Blut, Schweiss und Tränen

Telekommunikationsbranche: Hoffnungsschimmer am Horizont?

Fundamentale Krise erfordert Neuorientierung
Von Marie-Anne Winter

Die Nachfrage auf dem Telekommunikationsmarkt ist weiterhin ungebrochen. Laut einem Bericht im Handelsblatt werden weltweit 1 000 Milliarden US-Dollar (930 Milliarden Euro) für Telekommunikationsdienstleistungen ausgegeben. Trotzdem befindet sich die Telekommunikationsbranche in einer tiefen Krise. Ein wichtiger Grund hierfür sind die Überkapazitäten, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden. Zwischen 1997 und 2000 haben die Netzbetreiber verstärkt in den Netzausbau investiert. Die Netzauslastung liegt derzeit allerdings nur bei einem Drittel. Deshalb fiel es gar nicht weiter auf, dass auch große, moderne Netze wie das ebone-Netz [Link entfernt] von KPNQwest, inzwischen abgeschaltet wurden. Von der Euphorie blieben nur die Schuldenberge, mit denen die großen Carrier jetzt zu kämpfen haben.

Seit Anfang 2001 sind mittlerweile 30 große Telekommunikationsunternehmen Pleite gegangen. Das Unternehmen Worldcom etwa legte im vergangenen Sommer die bis dahin größte Firmenpleite in den USA hin. In Europa kämpfen die müden Riesen Deutsche Telekom und France Télécom mit schlechten Ergebnissen und Schuldengebirgen. Die Investitionen sind rückläufig, die Mobilfunkunternehmen strecken ihre Ausgaben für den Aufbau der Mobilfunknetze der dritten Generation soweit es die UMTS-Lizenzregeln in den jeweiligen Ländern zulassen. Die Netzwerkausrüster sind davon schwer getroffen, Ericsson, Siemens, Lucent oder Nortel [Link entfernt] befinden sich auf einer Rutschbahn, deren Ende längst nicht abzusehen ist.

Die Infrastrukturausrüster haben zu lange auf reine Netzwerktechnologie gesetzt - davon gibt es derzeit mehr als genug. Für die klammen Netzbetreiber spricht nichts dagegen, ihre bereits vorhandenen Netze weiter zu betreiben und zu optimieren. Chancen haben nun die Unternehmen, die rechtzeitig auf Kompetenz in Datenkommunikation gesetzt haben. Der überdurchschnittliche Wachstum bei WLAN zeigt in diese Richtung.

Die Netzbetreiber müssen sich umstellen: Die Kunden interessieren sich nicht für das Netz an sich, sondern für Komplett-Lösungen, die ihre Wünsche und Bedürfnisse abdecken. Technologische Lösungen haben deshalb keinen Wert an sich, sondern nur den, den die Kunden durch überzeugende Anwendungsmöglichkeiten darin erkennen. Die Kunden werden nur einfache, konsistente Lösungen, mit denen sie ihre Geschäftsprozesse optimieren und ihren Alltag besser organisieren können, als klaren Mehrwert anerkennen. Verschiedene Marktstudien wiesen darauf hin, dass gerade Mobilfunkkunden, mit dem, was die Technik aktuell bietet, sehr zufrieden sind. An technischem Schnickschnack, der über das Telefonieren und den Nachrichtenversand hinausgeht, sind nur Minderheiten interessiert.

Deshalb wird es nicht mehr ausreichen, dass Netzbetreiber wie bisher nur Anschlüsse vermitteln. Sie werden näher an den Kunden rücken und zunehmend individuelle Lösungen anbieten müssen. Gerade bei den hochpreisigen UMTS-Produkten werden sich Kunden nichts verkaufen lassen, was sie nicht wirklich haben wollen.

Ein Wachstumsmarkt, der weniger spektakulär, dafür aber essentiell ist, ist der Bereich der Telekommunikationssoftware. Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan hat gestern eine Analyse vorgelegt, derzufolge dieses Geschäftsfeld trotz der derzeitigen Krise wächst. Für Softwarelizenzen, Outsourcing und Dienstleistungen haben die Telekommunikationsunternehmen im letzten Jahr weltweit mehr als 18 Milliarden Dollar ausgegeben. Wenn die In-house entwickelten Lösungen, Betriebskosten und die Systemintegration eingerechnet werden, kommt man auf ein Gesamtvolumen von ungefähr 100 Milliarden Dollar in diesem Markt. Das wichtigste Teilsegment mit einem Umsatzanteil von 32 Prozent war 2002 die Billing-Software.