simquadrat DE Flat: Abrechnungsfehler beim EU-Roaming
Falsche Roaming-Auslegung bei simquadrat
Logo: sipgate, Foto/Montage: teltarif.de
Das im Jahr 2017 gestartete EU-Roaming ist eigentlich klar geregelt: Die in Deutschland angebotene Leistung kann (mit Ausnahme der Fair-Use-Regelung) ohne Aufpreis in EU-Ländern und anderen teilnehmenden Staaten verwendet werden. Nicht im EU-Roaming enthalten sind Auslandstelefonate von Deutschland in ein EU-Land, wohl aber Telefonate in ein anderes EU-Land beim Aufenthalt in einem EU-Land, wenn man mit dem deutschen Tarif eine Flatrate hat.
Der zu sipgate gehörenden Marke simquadrat wird offenbar erst jetzt nach vier Jahren bewusst, was diese Regel wirklich bedeutet. Die Folge: Bei Kunden des Tarifs simquadrat DE Flat könnte es falsche Abrechnungen gegeben haben.
Leser beschwert sich über falsche Roaming-Abrechnung
Falsche Roaming-Auslegung bei simquadrat
Logo: sipgate, Foto/Montage: teltarif.de
Anfang Juni schrieb uns ein teltarif.de-Leser:
Ich habe eine Meinungsverschiedenheit zur EU-Roaming-Verordnung mit sipgate und dem Produkt simquadrat. Ich habe festgestellt, dass ich für Gespräche im EU-Ausland (also in Österreich nach Österreich und nach Frankreich) bezahlen musste, obwohl ich eine Deutschland-Flatrate habe. Ich habe sipgate darüber informiert und viele Belege von der EU, der Bundesnetzagentur, der Verbraucherzentrale und von Medien genannt. Als Antwort von sipgate bekomme ich immer nur die Verteidigung ihrer Position, jedoch ohne klare Belege oder Zitate.Da wir sofort vermuteten, dass es sich um den simquadrat-Tarif DE Flat für 4,95 Euro pro Monat handelt, fragten wir beim Leser nochmals nach und der Kunde bestätigte unsere Vermutung. Anschließend schauten wir uns den Schriftverkehr zwischen simquadrat und dem Leser an.Aufgefallen ist es mir, weil ich bei Telekom, o2 und simplytel bisher immer nur Flatrates in Deutschland hatte, und trotzdem nie für EU-Gespräche bei[m] Roaming zahlen musste.
Wie Sie unten sehen können, beharrt sipgate auf Ihrer Position und hat mir sogar einen Wechsel vorgeschlagen. Dies will ich nicht, weil ich möchte, dass auch anderen Kunden hier nichts falsch berechnet wird und ich das Produkt an sich gut finde (bis auf ein paar kleine Probleme wie bei der iMessage Aktivierung und keine Rufnummernanzeige bei Roaming in manchen Netzen). Wie sehen Sie die Situation?
Die falsche Auslegung der Roaming-Verordnung
Bei der Werbung für die Zusatzoptionen bei simquadrat fällt auf der Homepage eine Sache auf: Bei der DE Flat steht "DE-Flat in alle Netze", bei der EU Flat heißt es "Sprach-Flat in alle 27 EU-Länder" und bei der EU+ Flat steht "Sprach-Flat in alle 27 EU-Länder + 8 weitere Länder". Die Inklusivleistung "EU-Roaming" steht aber separat nochmals bei allen drei Tarifen dabei. Aus regulatorischer Sicht muss ein deutscher Tarif, der fürs Roaming freigeschaltet ist, auch das regulierte EU-Roaming bieten.
Als der Kunde sich wegen seiner falschen Abrechnung an sipgate wandte, schrieb eine Kundenbetreuerin von dort Sätze wie: "Die EU-Roaming-Verordnung besagt, dass Sie die Funktionen, die Sie in Deutschland nutzen, in allen EU-Ländern ohne Mehrkosten nutzen können. Mit Ihrer Deutschland-Flat können Sie nur deutsche Rufnummern kostenfrei anrufen. Andere europäische Rufnummern, wie eine österreichische Rufnummer, können Sie mit dieser Flat nicht kostenfrei anrufen. Diese sind nämlich nicht in der Flat enthalten. Sie können also in Österreich oder in anderen EU-Ländern weiterhin kostenfrei nach Deutschland telefonieren. Sofern Sie kostenfrei in europäische Länder telefonieren möchten, müssen Sie eine EU-Flat buchen."
Der Leser schrieb mit der Kundenbetreuerin mehrfach hin und her, doch diese war nicht von ihrer irrigen Meinung abzubringen und schrieb dem Kunden: "In Deutschland können Sie deutsche Rufnummern kostenfrei anrufen, österreichische können Sie in Deutschland nicht kostenfrei anrufen. Aus dem Grund können Sie auch in allen EU-Ländern, auch Österreich, weiterhin deutsche Rufnummern kostenfrei anrufen und österreichische nicht. Die neue EU-Verordnung besagt auch nichts weiteres als die Abschaffung von Roaminggebühren. Wenn Sie in Deutschland eine Deutschlandflat nutzen, wird in Italien oder Österreich nicht daraus eine Italien- oder Österreichflat. Sie können nur dieselben Leistungen - wie Sie es in Deutschland tun - nutzen. [...] Laut dieser Verordnung gelten die Flatrates, die Sie in Deutschland nutzen für dieselbe Kostenpauschale auch in anderen EU-Ländern. Bedeutet, dass Sie in Ihrem Fall Ihre Deutschlandflat in Österreich nutzen können. Eine andere alternative Flatrate - für z.B. Österreich - müssen wir gesetzlich betrachtet nicht anbieten."
simquadrat rudert zurück
Wir wandten uns also im Auftrag des Lesers an sipgate und wiesen darauf hin, dass diese Interpretation der Roaming-Verordnung falsch ist. Eine Sprecherin des Unternehmens schrieb uns daraufhin:
Ich versuche gerne, Ihre Fragen bestmöglich zu beantworten. Bitte haben Sie jedoch Verständnis, dass wir zu einigen Details zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben machen können, da wir die Sachlage aktuell noch intern sowie gemeinsam mit der Bundesnetzagentur auswerten.Das Missverständnis kam dadurch zustande, dass wir die Roaming-Verordnung anders interpretiert hatten, als die BNetzA dies tut. In der Verordnung wird festgelegt, dass Kund:innen, die sich im Ausland befinden, lediglich der sogenannte "inländische Endkundenpreis" berechnet werden darf. Unserem Verständnis nach war dies der Preis, den Kund:innen für dieselbe Leistung auch in Deutschland bezahlen würden. Unsere DE-Flat deckte somit alle Gespräche nach Deutschland ab – egal, wo in der EU und dem EWR man sich gerade aufhält. Die für uns überraschende Definition des "inländischen Endkundenpreises" sieht jedoch vor, dass Gespräche von zum Beispiel Polen nach Polen oder von Polen nach Österreich ebenfalls von der DE-Flat abgedeckt werden sollen. Befindet man sich also außerhalb Deutschlands, wird eine DE-Flat faktisch zur EU-Flat. Ganz wichtig: Obwohl diese Interpretation der Verordnung uns überrascht hat, sind wir keinesfalls dagegen.
Die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts gerade im Mobilfunk war uns immer ein besonderes Anliegen. Wie Sie wissen haben wir als erster deutscher Anbieter bereits 2013, also vier Jahre vor der Einführung der RLAH-Regulierung, auf Roaming-Gebühren im EU-Ausland und dem EWR verzichtet. Beim Abgleich der Regularien mit unseren bereits bestehenden Konditionen, kamen wir 2017 zu dem Schluss, dass diese mit unserem Konzept vom Wegfall der Roaming-Gebühren übereinstimmen. Wir haben daher nur noch bestimmte Aspekte angepasst und erweitert, aber nicht an unserem Grundverständnis von Roaming gezweifelt. Ganz offensichtlich ein Fehler, den wir bedauern. Wir sind daher im Prozess, unser System an die Vorgaben der BNetzA anzupassen und prüfen selbstverständlich, inwieweit Rechnungskorrekturen möglich sind.
Unsere Kundenbetreuer:innen sind über die Sachlage informiert. An dieser Stelle ist es mir besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass der entsprechenden Kollegin kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.
Kunden der DE Flat sollten Rechnungen prüfen
Wer also Kunde der simquadrat DE Flat ist und den Tarif im EU-Roaming verwendet hat, sollte seine Abrechnungen prüfen, mit Verweis auf diesen Artikel dagegen Widerspruch einlegen und sich die zu Unrecht abgerechneten Gebühren wieder erstatten lassen.
Eines der größten Erfolgserlebnisse der Europäischen Union sind einheitliche Roaming-Tarife in allen 27 Ländern. Das Erfolgsmodell soll über 2022 hinaus verlängert werden. Gilt das EU-Roaming künftig auch in Flugzeugen und auf Schiffen?