Bedenkenträger: Keine schnelleren Verlegemethoden?
Alle Welt wünscht sich Glasfaser und klagt, dass der Ausbau so lange dauert. Nach klassischer Methode muss erst ein tiefes Loch gegraben werden, worin dann die Leerrohre (sehen aus wie Gartenschläuche) verlegt werden. Dann wird die Glasfaser "eingeblasen" und auf beiden Seiten angeschlossen. Was sich einfach liest, kann in der Praxis Jahre dauern.
Tiefbau dauert und kostet
Beim "Nano-Trenching" können Glasfaserkabel bei fließendem Verkehr in den Asphalt verlegt werden. Großflächiges "Aufreissen" entfällt.
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Der Tiefbau ist umständlich, braucht Zeit und ist vor allen Dingen sehr teuer. Also wurden neue Verfahren ausgetüftelt, um das einfacher und schneller und günstiger zu machen. Die Idee: Man fräst einen kleinen Schlitz in den Asphalt, in das gerade so ein Leerrohr reinpasst und gießt das ganze schnell wieder zu. Das Verfahren heißt Trenching und besonders "mutige" Anbieter verlegen das in nur sechs Zentimeter Tiefe - gemessen von der Straßen- oder Gehwegoberfläche.
Des Anwohners Freud, des Bauamtes Leid
Das freut die Anwohner, weil es sehr schnell geht, morgens auf, Kabel rein und abends zu und Straße frei. Das gruselt die städtischen Tiefbauämter, weil sie befürchten, dass die Decke den nächsten Frost nicht überlebt. Da aber in deutschen Städten und Gemeinden immer wieder neu gegraben und umgebaut wird, sei es bei einem Wasserrohrbruch oder Schäden an Kupferkabeln, ist das Risiko groß, dass die nächste Baufirma den Trench "übersieht" (oder nichts davon weiß) und dann ist die Glasfaser unterbrochen, mit oft katastrophalen Folgen, wenn Rechenzentren, Stadtteile und die ganze digitale Infrastruktur still stehen. Und am Ende steht die große Frage: Wer zahlt das denn nun?
Versicherung oder Fond
Die Idee der Bundesregierung ist bestechend: Man bilde eine Art Versicherung, die all diese Schäden ohne lange Diskussion bezahlt. Im Prinzip die richtige Idee, die Frage ist, wie es im Schadensfall aussieht. Langjährige Prozesse, um die "Schuldfrage" oder eine kurzfristige und unbürokratische (aber in Summe teure) Regulierung?
Der Branchenverband VATM sieht, nicht zu Unrecht, den Erfolg des Glasfaserausbaus in Deutschland in Gefahr, wenn "alternative Verlegetechniken" ausgebremst werden. Was in anderen europäischen Ländern nicht einmal mehr „alternative Verlegetechniken“ genannt wird, weil es zum Alltag gehört, soll nun auf Wunsch der konventionell arbeitender Bauträger und Teilen einer innovationsfeindlichen Tiefbaulobby verhindert werden, wettert der Verband - vermutlich zu Recht.
Lieber 60cm tief graben?
Die Tiefbau-Fraktion möchte weiter ihre gewohnten 60 Zentimeter tiefe „Gräben“ mit Tonnen an Aushub und energieintensiver Wiederverdichtung haben. Das solle die gute alte deutsche Norm bleiben und dies, obwohl Glasfaser weder einfrieren könne noch eine Dimensionierung der Gräben wie für dicke Abwasserrohre sinnvoll ist, argumentiert der VATM.
In anderen Industrie-Nationen, die Deutschland beim Thema Infrastrukturausbau und Digitalisierung voraus sind, war der Einsatz innovativer Verlegemethoden neben der Entbürokratisierung einer der zentralen Schlüssel zum Erfolg, weiß der VATM und nennt Spanien, Frankreich und insbesondere die skandinavischen Länder. Dort sind alternative Verlegeverfahren seit langem die Regel und ein enormer Beschleunigungseffekt für den Ausbau.
Pflügen, Bohren, Trenchen
Für den Glasfaserausbau wäre daher auch in Deutschland der Einsatz von Kabelpflugverfahren, grabenlosen Verlegemethoden wie Erdrakete und Spülbohrungen, diversen Säge-, Schleif- und Fräsverfahren (Trenching) unerlässlich. Dr. Frederic Ufer, zweiter Geschäftsführer des VATM, verdeutlicht: „Würde man Deutschland allein mit konventionellem Tiefbau erschließen wollen, würde die von der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 versprochene flächendeckende Glasfaserversorgung um etliche Jahre verfehlt.“
Tiefbau dauert viel zu lange
Das ist einleuchtend: Die Verlegung "in alt hergebrachter Tiefbauweise" dauert bis zu fünf Mal länger als mit den neuen Methoden. Mit diesen werden übrigens auch Feinstaub und Lärm vermieden, sind Beeinträchtigungen für Verkehr, Anwohner und Umwelt sowie die CO2-Emissionen in der Bauphase geringer. Der Energieverbrauch werde deutlich gesenkt. Daher sind alternative Verlegetechniken auch einer der Schwerpunkte der erst im Juli veröffentlichten Gigabitstrategie der Bundesregierung, lobt der Verband.
Neue DIN-Norm für Straßenbau?
Um die Geschichte gründlich zu regeln, soll das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) die neuen Verfahren regeln. Diese DIN-Blätter sind für die Bauämter vor Ort extrem wichtig, weil sie sich vor Regress-Forderungen absichern wollen und müssen und "DIN" gilt quasi wie ein Gesetz. Fast jeder kennt "DIN A4" eine Norm für die Größe von Papierblättern.
Zwar sind die Endfassungen von DIN e.V. und der Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) noch nicht veröffentlicht, aber der VATM befürchtet, dass sich eben nicht der Wille von Gesetzgeber und Bundesregierung niederschlägt, sondern sich Bedenkenträger aus den etablierten Reihen der Bauindustrie durchsetzen, die sich vehement gegen effiziente und deutlich nachhaltigere Innovationen beim Ausbau wenden.
Telekom Vorständin plädiert für Erdrakete
Normalerweise sind sich VATM und Deutsche Telekom nicht unbedingt grün, aber hier bekommt der VATM von der Technik-Vorständin der Deutschen Telekom, Claudia Nemat, eindeutig Hilfe, die in einem neuen Videoformat ("What's new, Claudia?") die Funktion der Erdrakete anschaulich erklärt.
Überall Angst?
Die Bauindustrie fürchtet vermutlich auch um lukrative Bauaufträge, wenn das "alternativ" künftig viel schneller und einfacher gehen und für die Bauherren günstiger sein sollte. Der VATM fordert daher, dass die Ausbauziele der Bundesregierung nicht durch die Ablehnung moderner Verfahren und durch eine Veröffentlichung des FGSV-Merkblatts noch vor der Finalisierung der DIN "konterkariert" werden dürften.
Sicherheit bei möglichen Schäden
Damit sich die Bürgermeister und Bauleiter rundum sicher fühlen können, spricht sich der VATM für einen Fonds aus, der im Falle eines Schadens beim Glasfaserausbau greift. „Die Erfahrungen insbesondere aus dem Ausland zeigen aber, dass nicht mehr Bauschäden zu erwarten sind als bei konventioneller Verlegung“, erläutert Dr. Ufer.
„Dabei gilt gerade hier wie in vielen anderen Bereichen: Nur wenn wir es schaffen, die enormen Vorteile neuer Technologien konsequent und sicher zu nutzen, können wir Deutschland wieder auf Kurs bringen und für den Erhalt unseres Wohlstandes sorgen. Wenn wir es nicht einmal schaffen, den Tiefbau in Deutschland zu reformieren und auf europäisches Niveau zu heben, dann wird es keinen verwundern, dass wir bei den vielen sehr viel komplexeren Herausforderungen wie der Digitalisierung und beim so essenziellen Bürokratieabbau scheitern werden“, mahnt Dr. Ufer.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
In der Baubranche kämpfen und feilschen alle Beteiligten um jeden Cent. Die Auftraggeber wollen es möglichst günstig, die Unternehmen müssen Energie und Personalkosten und gestiegene Anforderungen an Umweltschutz und so weiter erfüllen. Also ist die Baubranche daran interessiert, dass sich möglichst nichts ändert.
Die Baubehörden haben Angst, vor Gericht zu landen, wenn die ach so schnell verlegte Glasfaser reißt und irgendjemand das Bauamt verklagt, weil sie nicht verhindert hätten, das hier so schnell und "holter di polter" gebaut oder "gepfuscht" worden sei. Gutachter reiben sich in jedem Fall die Hände. Ob Fonds oder Versicherung, es muss eine pragmatische Lösung her, damit sich endlich etwas bewegt. Sicher wird es zunächst zu spektakulären Schäden kommen, aber mit der Zeit werden sich die Abläufe einspielen.
Und was besonders wichtig ist: Dass Bauämter noch schärfer als bisher ein Auge darauf werfen, welcher Anbieter wann und wo genau welches Kabel verlegt hat. In der Vergangenheit wurde da einfach lustig und munter "drauflos" gebaut und nach 10 oder 20 Jahren wissen vielleicht noch ältere Anwohner, wo da was liegen könnte, doch dann hat der Bagger schon "getroffen". Das darf sich nicht mehr wiederholen und hier kann Digitalisierung helfen.
Bleibt die Frage, ob die Politik den Mut hat, hier mal eine klare Ansage zu Gunsten der Zukunft zu machen oder vor den Ängsten der Bedenkenträger wieder einknickt.
Beim Sommerfest des VATM wurde bekannt, dass ein Staatssekretär-Ausschuss die Digitalisierung beschleunigen soll.