonn.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Zu einer "Familie" können maximal 5 Sprache-Plus-Karten gebucht werden, die auch Daten beherrschen. Es können maximal 5 Datenkarten (ohne Telefonie) und oder maximal 5 „Kids & Teens Karten“ (6-17 Jahre) dazu gebucht werden, maximal 10 Karten insgesamt. Alle diese Karten haben eigenes Datenvolumen und eine eigene Rufnummer. Die Höhe des Datenvolumens richtet sich nach dem Volumen des Hauptvertrages. Wäre der Hauptvertrag auf 10 GB Volumen festgelegt, dann hätte jedes Familienmitglied auch 10 GB und zwar pro Karte. Das gesamte Datenvolumen wird also nicht unter den aktiven Karten aufgeteilt.
MultiSIM bleibt verfügbar
Wer eine MultiSIM-Karte benötigt, kann die auch mit den neuen Tarifen bekommen, an den Preisen und Bedingungen ändert sich nichts. Eine eSIM für die Smartwatch kostet dann beispielsweise 4,95 Euro im Monat zusätzlich.
Galgenfrist für StreamOn
Was wir schon geahnt haben, wurde bestätigt: Diese neuen Tarife stellen den „Ersatz“ für StreamOn dar. Für Neukunden wird es StreamOn ab dem 1. Juli nicht mehr geben.
Wer den Vertrag mit der Option schon gebucht hat, kann ihn bis zum 31. März 2023 noch wie gewohnt weiternutzen. Darüber hinaus bekommt jeder Bestandskunde schon ab dem 1. Juli das erhöhte Datenvolumen automatisch dazugeschaltet, dazu muss nichts unternommen werden, StreamOn wird vor dem 31. März 2023 nicht geändert. Alle betroffenen Kunden werden per E-Mail, SMS oder Papier-Postbrief über die bevorstehende Tarifänderung informiert.
„Damit erfüllen wir die nicht gewünschte, aber gegebene Auflage der Bundesnetzagentur“, erklärte Mobilfunk-Chef Dr. Torsten Brodt dazu.
Wird das Volumen reichen?
Brodt ist Optimist und glaubt, dass die neuen Datenvolumina ausreichen, um weiterhin Radiostationen oder datenintensive Videoinhalte schauen (streamen) zu können.
Video-Streaming gab und gibt es ja erst beim bisherigen "MagentaMobil L" Tarif. Das Datenvolumen wächst von 24 auf 40 GB. Wer aber auch das Festnetz von der Telekom zu Hause hat, bekommt über den MagentaEins-Rabatt auf seinen Mobilfunkvertrag automatisch die Flatrate freigeschaltet und kann dann ungestört weiter surfen. Bitter wird es nur, wenn zum Vertrag kein passendes Telekom-Festnetz vorhanden ist.
Vorbild USA
Vorschau auf eine kommende Werbekampagne der Telekom. Das Hauptquartier im neuen Look.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Bei der Wahl der neuen Tarife hat sich Dr. Brodt und sein Team von T-Mobile USA leiten lassen. „Das war eine Inspiration. Wir sollten davon lernen“. Die Zusatzkarten hierzulande werden in den USA gerne „Lines“ genannt.
Nicht für Firmen- oder Geschäftskunden
Die neuen Privatkundentarife gelten nicht für Geschäftskunden. Das Tarifmodell würde dort so nicht funktionieren, dafür gibt es „andere Tarife und Ansätze.“
Einsteiger-Tarif sehr teuer
Die Pressekonferenz im Kraf"T"werk Kommunikation
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Nimmt man den Einsteiger-Tarif Magenta XS, so kostet der laut Preisliste 34,95 Euro mit 5 GB Volumen, was rechnerisch einen Preis von 7 Euro pro Gigabyte bedeutet. Rechnet man diesen Preis auf 3,25 GB um, würden die 22,75 Euro kosten. Da ist der "MagentaMobil Prepaid M" mit 3,25 GB - auf den vollen Monat umgerechnet und etwa 10,80 Euro Grundgebühr - nur halb so teuer. Das räumt auch Dr. Brodt freimütig ein. Er habe da kein Problem damit, wenn sich ein Kunde dann für einen Telekom-Prepaid Tarif oder ein Angebot von congstar oder vom Discountern im Telekom-Netz entscheide.
Natürlich nicht ohne darauf hinzuweisen, dass der Magenta XS in Verbindung mit dem MagentaEins-Rabatt fürs Festnetz nur noch 29,95 Euro kostet.
Warum keine Geschwindigkeitstarife?
Dr. Brodt hatte vor seiner Zeit bei der Deutschen Telekom lange bei der Schweizer Swisscom gearbeitet. Die Differenzierung der Tarife nach maximal möglicher Geschwindigkeit hatte die Schweiz schon vor etwa 10 bis 12 Jahren eingeführt. Auf Deutschland bezogen fand er, es sei nicht opportun, die Geschwindigkeit durchgehend zu drosseln. Die Kunden hätten "das Gigabyte gelernt".
Außerdem so betont er, seien alle neuen Telekom-Tarife flexibel und ließen sich monatlich up- oder downgraden. Familien würden schnell merken, dass ein Upgrade auf einen höheren Tarif pro einzelne Karte nicht soviel teurer würde.
Im Übrigen hätten sich die Tarifpreise der Telekom nicht geändert. Es gäbe aber etwas mehr dafür. Das sei in Zeichen steigender Kosten und hoher Inflation ein wichtiger Punkt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Das Fazit bleibt bestehen: Für Einzelkunden, die keine "Familie" (Gruppe) bilden können oder wollen, die kein Festnetz der Telekom haben (vielleicht, weil sie nomadisch leben oder weil zu Hause ein anderer Festnetzanbieter „das Sagen“ hat), sind die neuen Tarife „grausam“, besonders, wenn man viel Audio und Video streamen will. Zwar hat der zu Video-StreamOn notwendige Magenta Mobil L jetzt 40 GB Inklusivvolumen, aber ausgehungerte Video-Freaks, die vielleicht noch gerne ihre Mega-Foto-Sammlung über das Netz abgleichen, werden diese 40 GB schneller verbraten sein, als ihnen lieb sein kann.
Sollte doch ein Telekom-Festnetzanschluss bereitstehen, verwandelt sich der MagentaMobil L sofort in eine Flatrate und macht den Nutzer sofort glücklich.
Was ist ein besseres Netz wert?
Kleiner Exkurs: Vor dem Termin waren wir in der Bonner Innenstadt. Am Konrad-Adenauer-, Bertha-von-Suttner- und am Bonner Bahnhofsplatz haben wir gemessen: 5G mit 1010 bis 600 MBit/s im Downstream (mit iPhone 13 mini und Ookla Speedtest). Vodafone blieb mit 4G unter 100 MBit/s und o2 stoppte trotz 5G beim tariflichen bedingten Tempolimit von 300 MBit/s. Unterwegs gab es auch Abschnitte, wo man zwar ein o2-Signal, aber keine Daten empfangen konnte.
Bei den Preisen der Telekom muss man den Netzausbau und die Netzqualität mit einrechnen. Nicht jeder Kunde wird das tun können oder tun wollen. Manche Kunden werden sich eine Zweitkarte zulegen und das Telekom-Netz eher "im Notfall" einsetzen, weil die Zweitkarte günstiger ist oder so erscheint. Was sind Funklöcher, Netzüberlast und Aussetzer "wert"?
Von der Hoffnung auf weiter sinkende Preise im Mobilfunk sollten wir uns schweren Herzens verabschieden.
Der Grund ist simpel: Die pro Einzel-Vertrag sinkenden Preise müssten durch massive Mehrnutzung der Kunden wieder ausgenutzt werden und da ist die magische Grenze offenbar schon erreicht. Den am Ende des Tages wollen Mitarbeiter der Netzbetreiber ihre Gehälter, Lieferanten ihr Material und ihre Leistung bezahlt und die Aktionäre ihre Dividende haben.
Das Höchste, was wir bekommen können, ist ein klein wenig mehr Leistung fürs gleiche Geld.
Wer neidisch ins Ausland schaut, sollte auch hinter die Kulissen schauen. Teilweise wurden bei bestimmten Anbietern reihenweise Jobs gestrichen oder ins noch fernere Ausland verlagert, um die Betriebskosten zu senken. Solange beim Kunden nichts schief geht, ist das kein Problem.