ProSiebenSat.1: Berlusconi will europäischen TV-Sender
Seit Einstieg des Berlusconi-Konzerns MFE bei ProSiebenSat.1 wurde in der Presse viel über konkrete Pläne der Italiener spekuliert. Dazu beigetragen haben auch immer wieder Statements aus München und Mailand selbst, die allerdings oftmals nicht nur viele Fragen offenlassen, sondern sogar neue Unklarheiten schaffen.
Ein Beispiel ist das klare Bekenntnis zu einem europäischen TV-Konzern unter Beteiligung von ProSiebenSat.1, welches jedoch im Widerspruch zur eher zögerlichen Haltung bei einer Erhöhung der eigenen Beteiligung in Unterföhring steht. Und auch beim Thema gemeinsame Inhalte ist vom europäischen Medienkonzern erst einmal nicht viel zu hören.
ProSiebenSat.1 ist kein Zukauf
MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi glaubt weiter an einem europäischen TV-Konzern
Foto: MFE
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Satz von MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi gegenüber der Nachrichtenagentur APA: "Wir sind nicht daran interessiert, einen Fernsehsender in Frankreich oder Deutschland zu kaufen, sondern wir wollen einen großen europäischen Sender schaffen." Diese Aussage ergibt schon auf den ersten Blick wenig Sinn, denn die Schaffung eben dieses europäischen Senders setzt für MFE einen Zukauf voraus, sofern sie in den geplanten Zielmärkten nicht selbst neue Sender aufbauen wollen.
Im Kern besteht der "neue europäische Sender" aus Mediaset auf dem italienischen Heimatmarkt sowie weiteren Zukäufen. So auch Mediaset Espana, die der Konzern 1997 integrierte. Mutmaßlich dürfte man bei ProSiebenSat.1 eine ähnliche Strategie verfolgen. Zudem stellt sich natürlich die Frage, wie man das Projekt eines europäischen TV-Senders umsetzen will, wenn (noch) andere Anteilseigner ein Wörtchen mitzureden haben. Mittelfristig müsste MFE ProSiebenSat.1 nicht nur vollständig übernehmen, sondern auch von der Börse nehmen, um die eigenen Pläne wirklich umsetzen zu können.
Inhalte bleiben Schlüssel
MFE betont immer wieder die Bedeutung der lokalen Märkte, bei gemeinsamen Inhalten zeigt man sich in Mailand immer noch zurückhaltend. Doch auch hier stellt sich die Frage: Welchen Sinn und Zweck hat ein europäischer TV-Senderverbund, der im wichtigsten Bereich Content wieder zurück in nationale bzw. lokale Strukturen fällt? Schließlich produzieren auch große US-Streamer wie Disney und Netflix ihre Inhalte nicht primär für lokale Märkte, sondern sogar für ein globales Publikum.
Vielmehr bietet sich mit einem europäischen TV-Konzern doch eine Chance, gerade bei Inhalten größere Produktionen zu realisieren, die zumindest abseits des US-Mainstreams konkurrenzfähig sind. Andernfalls wären es womöglich auch wieder US-Konzerne, die eine Lücke bei europäischen Produktionen füllen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit waren hier Sky Studios Elstree - und auch Netflix setzt zunehmend auf lokalen Content.
Zögerlichkeit wohl politisch
Das Tauziehen um ProSiebenSat.1 dürfte aber zu großen Teilen wenig mit Berlusconis Plänen selbst, als vielmehr immer noch hauptsächlich mit einer hierzulande verbreiteten politischen Skepsis gegenüber der Berlusconi-Familie zu tun haben. Wobei dieses Argument spätestens seit dem Tod des Medienpatriarchen unter objektiver Betrachtung nicht mehr haltbar ist.
Ein europäischer TV-Konzern unter Beteiligung von ProSiebenSat.1 kann durchaus zum Erfolg versprechenden Projekt werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es braucht somit ein klares Konzept, wie dieser neue Konzern wirklich auf allen Märkten erfolgreich sein will. Aber insbesondere für Deutschland sind ganz konkrete Pläne immer noch diffus. Und dann bleibt noch eine weitere Frage offen: Will ProSiebenSat.1 selbst überhaupt noch im Kern TV-Sender sein? Zumindest Konzernchef Bert Habets hat vielmehr deutlich gemacht, dass die Zukunft ganz dem eigenen Streaming-Angebot Joyn gehört.