Wikileaks-Gründer Assange verhaftet: Auslieferung an USA?
Julian Assange nach seiner Verhaftung heute in London
Bild: dpa
Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach fast sieben
Jahren Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors festgenommen worden.
Die US-Justiz hat einen Auslieferungsantrag für den
Enthüllungsaktivisten gestellt, wie die britische Polizei heute bestätigte. Die Gefahr einer Auslieferung an die USA ist
genau das, was Assange veranlasste, in die Botschaft zu flüchten und
so lange dort auszuharren. Ecuadors Präsident Lenin Moreno sagte
zugleich, die britische Regierung habe schriftlich zugesagt, Assange
nicht an ein Land auszuliefern, in dem ihm Folter oder die
Todesstrafe drohten.
Vor der Festnahme heute entzog die Regierung Ecuadors Assange das diplomatische Asyl, mit der Begründung, er habe gegen die Auflagen dafür verstoßen. Die britische Polizei teilte mit, der Botschafter habe sie in die Botschaft eingeladen. Assange solle so schnell wie möglich einem Richter vorgeführt werden.
Ein Video der von Russland finanzierten Nachrichtenagentur Ruptly zeigte, wie Sicherheitskräfte Assange aus der Tür der Botschaft heraus und in ein bereitstehendes Einsatzfahrzeug zwangen.
US-Auslieferungsantrag wird begründet
Die US-Justiz wirft Wikileaks-Gründer Julian Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange werde beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, hieß es heute in einer Mitteilung des Justizministeriums zum US-Auslieferungsantrag an Großbritannien.
Das Interesse der US-Justiz wurde im vergangenen November bekannt, als Assanges Name versehentlich in einem US-Gerichtsdokument auftauchte. Die Passage legte nahe, dass es bereits eine Anklage gibt, sie aber unter Verschluss gehalten wird.
Wikileaks trat zunächst in Erscheinung mit der Veröffentlichung geheimer US-Dateien, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen und die Tötung von Zivilisten durch amerikanische Truppen in Afghanistan dokumentierten.
Zuletzt stand Wikileaks aber vor allem im Fokus von US-Ermittlungen,
weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016
gestohlene E-Mails der demokratischen Partei veröffentlichte.
US-Behörden gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern
heruntergeladen und Wikileaks zugespielt wurden. Diesen Aspekt hat
auch FBI-Sonderermittler Robert Mueller in seinem Abschlussbericht
über die vermutete russische Einmischung bei der von Donald Trump
gewonnenen Präsidentenwahl festgehalten.
Julian Assange nach seiner Verhaftung heute in London
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"Dunkler Moment für die Pressefreiheit"
Wikileaks warf Ecuador heute vor, mit der Entziehung des politischen Asyls für Assange internationales Recht zu brechen.
Whistleblower Edward Snowden, der im russischen Exil lebt, schrieb auf Twitter: "Assanges Kritiker mögen jubeln, aber das ist ein dunkler Moment für die Pressefreiheit." Das russische Außenministerium kritisierte die Festnahme. Der Kreml teilte mit, er hoffe, dass die Rechte Assanges respektiert würden. US-Schauspielerin Pamela Anderson, die den 47-jährigen mehrfach in der Botschaft besucht hatte, schrieb: "Ich bin schockiert." Sie warf den Briten vor, sie bräuchten eine Ablenkung vom "idiotischen Brexit-Mist".
Ecuadors Präsident Lenin Moreno dagegen betonte, Asyl zu gewähren oder zu entziehen sei Recht des Staats. Er warf Assange die Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten sowie unhöfliches und aggressives Verhalten vor.
Großbritanniens Regierung begrüßte die Festnahme. "Julian Assange ist kein Held und niemand steht über dem Gesetz", schrieb Außenminister Jeremy Hunt auf Twitter. "Es hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt." Die zusätzlichen Polizeiwachen vor der Botschaft hatten die britischen Steuerzahlen über die vergangenen Jahre Millionen gekostet.
Journalist oder Selbstdarsteller?
Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht. Kritiker werfen ihm vor, er sei ein einen Selbstdarsteller, der Menschenleben gefährdet habe. Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Aufklärer.
Als Assange in die diplomatische Vertretung flüchtete, lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Er befürchtete, zunächst nach Skandinavien und schließlich an die USA ausgeliefert zu werden. Im Mai 2017 stellte die Staatsanwaltschaft in Schweden jedoch ihre Ermittlungen ein.
Damit war Assange allerdings noch kein freier Mann, denn er hatte mit der Flucht in die Botschaft gegen britische Kautionsauflagen verstoßen. Scotland Yard kündigte an, den Enthüllungsaktivisten festzunehmen, sobald er die Botschaft verlasse. Ein Versuch der Anwälte Assanges, den Haftbefehl von einem Gericht für ungültig erklären zu lassen, scheiterte.
Frau aus Schweden will neue Ermittlungen gegen Assange
Eine Frau, die mit Vorwürfen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegen Julian Assange inzwischen eingestellte Ermittlungen gegen den Wikileaks-Gründer in Schweden ausgelöst hatte, will, dass der Fall nach seiner Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin teilte heute mit, sie werde daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehme. Ziel sei es, dass Assange an Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden könne, hieß es in einer E-Mail der Anwältin Elisabeth Massi Fritz an die Deutsche Presse-Agentur.
Staatsanwältin Ingrid Isgren teilte mit, die Situation sei auch für sie völlig neu und sie wisse noch nicht, warum Assange festgenommen wurde. Kommentieren könne die Staatsanwaltschaft die Entwicklung nicht. Grundsätzlich könne eine vorläufige Untersuchung wieder aufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. In dem Fall, dem Tatverdacht der Vergewaltigung, laufe die Frist Mitte August 2020 ab.
Russland: Rechte von Assange müssen eingehalten werden
Russland sieht nach der Festnahme des Wikileaks-Gründers Julian Assange dessen Aussichten auf ein faires Verfahren in Gefahr. "Wir hoffen natürlich, dass alle seine Rechte eingehalten werden", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow heute in Moskau, ohne weitere Details zu nennen.
Das russische Außenministerium kritisierte die Festnahme mit scharfen Worten. "Die Hand der 'Demokratie' drückt die Kehle der Freiheit zu", schrieb Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite.
Russland hatte 2013 ebenfalls international für Schlagzeilen mit der Aufnahme des US-Whistleblowers Edward Snowden gesorgt. Er hatte die Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes NSA öffentlich gemacht und bekam dabei auch Hilfe von Wikileaks. Seitdem lebt Snowden an einem geheimen Ort in Russland. Snowdens russischer Anwalt betonte, dass die Festnahme von Assange keinerlei Auswirkungen auf den Fall seines Mandaten habe. "Sie sind nicht miteinander verbunden", sagte der Jurist Anatoli Kutscherena der Agentur Interfax.