Orakel

Handy-Boom bald vorbei?

Experten befürchten starke Wachstumsrückgänge im nächsten Jahr
Von Marie-Anne Winter

Nach dem ersehnten Boom, der den Mobil­funk­markt in diesem Jahr satte Zuwächse beschwert hat, scheint sich nun das Blatt zu wenden: Laut neuer Prognosen wird das Wachstum der Handy­indus­trie im nächsten Jahr stark einbre­chen. Das schreibt heute die Finan­cial Times Deutsch­land (FTD [Link entfernt] ). So erwarte die Markt­forschungs­firma Stra­tegy Analy­tics erwartet, dass die Zahl der welt­weit verkauften Mobil­tele­fone nach einer Zuwachs­rate von 30 Prozent in diesem Jahr 2005 nur noch um acht Prozent auf insge­samt 726 Millionen Stück zunehmen wird.

Einen noch stär­keren Rück­gang erwarte Roland Pitz, Analyst bei der HypoVereinsbank. Er gehe von einem Wachstum zwischen drei und sieben Prozent aus. Der Grund für den erfol­genden Rück­gang sei in erster Linie das Abebben der ersten Verkaufs­welle von Kame­rahandys in den Indus­trie­ländern. Inter­essant in diesem Zusam­menhang ist, dass das Markt­forschungs­unter­nehmen Gartner gestern sehr gute Absatz­zahlen für diesen Bereich gemeldet hat - aller­dings für dieses Jahr.

Erbit­terte Preis­schlacht

Die Rück­gangs­zahlen klingen drama­tisch, es handelt sich aber wohl­gemerkt "nur" um die Wachs­tums­zahlen, die nicht mehr wie gewohnt in die Höhe schnellen werden. Der Markt an sich wird weiterhin wachsen, nur eben nicht so schnell. Es handelt sich also um eine leichte Stagna­tion auf hohem Niveau. Trotzdem hat diese Abfla­chung der Wachs­tums­kurve für die Wett­bewerber ernste Folgen: Der Wett­bewerbs­druck im ohnehin hart umkämpften Handy­geschäft wird sich weiter erhöhen, entspre­chend wird auch der Druck auf die Gewinn­margen steigen.

Die Anbieter liefern sich bereits jetzt eine erbit­terte Preis­schlacht, die von Markt­führer Nokia einge­läutet wurde. Der finni­sche Welt­markt­führer senkte die Preise für wich­tige Modelle, um verlo­rene Markt­anteile von Konkur­renten wie Moto­rola, Samsung oder Siemens zurück­gewinnen. Gleich­zeitig versucht Samsung, den ewigen Zweiten Moto­rola einzu­holen, auch der Kampf um die weiteren Plätze wird immer härter. Zugleich befindet sich die gesamte Branche im Umbruch von einem wachs­tums­starken und gewinn­brin­genden High­tech­geschäft zu einem Massen­markt mit sinkenden Gewinn­margen.

Neuord­nung in der Branche zu erwarten

Insge­samt steigt der Konso­lidie­rungs­druck in der Branche. Im Markt für Personal Computer führte ein vergleich­barer Umbruch zu einer Neuord­nung geführt: IBM zog sich weit­gehend aus diesem Geschäft zurück, Dell über­nahm die Markt­führer­schaft und Hewlett-Packard kaufte den Rivalen Compaq auf.

In der Handy­branche vermehren sich die Anzei­chen für einen ähnli­chen Vorgang: Markt­führer Nokia stau­chelte wegen Versäum­nissen bei der Entwick­lung aktu­eller Modelle und verlor Markt­anteile. Bei Siemens gab wegen des Preis­drucks zeit­weise sogar Über­legungen, das unpro­fitable Handy­geschäft auszu­lagern. Jetzt soll die rampo­nierte Sparte im Zuge einer Neuord­nung des Tele­kommu­nika­tions­geschäfts saniert werden. Alcatel aus Frank­reich lagerte das Handy­geschäft als Minder­heits­partner in ein Joint Venture mit dem chine­sischen TCL-Konzern aus.

Die Finnen konnten mit ihrer aggres­siven Preis­stra­tegie im dritten Quartal wieder aufholen; laut Stra­tegy Analy­tics stei­gerte Nokia den welt­weiten Markt­anteil im Vergleich zum zweiten Quartal um über zwei Prozent­punkte auf 30,6 Prozent. Moto­rola und Samsung büßten dagegen Markt­anteile ein. Leicht zulegen konnten Siemens und LG Elec­tronics aus Südkorea.