Telekom-Vorstand: Tim Höttges 10 Jahre im Amt
Der Autor erinnert sich an eine Tarif-Pressekonferenz im Bonner Landgrabenweg. Dort stellte der damalige Telekom-Chef René Obermann im persönlichen Gespräch seinen neuen Finanzchef vor. Tim Höttges, damals mit Strickweste und Ärmelkantenschonern aus Leder bekleidet, wirkte schüchtern. "Eigentlich hätte nur noch der Bleistift hinter dem Ohr gefehlt", witzelte ein Beobachter damals.
Spannende Entwicklung
Telekom-Chef Timotheus Höttges seit 2014 im Amt
Bild: dpa
Die Entwicklung von Tim Höttges vom fast schüchternen Zahlen-fixierten "Kostenrechner" zum CEO eines weltweit bedeutenden Telekommunikationsunternehmens ist beachtlich.
Nachdem René Obermann auf eigenen Wunsch den Chefsessel der Telekom verlassen hatte, trat Höttges dieses Amt an und verblüffte bei einem hochrangigen Presseevent in Berlin die versammelten Journalisten mit einer längeren Rede. Kernpunkt: Der Kundenservice bei der Telekom sei eine einzige Katastrophe, dort funktioniere nichts richtig. Das war absolut ungewöhnlich, dass ein Unternehmenschef sein Unternehmen in ein so schlechtes Licht rückte.
Eingeweihte berichteten damals, dass Höttges mit einem riesigen Notizblock bewaffnet, in den Call-Centern der Telekom ungewöhnlich viel Zeit verbracht habe. Er habe Kundengespräche mitgehört und sich unendlich viele Notizen gemacht. Danach wurde der Kundenservice komplett neu organisiert.
Veränderungen
Auch wer nicht so tief ins Innere des Unternehmens blicken konnte, bemerkte Veränderungen.
Nachdem Höttges Vor-Vor-Vorgänger Ron Sommer in den USA auf Mobilfunk-Einkaufstour gegangen war, wurde er heftig kritisiert: "Soviel Geld für einen nicht funktionierenden Anbieter". Auch Sommers Nach-Nachfolger Obermann wurde heftig bedrängt, das teure Abenteuer in den USA endlich zu beenden. Ein unterschriftsreifer Verkauf an AT&T wurde dann aber von den US-Behörden gekippt. Doch Obermann hatte sich für diesen als "unwahrscheinlich" geltenden Fall weitgehende Frequenzrechte und sogar Entschädigung in bar ausbedungen. Ein Schachzug, welcher der Telekom den Weg zum Erfolg in den USA ebnete. Höttges "erbte" das US-Unternehmen und die geplante Fusion mit US Sprint.
Obermann hatte noch John Legere eingestellt, einen charismatischen Typen, der 2013 bei T-Mobile US die "Un-Carrier Strategie" startete. Eine Marke - vergleichbar mit simyo in Deutschland -, die alles anders machte und bis heute damit Erfolg hat. Viele US-Amerikaner wissen wohl gar nicht, dass T-Mobile US ein "deutsches" Unternehmen ist. Höttges war von der lockeren Art von Legere ziemlich beeindruckt und überlegte sich wohl, ob das auch in Deutschland funktionieren könnte.
2013 und 2014
In Deutschland wurde am 15.05.2013 beschlossen, Tim Höttges als Nachfolger von René Obermann zum 1.1.2014 zu berufen. In den USA startete der Verkauf von Apple-Produkten, damals war das iPhone 5 angesagt. Höttges wurde Aufsichtsratsvorsitzender bei T-Mobile US. Für 3,9 Milliarden US-Dollar kaufte T-Mobile US (TMUS) den Mobilfunkanbieter Metro PCS. T-Mobile Tschechien wurde vollständig erworben und kostete 800 Millionen Euro.
In Deutschland startete das Angebot MagentaEINS, das Privatkunden, die Mobilfunk und Festnetz von der Telekom beziehen, Vorteile bietet. Es wurde später von Vodafone ("GigaKombi") oder o2 ("KombiVorteil") mehr oder weniger "kopiert".
Im Festnetz wurde die Vectoring-Technologie vorgestellt. Sie erfordert, dass ein einziges Unternehmen alle Leitungen in einem Ortsnetz "unter technischer Kontrolle" haben muss, damit höhere Geschwindigkeiten möglich werden. Der Clou ist ein mathematisch komplexes Verfahren, womit gegenseitige Störungen herausgefiltert werden können. Die Bundesnetzagentur erteilte dem Verfahren ihren Segen, legte aber fest, dass sich konkurrierende Unternehmen bewerben konnten. Es galt das Windhund-Prinzip.
Im September startete die Vermarktung von VDSL-Vectoring. Nicht in allen Ortsnetzen konnte oder wollte die Telekom sich die Herrschaft über die Kabel sichern. Einige treue Telekom-Kunden wurden deshalb gekündigt, sie verstanden die Welt nicht mehr. Später kaufte die Telekom bei örtlichen Anbietern die Leistung ein und vermarktet sie seitdem unter "Magenta Regio".
2014 hatte die Telekom 70 Prozent des Scout24-Portals verkauft.
Auf Seite 2 schauen wir uns die Jahre 2015 und danach an.